Nostalgie – Vom Müll zum Wertstoff – Eine zweite Karriere ist möglich

27. Juli 2023 | Nachhaltigkeit, Nostalgie, Susanna Allmis-Hiergeist | 0 Kommentare

Es handelt sich um den Auszug eines Artikels aus dem Jahre 2013 im Rahmen unserer Nostalgiereihe.

Beschäftigt man sich mit dem Thema Abfallvermeidung und Abfallverwertung, dringt man in ein vielschichtiges Bergwerk ein, das bei näherem hinsehen ebenso komplex wie faszinierend ist. Die Assoziationen reichen von üblem Geruch bis hin zum avantgardistischen Flohmarkt-Schick, die Herausforderungen von der Rohstoffeffizienz bis zur gefahrfreien Schadstoffdeponierung.


Susanna Allmis Hiergeist


Hier lagert der Restmüll vor der Verbrennung Bildrechte: Jürgen Huber

Weihnachten und die alljährliche festliche Bescherung sind zwar schon eine Weile vergangen, aber eines ist sicher noch in Erinnerung: wieder sind Unmengen Verpackungsmüll in die Entsorgung gewandert, und zwar keinesfalls in gegenüber den Vorjahren merklich abnehmender Tendenz. Ob Handy, Kinderspielzeug oder Duftlotion, alles ist mehrfach stoßfest ummantelt und glanzvoll eingehüllt. Dabei haben Abfall und Abfallentsorgung eine lange, nicht immer rühmliche Tradition. Viele Jahrhunderte wurden Straßenreinigung und Müllabfuhr in einem „Aufwasch“ erledigt. Hausmüll wurde einfach aus dem Fenster geworfen, Passanten lebten nicht ungefährlich. Im 19. Jahrhundert war es üblich, den Müll hinter dem Haus in einer Grube zu sammeln. Ihr Inhalt wanderte dann von Zeit zu Zeit, in Säcke umgefüllt, auf die umliegenden Felder.

 

Erst 1895 kam der Berliner Polizeipräsident auf die Idee, eine feste und undurchlässige Mülltonne anzuordnen, was dann schließlich wegen der vielen Kohleöfen in die aus Stahl gefertigten so genannten Ascheneimer und Mitte der 60er Jahre in die ersten Plastikmülltonnen mündete. Die getrennte Sammlung von Küchenabfällen als Futterrohstoff in der Schweinemast war in der DDR schon ab1953 üblich, im Westen förderte das gestiegene Umweltbewusstsein in den 70er und 80er Jahren zuerst die Aufstellung von Glassammelcontainern, später vereinzelte Versuche mit Bio- und Papier-Tonnen. In den 90er Jahren wurden sie flächendeckend, in etwa zeitgleich mit dem ‚Grünen Punkt‘ zur Sammlung von Verpackungsmüll eingeführt. Seitdem gibt es blaue, graue, gelbe und grüne Tonnen und an den Sammeltagen pittoreske bunte Straßenzüge. Nur: der Müll ist dadurch nicht weniger geworden. Das Duale System bietet augenscheinlich zu wenig Anreiz, die Flut von Umverpackungen effektiv zu stoppen.

Getrenntmüllsammlung – und danach?

Ganz vermeiden lässt sich der Abfall im Endeffekt nicht, und so wird er von den Bürger+innen mehr oder weniger sorgfältig in die verschiedenen Tonnen sortiert. Aber was passiert mit dem Inhalt der Tonnen nach der Müllabfuhr? Biomüll wird in der Regel kompostiert und später im städtischen oder privaten Gartenbau sowie in der Landwirtschaft weiterverwendet. Auch für den Betrieb von Biogasanlagen ist der Abfall aus der grünen Tonne einsetzbar. In der Restmülltonne stören die feuchten organischen Stoffe eher und führen zu einem insgesamt geringeren Brennwert in der Müllverbrennungsanlage. Altpapier, Altglas und Metall sind gefragte kommerziell verwertbare Stoffe. Glas kann beliebig oft recycelt werden und Altglas ist heute der wichtigste Bestandteil von neuen Glasverpackungen. Eine sortenreine Trennung in weißes, braunes und grünes Glas ist wichtig für die Wiederverwertbarkeit. Die Sammlung von Altpapier hilft, immer neue Abholzungen zur Zellstoffgewinnung für die Papierproduktion zu vermeiden. Aus Altpapier wird z. B. Zeitungspapier hergestellt, aber auch Recycling- und Umweltpapier (nicht chemisch gebleicht) sowie Wellpappe und weitere Kartonagen. Auch das Kunststoffrecycling ist weit fortgeschritten. Die Wirtschaftskreisläufe des Dualen Systems sind allerdings nur für die Verarbeitung von Verpackungsmüll ausgelegt – was nicht heißt, dass nicht bereits heute schon Plastikrestmüll (z.B. Spielzeug) aus Unkenntnis in den gelben Tonnen landet. Die gebrauchten Kunststoffverpackungen werden in unterschiedlichster Art weiter verwertet. PET-Kunststoffe aus Getränkeverpackungen werden sogar in ihrem zweiten Leben zu Fäden gesponnen und danach zu Fleecepullis verarbeitet.

 

Energetische Verwertung

Hinter dieser Scheibe verbrennt unser Müll bei knapp 1000 Grad. Bildrechte: Jürgen Huber

Auch wenn die stoffliche Verwertung Vorrang hat,werden in der 1992 in Betrieb genommenen Bonner Müllverwertungsanlage, die von einer Tochter der SWB betrieben wird, jährlich circa 250.000 (Stand 2013) Tonnen Restmüll verarbeitet. Durch die Hochtemperaturverbrennung wird Wasserdampf produziert, der im benachbarten SWB Heizkraftwerk Strom und Fernwärme für viele Bonner Haushalte erzeugt. Doch die Verbrennung ist keineswegs rückstandsfrei: 30% des Müllgewichts bleibt am Ausgang des Prozesses als Schlacke übrig, wird von Metallrückständen befreit und vorwiegend als so genannter Ersatzbaustoff als Schotter im Straßenbau „deponiert“.

 

 

 

Insbesondere die Abgase aus der Müllverbrennung müssen von gefährlichen Beimengungen gereinigt werden: In einem dreistufigen Verfahren werden aus den Rauchgasen zuerst in einem Elektrofilter feste und staubförmige Partikel entfernt, sodann Schwefeldioxid, Chlor- und Fluorwasserstoff abwasserfrei ausgewaschen und in einem weiteren Schritt die bei hohen Verbrennungstemperaturen entstehenden hochgiftigen Dioxine und Furane in einem Absorber abgeschieden. Letztere werden anschließend in Sondermülldeponien entsorgt.

 

Weitergehende Forderungen

……Umweltverbände und auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) haben weitergehende Forderungen:

  • Die gesetzlich festgelegten Recyclingquoten müssen ehrgeiziger werden. Nach Untersuchungen des VKU werden über 60% der Kunststoffverpackungen heute immer noch verbrannt, und zwar legal. Es muss ein Anreizsystem geschaffen werden, bei dem sich höhere Recyclingquoten für alle Beteiligten auszahlen.
  • Im Endeffekt entscheidet natürlich ganz wesentlich der Verbraucher durch sein Kaufverhalten, wie viel Müll in den Tonnen landet, aber auch der würde sich sicher freuen,wenn er durch „richtiges Trennen“ künftig mit niedrigeren Müllgebühren belohnt würde.

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