Ökologische Waldbewirtschaftung

8. Mai 2020 | Nachhaltigkeit, Ökologie | 0 Kommentare

Holz aus dem Naturwald

Holz ist ein wichtiger, nachhaltiger Rohstoff und die Wälder, in denen er wächst, sind wertvolle Ökosysteme. Um sie zu schützen, muss die Forstwirtschaft so ökologisch wie möglich arbeiten. Dafür setzt sich die Naturwald Akademie ein und zeigt auf, wie Waldschutz und naturnahe Bewirtschaftung funktionieren und sich sogar ökonomisch lohnen können.

Marian Schuth

Im Alltagsbewusstsein ist der Wald für uns vor allem ein Ort der Erholung, um „mal rauszukommen“ und wandernd oder joggend ein bisschen Natur zu genießen. Aber schon seit Jahrtausenden ist der Wald weit mehr als nur ein Erholungsort für die Menschen: Er ist seit jeher eine wichtige Ressourcenquelle. Holz war schon immer einer unserer wichtigsten Rohstoffe. So wurde hierzulande durch die jahrhundertelange Waldnutzung aus Natur zunehmend Kulturlandschaft. Auch heute, in Zeiten von Beton und Kunststoff ist der Bedarf an Holz enorm. Der Rohstoff wird vielseitig eingesetzt: Als Baustoff, in der Papierherstellung oder zur Energieerzeugung; Möbelstücke und Musikinstrumente, Furnier, Bücher und Zeitungen, Handwerk und Bauwesen, im heimischen Kamin und großen Heizkraftwerken. Holz ist nach wie vor eine unserer wichtigsten Ressourcen und zudem ein nachwachsender Rohstoff mit ausgezeichneter Ökobilanz, sofern der Natur nicht mehr Holz entnommen wird als nachwachsen kann.

Laut der aktuellen Bundeswaldinventur liegt die Holzentnahme bei ca. 87 Prozent des jährlichen Zuwachses. In Deutschland wurden im vergangenen Jahrzehnt nach Angaben des Bundesumweltamtes durchschnittlich 55 Millionen Kubikmeter Holz (ohne Rinde) pro Jahr eingeschlagen. 2018 waren es aufgrund von Schädigungen durch Borkenkäfer, Trockenheit und Stürmen noch fast zehn Millionen Kubikmeter mehr. Dies sind offizielle Angaben. Insgesamt dürfte die Holzentnahme dauerhaft sogar noch ein gutes Stück höher liegen.

Bei dieser intensiven Waldnutzung wird klar, dass der Forstwirtschaft eine wichtige Rolle zukommt. Die Bewirtschaftung unserer Wälder hat dafür gesorgt, dass sich der Wald, den wir hierzulande kennen, häufig nicht in einem natürlichen Zustand befindet. Er ist geprägt von menschlichen Eingriffen. Die Artenzusammensetzung des Waldes wurde für die Holzindustrie angepasst: Fichten- und Kiefernwälder versprechen schnell und gerade wachsendes Holz. Durchforstungen selektieren nachwachsende Bäume aus, um sogenannte Zukunftsbäume zu fördern. Totholz wird entfernt und die Populationen von Reh-, Dam- und Schwarzwild, die ohne natürliche Feinde stark anwachsen, behindern durch den Verbiss von neuen Trieben die Verjüngung des Waldes. Für die Bewirtschaftung der Waldflächen gibt es verschiedene Philosophien: Das Spektrum reicht vom Raubbau an Natur und Planet, wie er auch hier in vergangenen Jahrhunderten betrieben wurde und momentan auf tragische Weise im Amazonasgebiet verfolgt werden kann, bis hin zu Ansätzen, die darauf ausgerichtet sind, auf eine forstliche Nutzung zu verzichten oder nur so geringfügig wie nötig in das sensible Ökosystem Wald einzugreifen.

Die Naturwald Akademie

Definitiv zu den Vertretern letzterer Kategorie gehört die Naturwald Akademie, ansässig im Stadtwald Lübeck. Diese gemeinnützige Organisation setzt sich für die Bewahrung und Förderung von Naturwäldern und eine nachhaltige und naturnahe forstliche Bewirtschaftung von Waldgebieten ein. Dieses Engagement geschieht auf zwei Ebenen. Zum einen durch von staatlichen Institutionen unabhängige Forschung zum Thema Wald und zum anderen durch die Veröffentlichung und Verbreitung von Studien und Informationsmaterial, sowie ein Beratungsangebot zu entsprechenden Themen. Die Naturwald Akademie möchte als unabhängige Stimme zu Themen der Waldwirtschaft, des Waldschutzes und der Adaption an klimatische Änderungen fungieren und zum gesellschaftlichen und politischen Diskurs rund um das Thema Wald beitragen. Denn es gebe, wie Matthias Fischer, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Naturwald Akademie sagt, zu wenige wirklich unabhängige Anlaufpunkte zu Fragen des Waldschutzes und der Waldwirtschaft. Und da es sich um eine wichtige und im Zuge des Klimawandels glücklicherweise zunehmend stärker beachtete Thematik handele, melden sich auch immer mehr Akteur*innen aus Politik, Medien und Forstwirtschaft bei der Akademie, um sich zu informieren.

