Jürgen unterwegs – ÖPNV auf dem Land

6. Februar 2023 | Ausgabe 1 / 2023, Gesellschaft, Jürgen Huber | 0 Kommentare

Jürgen Huber


Jürgen sagt zuallererst einmal Dankeschön für drei Jahre Treue zu Jürgen unterwegs. Er möchte dann mit Euch den Unterschied von Bahn und Bus in der Stadt und auf dem Land erfahren. Dazu hat er Fahrpläne gewälzt und mit Menschen auf dem Land gesprochen. Selbstredend spricht er auch über eigene Erfahrungen mit Touren, die er mit Bahn und Bus machte. Gute Lösungsansätze gibt es natürlich dazu.

Der Anfang von Jürgen Unterwegs

Mit „Liebenswertes Bad Godesberg“ fing alles an. In der Januar/Februar Ausgabe der BUZ 2020 war Jürgen das erste Mal mit Euch unterwegs. Danke für drei Jahre Treue! Ich nehme das Jubiläum zum Anlass, einmal nachzufragen, wie Euch diese Kolumne gefällt. Wenn Ihr Verbesserungsvorschläge habt, schreibt mir doch eine Mail an „juergen.huber@bonnerumweltzeitung.de“. Lob ist in diesem Fall das Brot des Künstlers und wird ebenfalls sehr gerne angenommen.

Tatsachen bei Bahn und Bus auf dem Land

Doch jetzt wieder zu Jürgen unterwegs. Unterwegs mit Bahn und Bus, das ist innerhalb unserer schönen Stadt kein Problem, aber wie sieht es auf dem Land aus? Oder zwischen Stadt und Land? Noch schlimmer, innerhalb des Landes? Wer im Einzugsgebiet einer Eisenbahn oder S-Bahnlinie wohnt, hat es recht einfach, mit der Bahn nach Bonn und wieder raus zu kommen. Wenn dann ein Haltepunkt in der Nähe ist. Komme ich in Bonn mühelos zu fast allen Zielen mit Bahn und Bus, sieht es auf dem Land ganz anders aus.
Mit dem Bus aus dem Drachenfelser Ländchen kommend gibt es an Werktagen keine langen Wartezeiten. Abends wird es bereits enger, da wird der Busverkehr sehr übersichtlich. Sonntags vergeht bereits eine knappe Stunde, bis sich ein Bus sehen lässt.
Ein sonntäglicher Besuch bei einem Freund in Dom-Esch bei Euskirchen ist fahrzeittechnisch anspruchsvoll; bis Euskirchen funktioniert das mit der S-Bahn ohne Probleme. Dann muss laut Fahrplan ein Sammeltaxi genommen werden, 30 Minuten vorher anzumelden, und zu dem „besonderen Tarif“ von 4,20 Euro! Der Betrag kommt noch auf den VRS Tarif von 8,20 Euro drauf.
Möchte ich sonntags von Bonn zum Schloss Ahrental bei Sinzig, komme ich nur alle zwei Stunden weg und habe 50 Minuten Fahrt zu bewältigen. Mit dem Auto würde ich es in der Hälfte der Zeit schaffen. Mit 2 Personen und zwei Kindern würde mich eine Fahrt mit dem ÖPNV 31,60 Euro kosten. Das 49 Euro Ticket würde sich dann schnell rechnen.
Wenn ich dann nicht in der Stadt sondern auf dem Land unterwegs sein möchte, wird es noch anspruchsvoller. Da bin ich Sonntags für eine Strecke von 16 Kilometern (Wachtberg Arzdorf bis Kalenborner Höhe) ganze zwei Stunden mit dem ÖPNV unterwegs.
Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich im WDR 2 von einer Studie genau zu diesem Thema! Diese Studie bestätigt meine Zeilen, die hier geschrieben stehen.
https://www1.wdr.de/nachrichten/samstagskolumne-mobilitaet-land-auto-100.html

Lösungsansätze und Episoden

Es ist, nicht nur auf dem Land, zu überlegen, ob es wirklich notwendig ist, in Zeiten von wenig Auslastung mit großen Bussen eine Fahrtstrecke zu bedienen. Ich stelle mir die Frage, ob es nicht günstiger ist, die wenigen Menschen mit einem kleineren Bus, oder sogar mit dem Taxi im Rahmen des Tarifes weiter zu befördern. Ein Stadtbus verbraucht 40 – 50 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Umgerechnet auf Euros sind das zur Zeit 100 Euro, und das ist ja nicht alles, ein Bus hat reichlich Verschleißteile, und das Fahrpersonal ist noch gar nicht mit einkalkuliert! Da rechnet sich vom umweltpolitischen Standpunkt aus das Einsetzen eines Kleinbusses, denn der verbraucht maximal 10 Liter Diesel.

