Tierheime für alle Felle
Im Tierheim Köln-Dellbrück finden jährlich etwa 500 Hunde, fast ebensoviele Katzen und zudem viele Klein- und Wildtiere ein zumindest vorübergehendes Zuhause. Als Tierheim des Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V. (bmt) trägt die Einrichtung Sorge, dass Tiere als empfindsame Lebewesen respektiert und vor Leiden geschützt werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei auch der Kinder- und Jugendarbeit. Sylvia Hemmerling hat uns die Arbeit des Tierheims Köln-Dellbrück erläutert.
Susanna Allmis-Hiergeist, Farina Schwarze und Lina Jechow
Das Tierheim in Köln-Dellbrück ist eines von zehn bundesweit verteilten Einrichtungen des Bundes gegen Missbrauch der Tiere e.V. (bmt). Welches besondere Verständnis von Tierschutz zeichnet bmt-Heime aus?
Sylvia Hemmerling: Die bmt-Heime haben ein umfassendes Verständnis von Tierschutz. Jedem Tier soll geholfen werden, dabei ist es egal, ob es sich um Haustiere oder Wildtiere handelt. Jedes Tier liegt dem Tierheim am Herzen. Unser Tierheim, das interessanterweise einmal ein Tanzlokal war, gilt mit vier Hundehäusern, zwei Katzenhäusern und einer großen Kleinnagerabteilung als das größte in NRW. Auf circa 7000 Quadratmetern bieten wir unseren Hunden auch eigene große und kleine Auslaufflächen. Ziel ist es, den Tieren ein schönes Zuhause zu vermitteln. Für jede Vermittlung nehmen wir uns viel Zeit. Unsere Hunde und Katzen haben feine Nasen und finden meist selbst heraus, ob die Chemie mit den künftigen Bezugspersonen stimmt. Kleintiere wie Kaninchen, Meerschweinchen und Vögel werden nur artgerecht, also nicht in Einzel- oder Käfighaltung abgegeben. Hier leisten wir viel Aufklärungsarbeit, weil die negativen Folgen eines einsamen Käfiglebens nicht im Bewusstsein sind.
Um welche Tierarten kümmert sich der bmt und sind die einzelnen Heime spezialisiert? Welche Tierarten beherbergen und vermitteln Sie in Köln?
Alle bmt-Heime nehmen Hunde, Katzen sowie Kleintiere auf, einige wenige wie z.B. das Tierheim in Dellbrück kümmern sich zusätzlich um Wildtiere. In der Eifel gibt es sogar ein bmt-Tierheim, das sich nur auf Wildvögel und Igel spezialisiert hat. Die bmt-Tierheime zeichnet aus, dass sie sich auch um Tiere wie beispielsweise Stadttauben kümmern, die oft im Tierschutz vergessen werden.
Aktuell sind viele Tierheime überlastet. Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptgründe?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind die erhöhten Tierarztgebühren zu nennen. Hierdurch können sich manche Tierhalter*innen bei erkrankten Tieren die Versorgung nicht mehr leisten und sind gezwungen, diese abzugeben. Dann wären die sogenannten „Corona-Hunde“ zu nennen. Solche Hunde wurden teilweise ohne Vorwissen und angemessene Überlegung zur eigenen Lebenssituation angeschafft. Wenn die Besitzer*innen dann vom Homeoffice wieder ins Büro gewechselt sind, wurden die Hunde oft zu einem Störfaktor. Wir selbst haben aber auch ein Problem, Nein zu sagen. Drohen Tierhalter*innen ihren Hund oder ihre Katze auszusetzen oder einzuschläfern, nehmen wir die Tiere in der Regel trotz Platzproblemen auf. Sind hier viele schlecht zu vermittelnde Problemhunde darunter, verschärft das die Situation.
Die Kommunen haben eine gesetzliche Pflicht zur Unterbringung von Fundtieren. Kann ein Aufnahmestopp zu einem vermehrten Aussetzen von Tieren führen, für die ja dann doch ein Platz bereitgestellt werden muss?
Einen Aufnahmestopp möchten wir natürlich nach Möglichkeit vermeiden. Er kann aber zum Beispiel durch Krankheiten notwendig werden. Aktuell gibt es zum Beispiel einen Katzenschnupfen im Tierheim und durch diesen sind weitere Aufnahmen von Katzen unmöglich. In solchen Situationen muss dann auf andere Tierheime ausgewichen werden.
An wen kann man sich wenden, wenn man ein verwaistes oder verletztes Wildtier gefunden hat?
Man kann sich an jedes lokale Tierheim wenden. Auch wenn diese Wildtiere selber nicht aufnehmen, werden sie die Finder*innen beraten und an die richtige Stelle weiterleiten. Die wichtigste Regel beim Fund von Tierkindern oder verletzen Tieren lautet: nicht vorschnell handeln. Befinden sich hilfsbedürftige Wildtiere in Gefahrensituationen, sollten sie mit einem weichen Tuch ins nächste Gebüsch oder Gras gebracht werden. Nähern sich die Elterntiere nicht, sind Tierarztpraxen die ersten Ansprechpartner. Bei der weiteren Versorgung helfen spezialisierte Organisationen wie Pro Igel e.V. (pro-igel.de) und Eichhörnchen Notruf e.V. (eichhoernchen-notruf.com) Bei Waldtieren wie Rehe und Wildschweine sind die örtlichen Förstereien zu informieren.