Der Grundsatz der Naturwald Akademie: Unser momentaner Umgang mit den vorhandenen Waldflächen muss überdacht werden und die Entwicklung weiter in Richtung Schutz des Ökosystems Wald und extensive Bewirtschaftung gehen. Der Wald werde laut Fischer noch immer zu sehr als Ressourcenquelle und Profitmöglichkeit durch Holzeinschlag gesehen. Demgegenüber werde die Wahrnehmung und Wertschätzung des Waldes als komplexes System, das durch Sauerstoffproduktion, Kohlenstoffbindung, Trinkwasserreinigung und Erholungsmöglichkeiten zahlreiche Vorzüge für die Menschen anbietet, noch immer vernachlässigt.

Die Situation im Wald

Um die reichhaltigen und für Mensch und Natur wertvollen Ökosysteme zu schützen, sollen fünf Prozent der Wälder Deutschlands bis zum Jahr 2020 aus der forstlichen Nutzung genommen werden. Das heißt, keine Bewirtschaftung oder Eingriffe sonstiger Art. Diese Maßgabe hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2007 selbst auferlegt. Kurz vor Ende dieser Frist wurde dieses Ziel aber nur gut zur Hälfte erreicht: Nur 2,8 Prozent der Wälder Deutschlands sind zurzeit Naturwälder. Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf, denn der Zustand des Waldes ist nicht gut. Laut NRW-Umweltministerium sei nur rund jeder fünfte Baum in Nordrhein-Westfalen frei von Schädigungen durch Trockenheit, Sturm und Schädlingsbefall. „Fast 90 Prozent der Waldfläche in Deutschland ist in einem naturschutzfachlich schlechten Zustand“, schreibt gar die Naturwald Akademie in ihrem Alternativen Waldzustandsbericht. Dies ist durchaus vom Menschen beeinflusst. Der Klimawandel führt zu schwerer vorherzusehenden Wetterereignissen. Durch zunehmende Trockenheit ist beispielsweise nur noch wenig Wasser im Waldboden vorhanden, das die Bäume immer schlechter mit ihren Wurzeln erreichen. Die vor allem im vorigen Jahrhundert zahlreich gepflanzten Fichten, die natürlicherweise eher in höheren Regionen vorkommen, haben sich jetzt als leichte Beute für den Borkenkäfer entpuppt. So ist der Wald durch den menschlichen Eingriff anfälliger geworden.

Es geht der Akademie aber gar nicht darum, sämtliche Wälder aus der forstlichen Nutzung zu nehmen und auf die Ressource Holz zu verzichten. Die Akademie schätzt Holz als wertvollen und grundsätzlich sehr nachhaltigen Rohstoff. Daher plädiert die Naturwald Akademie für eine möglichst extensive Form der Bewirtschaftung, um die sensiblen Wälder zu schonen, denn die Natur sei „der beste Förster“. Leitsatz dieses Ansatzes ist, so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig in den Wald einzugreifen. Das heißt, dass einige der in der konventionellen Forstwirtschaft betriebenen Methoden mit dem Ziel angepasst werden sollten, den Wald letztlich widerstandsfähiger werden zu lassen und in der Bewirtschaftung mehr auf Qualität, statt auf Quantität zu setzen. So sollten etwa Bäume später und weniger häufig geerntet werden, soweit wie möglich auf schwere Maschinen verzichtet, und – so eine entsprechende Bejagung des Schalenwilds möglich ist – auf Neupflanzungen verzichtet werden. So erfolgt die Verjüngung des Waldes möglichst durch die natürliche Aussaat der Waldbäume.

Die Wirtschaftlichkeit von Waldschutz

Dabei legt die Naturwald Akademie aber auch Wert darauf , zu betonen, dass diese Methode durchaus wirtschaftlich ist und sich somit für Waldbesitzer*innen lohnen kann. Die Akademie empfiehlt, statt auf schneller wachsendes Nadelholz auf standortgerechte Arten zu setzen, und plädiert für Einzelstammentnahmen mit hohen Zielstärken: sprich großen Durchmessern. Das bedeutet längeres Wachstum, aber auch höhere Einnahmen durch mehr Holz pro Baum. Matthias Fischer bringt hierzu ein Beispiel an: Beim Verkauf einer durchschnittlichen Fichte liegt der Preis bei rund 150 bis 200 Euro, abzüglich Fäll- und sonstiger Kosten. Bei der Fällung einer alten Eiche würden Preise von mehreren tausend, und in Ausnahmefällen sogar 13.000 bis 18.000 Euro erzielt. Es lohne sich also langfristig zu planen und nicht den schnellen Gewinn erzielen zu wollen. Dies sei zwar nicht für alle kleinen, privaten Waldbesitzer*innen sofort umsetzbar, aber in der langfristigen, nachhaltigen Bewirtschaftung wichtig. Denn durch die selteneren Fällungen könnten die Eingriffe im Wald reduziert werden und das Ökosystem werde somit weniger gestört. Damit einher geht auch der Appell: Wir als Gesellschaft müssen Holz effektiver nutzen und weniger verschwenderisch mit dieser Ressource umgehen!