Nötig ist es, den ÖPNV-Takt auf dem Lande zu verdichten, denn ohne Auto geht auf dem Land momentan leider gar nichts. Ob mit kleinen Bussen oder Taxen, sei dahingestellt. Bis dahin gibt viele Überlegungen zu alternativen Möglichkeiten, die Lücken im ÖPNV auf dem Land zu schließen.
Eine Idee aus Lennestadt wurde vor kurzem begraben. Die Mitfahrapp „Molly“ entwickelte der Zweckverband-Westfalen-Süd. „Mit Molly kannst du Fahrten anbieten und nach Mitfahrgelegenheiten suchen. Start oder Zielpunkt müssen in Lennestadt liegen.“, so lasen wir auf der Webseite. Bislang hat offenbar niemand die App „Molly“ genutzt. Das Ganze wurde als Pilotprojekt durch das Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Insgesamt kostete es 950.000 Euro, 75 Prozent davon übernahm das Land.
In der Kroppacher Schweiz im Westerwald sah ich eine sogenannte Mitfahrbank! Diese in der Ortsmitte oder an bedeutenden Kreuzungen aufgestellte Bank beinhaltet einen Schilderhalter mit dem Schild „Mitfahrbank“ und ausklappbare Richtungsschilder mit Ortsnamen. Ihr wollt noch mal schnell ins Nachbardorf oder in die nächste Stadt, dann klappt das Schild mit eurem Zielort aus. Da das System von immer mehr umweltbewussten Autofahrerinnen akzeptiert wird, sollte sich die Wartezeit in Grenzen halten. Meine Eltern lebten ein ganze Zeit lang in Süchterscheid bei Hennef. Die Bewohnerinnen hielten zusammen und es war kein Problem, wenn aus dringendem Anlass ein Besuch der Stadt Hennef anlag. Ein netter Mensch aus der Nachbarschaft nahm dich mit. Diese Dorfgemeinschaft ist vorbildlich, dort wird zusammengehalten!
Verlassen wir den lokalen Bereich und beschäftigen uns mit der „Deutschen Bahn“ auf Bundesebene. Diese hat seit 1999 von ursprünglich 3507 Bahnhöfen eine Anzahl von 2824 Bahnhöfen verkauft. Es sind weniger als 20% übriggeblieben. Bei den Strecken sieht es nicht sonderlich anders aus, das Streckennetz der Bahn ist im gleichen Zeitraum um über 6.000 Kilometer geschrumpft. Davon knapp 800 Kilometer in NRW. Unseren Einflussbereich hat es nicht hart getroffen. Es wurden sogar Strecken von nicht DB Betreibern wiederbelebt, zum Beispiel die Bördebahn. Diese verdankt ihren Namen der Zülpicher Börde und führt von Düren über Zülpich nach Euskirchen. Der tägliche Personenverkehr wurde am 15. Dezember 2019 wieder aufgenommen.
Eine Güterabfertigung gibt es schon lange nicht mehr! Ich erinnere mich an meine Jugend, da rollten wir unser Paddelboot auf einem sogenannten Bootswagen durch Bonn bis zur „Güterabfertigung“ und gaben es dort auf, um es bis nach Frankreich an die Loire zu versenden. Kamen wir nach einer Reise mit D-Zug und Schienenbus dort an, wartete das Boot schon auf uns. Heute würde ein solches Anliegen an die Bahn ein großes Gelächter auslösen.

Was lernen wir?

Auf dem Land ist es zur Zeit sehr schwierig, sich ohne Auto vernünftig zu bewegen, dazu sind die ÖPNV Verbindungen zu schlecht. Hier ist eine Menge Luft nach oben. Der Kreativität von Stadt und Land sind hier keine Grenzen gesetzt, um den Verkehr auf dem Land ohne Auto möglich zu machen. Bis dahin wird leider die Landbevölkerung das Auto als primäres Verkehrsmittel benötigen. Meistens werden sogar zwei Autos nötig sein, weil Vattern in der großen Stadt arbeiten geht und Muttern ein Auto für ihre Wege benötigt! Oder halt umgekehrt!

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