Mit dem KITI-Köln Projekt sprechen Sie gezielt Kinder und Jugendliche an. Wie begeistern Sie junge Menschen für den Tierschutz?
Die meisten Kinder sind von Natur aus interessiert und von Tieren begeistert. Wir legen den Fokus auf einen guten und achtsamen Umgang mit jedem Tier. Innerhalb unseres Kinder- und Jugendschutzprojektes, der KiTi Köln-Gruppe, treffen wir uns einmal im Monat imTierheim vor Ort. Die Teilnehmer* innen helfen mit bei der Kleintier- und Katzenversorgung und gehen mit Heimhunden spazieren. Aber wir sprechen auch gemeinsam über Themen wie Zoo und Zirkus, Tierversuche, Tiertransporte und Massentierhaltung. Unsere Tierschutzlehrerin besucht auf Einladung kostenfrei Kindergärten und Schulen. Anregungen finden junge Tierschützer auf www.kiti-koeln.de.
Sie engagieren sich auch in Ungarn und Rumänien. Wie helfen Sie Tieren vor Ort und vermitteln Sie diese auch nach Deutschland?
Die Tierheime im Ausland sind autark. Wir unterstützten in Form von Spenden, aber auch vor Ort, um die notwendige Infrastruktur aufzubauen. Bei ausreichendem Platz in dem Kölner Tierheim werden auch Transporte nach Deutschland organisiert, um die Tiere hier vor Ort zu vermitteln. Wegen der vorhin erwähnten Überfüllung ist das zurzeit leider nicht möglich.
Der Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V. (bmt) versteht sich auch als Akteur im politischen Tierschutz. Hier einige Grundsatzforderungen.
Haustierhaltung: Verbot des Handels auf online-Portalen und von gewerblichen Tierbörsen; Verkäufe von Kleintieren nur im Fachhandel
Landwirtschaft: Zugang aller Tiere zu verschiedenen Klimazonen, insbesondere zu Außenbereichen; trittfeste Böden; deutlich reduzierter Arzneimitteleinsatz
Jagd: Keine Jagd auf Tiere, wenn keine ökologische Notwendigkeit oder drohender gemeinwirtschaftlicher Schaden besteht; Verzicht auf Jagdmethoden, die erhebliches Tierleid bedingen (zum Beispiel Vogeljagd, die üblicherweise mit Schrot durchgeführt wird)
Zirkus: Verbot der Haltung und des Mitführens von Wildtieren
Zoos: Keine Haltung von Tierarten, die aufgrund ihrer biologischen Ansprüche nicht tiergerecht gehalten werden können und reinen Schauwert haben (dazu zählen Menschenaffen)
Tierversuche: Ausstieg aus der experimentellen Forschung, insbesondere Verbot von schwerstbelastenden Tierversuchen.
DEUTSCHER TIERSCHUTZBUND E.V.
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Farina Schwarze
In der aktuellen krisenreichen Zeit gibt es ein Thema, das oft vergessen wird: Der Tierschutz. Darunter leiden vor allem die Tierheime. Überfüllung, fehlende Infrastruktur und Mitarbeiter*innen an der Belastungsgrenze sind seit mehreren Jahren an der Tagesordnung. Dafür, dass diesen Problemen wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, sorgt der Deutsche Tierschutzbund e.V. Als Dachverband setzt sich die Organisation seit über 100 Jahren für Tierschutz in vielen verschiedenen Bereichen ein.
Dabei geht es um viel mehr als das Betreiben von Tierheimen, Auffangstationen und Unterstützung durch Futterspenden. Gerade, wenn sich die Krisen häufen, ist politischer Druck essenziell. Um diesen aufzubauen, formulierte der Deutsche Tierschutzbund Forderungen in zwei grundlegenden Bereichen an die aktuelle Regierung:
• Finanzierung: Der Tierschutz braucht jetzt eine Soforthilfe von 200 Millionen €, um die dringendsten Kosten zu decken und vor allem den Arbeitsschutz der Tierschützer*innen gewährleisten zu können, sowie die Infrastruktur aufrechtzuerhalten und ganz aktuell auch die immer steigenden Tierarztkosten zu tragen.
• weniger schutzbedürftige Tiere: das große Ziel im Tierschutz ist, dass es langfristig so wenig schutzbedürftige Tiere wie möglich gibt und die Überfüllung in den Tierheimen zurückgeht. Das Engagement des Tierschutzbunds beschränkt sich nicht nur auf Deutschland.
Das Tierschutzzentrum in Odessa beispielsweise hat durch den Ukraine-Krieg viel Unterstützung bekommen. Die Tierschützer* innen vor Ort konnten jahrelang durch ein effektives Kastrationsprogramm die Straßenpopulationen auf ein Minimum reduzieren.
Bis die Ukraine Anfang 2022 von Russland angegriffen wurde, haben die Tierärzt*innen vielen Hunden und Katzen das Leben gerettet und gleichzeitig ein neues, besseres Verhältnis zwischen der Bevölkerung und den Straßentieren geschaffen. Als es zu dem lange befürchteten Angriff Russlands kam, hat sich der Arbeitsalltag in eine Extremsituation verwandelt. Immer neue Krisen mussten täglich gestemmt werden. Denn im Endeffekt bleibt das Ziel trotz Ausnahmezustand gleich: den Tieren weltweit soll geholfen werden.
Mehr von Susanna Allmis-Hiergeist |
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