In der konventionellen Forstwirtschaft werden Harvester eingesetzt, schwere Fahrzeuge mit Greifarm, die dem Wald Bäume entnehmen. Problematisch an ihnen ist, dass sie durch ihr hohes Gewicht den Waldboden verdichten, wodurch der empfindliche Mikroorganismus darin geschädigt wird. Durch einen Abtransport der Stämme mit Rückepferden, wie es beispielsweise in Lübeck aber auch andernorts in Deutschland praktiziert wird, kann der Waldboden geschont werden. Aus demselben Grund sollten Rückewege, auf denen Maschinen und Fahrzeuge zum Abtransport der Baumstämme verkehren, nur im Abstand von rund 40 bis 60 Metern, also in etwa doppeltem Abstand als in der konventionellen Forstwirtschaft üblich, angelegt werden. Außerdem sei das Prinzip der Durchforstung laut Studien der Akademie kaum zielführend. Diese wird betrieben, um zentrale Jungbäume zu fördern, indem umstehende Jungbäume entfernt werden. Dies sei in weiten Teilen überflüssig.

All diese Eingriffsmaßnahmen (Pflanzungen, Durchforstung, Maschineneinsatz, Setzen auf quantitative statt qualitative Ernten) verursachen neben vielen Störungen des Waldökosystems auch einen hohen Kostenfaktor bei Waldbesitzer*innen. Ein Großteil davon könne der Natur überlassen werden, was zu Einsparungen führe. Dadurch sei die Wirtschaftlichkeit gewährleistet, denn Einsparungen in der Bewirtschaftung gleichen niedrigere Gewinne im Verkauf aus.

Subventionierung von Waldschutz

Letztendlich ist der Schutz unserer Wälder – wie so oft – eine Frage des Geldes. Nicht alle Waldbesitzer*innen können oder wollen es sich leisten, so viel Sensibilität in die Bewirtschaftung ihrer Wälder zu stecken, wie die Naturwald Akademie es tut. Der Wald ist für viele eine Kapitalanlage. Ihn stillzulegen oder generationsübergreifend zu planen, bedeutet, freiwillig auf eine Einnahmequelle zu verzichten. Dies ist ein Punkt, bei dem der Staat aktiv werden und finanzielle Anreize für den Schutz der Waldflächen geben muss. Laut Matthias Fischer gebe es nicht ausreichend Förderung des Staates für den Naturwald, gerade im Vergleich zur Landwirtschaft. Wenn etwa kleine Privatwaldbesitzer*innen ihre Waldfläche stilllegen möchten, gebe es keine finanzielle Unterstützung dafür. Dies müsse sich ändern. Die Gelder, die es gibt, etwa für Maßnahmen der Wiedervernässung oder Baumpflanzungen seien zudem in der Beantragung zu kompliziert. Dass stärkere finanzielle Förderungen für Naturwald in näherer Zukunft umgesetzt werden, sei momentan aber leider nicht abzusehen.

Aber immerhin: In einem neu erschienen Positionspapier des Bundesamts für Naturschutz (BfN) finden sich Handlungsempfehlungen, die in eine ähnliche Richtung gehen. Sie empfehlen, dass Waldbesitzer*innen, die „einen ökologischen Waldumbau bzw. eine naturnahe Waldbewirtschaftung [betreiben], hierin von der Gesellschaft und Politik stärker unterstützt und angemessen honoriert“ werden sollten. Diese Empfehlung ist so unterstützenswert wie vage. Und bis daraus eine politische Umsetzung erfolgt, kann es länger dauern. Im gleichen Papier steht der Grundsatz, Wälder wieder stärker als Ökosysteme mit wichtigen ökologischen Leistungen neben der Holzerzeugung zu betrachten und eine entsprechende schonende und am Wald als Ökosystem ausgerichtete Bewirtschaftung durchzuführen. Dies deutet an, dass die Weichen in Sachen Waldschutz in die richtige Richtung gestellt sind. Auch das flächendeckende zivilgesellschaftliche Engagement, etwa in der 2017 gegründeten Bundesbürgerinitiative für Waldschutz (BBIWS), in der sich Initiativen für den Waldschutz aus dem ganzen Land zusammenschließen, weist darauf hin. Diese Punkte machen vorsichtig zuversichtlich, dass sich das Thema Waldschutz in Deutschland in die richtige Richtung bewegt. Dafür sind aber vermutlich noch für längere Zeit engagierte Organisationen wie die Naturwald Akademie (naturwald-akademie.org) wichtig, die durch Forschung und Expertise diese Entwicklung vorantreiben, bis eine wirklich nachhaltig ökologische Forstwirtschaft zur Regel geworden ist.

Weitere Informationen erhalten Sie auf: www.naturwald-akademie.org

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