Lebensräume miteinander im Austausch
Ein lebenswertes und lebendiges, grünes und nachhaltiges Wohnumfeld braucht stetiges Engagement.
Ende März fand dazu auf dem Bad Godesberger Theaterplatz auf Einladung des „Zentrenmanagments Bad Godesberg“ ein Nachhaltigkeitstag statt.
Passend zum Schwerpunkt ‚Garten‘ sprach die BUZ-Redaktion mit der Initiative „Naturnah Gärtnern Godesberg“. Sie lädt zum Mitmachen ein!
Susanna Allmis-Hiergeist und Ralf Wolff
BUZ: Wie kam es zur Gründung Ihrer Initiative?

Corinna Dürr, Cornelia Kirchner und Daniela Mager am Stand von Naturnah Gärtnern Godesberg
Foto: Susanna Allmis-Hiergeist
Initiative: Wir drei haben uns im September letzten Jahres bei einem Treffen von „Bonn blüht und summt“ kennengelernt und dabei festgestellt, dass wir alle aus Bad Godesberg stammen.
Daraus entstand die Idee, in Kontakt zu bleiben und etwas im Bereich naturnahes Gärtnern gemeinsam zu gestalten. Über
nebenan.de haben wir Menschen gesucht, die das auch interessant finden. Ganz schnell waren wir 20 Leute und haben gemeinsam direkt losgelegt.
Als Erstes sind wir mit dem Klimaviertel Bad Godesberg in Kontakt getreten, weil wir wussten, dass der Hinterhof der Räumlichkeiten an der Bonner Straße begrünt werden soll. Für das Organisationsteam Klimaviertel Bad Godesberg ist es praktisch, dass wir wissen, wie es geht und wir fanden es toll, dort direkt eingebunden zu sein. Und dieser heutige Nachhaltigkeitstag ist schon unser zweites Projekt, obwohl unsere Initiative noch ganz jung ist.
Initiative breit aufgestellt
Welche verschiedenen Themenbereiche decken Sie ab?
Das Schöne ist, dass wir eine Gruppe mit sehr unterschiedlichen Hintergründen sind. Schon wir drei haben verschiedene Schwerpunkte.Corinna Dürr vertritt den Bereich des Naturgartens, in dem vielfältige heimische Pflanzen wachsen und einen Lebensraum für Menschen und Tiere sowie Insekten, wie zum Beispiel Schmetterlinge, bieten. Sie benutzt gerne den Ausdruck „Tiere pflanzen“.
Cornelia Kirchner kommt mehr aus dem ökologischen Landbau. Mit der solidarischen Landwirtschaft ist sie schon in Japan in Berührung gekommen und ist jetzt in diesem Bereich in Bonn aktiv. Insbesondere Kindern möchte sie zeigen, dass Lebensmittel nicht nur im Super-
marktregal bereitliegen, sondern auch an einer Pflanze wachsen. Dazu sollte auch im öffentlichen Raum Gemüse angebaut werden, Stichwort: Essbare Stadt. Hier wäre es wünschenswert, wenn in Bonn Rahmenbedingen geschaffen würden, wie es sie in vorbildlichen Städten wie Andernach, Kassel und München bereits gibt.
Die Perspektive des schönen Stadtbildes und des Stadtgrüns bringt Daniela Mager in die gemeinsame Arbeit ein. Das kann die Gestaltung einer Baumscheibe vor der eigenen Haustür oder ein Urban-Gardening-Projekt im öffentlichen Raum sein.
Auch eine Gärtnerin der Stadt Bonn arbeitet in der Initiative mit. Sie versucht mit ihren Kolleginnen und Kollegen die Verkehrssicherungspflicht der Stadt, also wo sind Rückschnitte und Mähen unabdingbar, mit dem natürlichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere in Einklang zu bringen.
Was bedeutet denn für Sie genau „naturnah“ gärtnern? Braucht die Natur Gärtner*innen? Gärtnern bedeutet doch immer auch Eingriffe in natürliche Prozesse.
Wenn man alles nur so laufen lassen würde, hätten wir irgendwann Wald oder eine Grassteppe, die Vielfalt würde also im Laufe der Zeit weniger. Unsere Herangehensweise ist, so wenig wie möglich in natürliche Abläufe einzugreifen – aber dennoch aktiv zu werden, wenn die Artenvielfalt bedroht ist. Ein naturnaher Garten ist ein Garten, in dem Pflanzen- und Tierwelt miteinander verschränkt sind.
Manche Leute empfinden einen Naturgarten vielleicht zunächst als etwas wild und ungepflegt. Denn über den Winter bis in den Frühling lassen wir Abgeblühtes stehen, da vertrocknete Blüten, Blätter und Halme als Rückzugs- und Überwinterungsorte für Insekten dienen. Wer das weiß, sieht das Vertrocknete mit ganz anderen Augen. Wir können nur empfehlen, im Garten nicht ständig alles „aufzuräumen“, sondern auch wilde Ecken zu lassen und entspannt zuzuschauen, was sich dort entwickelt. Dann kommen mit der Zeit auch wieder Schmetterlinge, die man schon lange vermisst hat.
Schmetterlinge und Wildbienen kann man sogar gezielt „pflanzen“. Denn viele sind auf ganz bestimmte Nahrungspflanzen angewiesen. Der Aurorafalter liebt zum Beispiel Wiesenschaumkraut, der Schwalbenschwanz freut sich über Pastinake, Dill oder Fenchel, und das Tagpfauenauge braucht – wie viele andere – Brennesseln als Raupenfutterpflanze. Deshalb überlassen wir die Verbreitung der Pflanzen nicht nur sich selbst, sondern fördern gezielt die an bestimmte Pflanzen angepasste Tierwelt.
Wer bunte Flächen mit ein- oder zweijährigen Blühpflanzen haben möchte, sollte übrigens nicht so viel düngen und mulchen, da das nur durchsetzungsfähige Pflanzen wie Gräser begünstigt. An Magerstandorten gedeiht die Blumenvielfalt am besten, wie man an den schönen Blumenwiesen in den Alpen sieht.
Zum naturnahen Garten gehört aber auch, gebietsfremde invasive Pflanzen wie Kirschlorbeer und Sommerflieder zu vermeiden bzw. zu entfernen. Wildbienen, Schmetterlinge und Vögel sind seit Jahrhunderten an bestimmte Pflanzen angepasst und können mit nicht-heimischen Arten oft nichts anfangen.
Kein Unkraut, keine Schädlinge
Wie bringen Sie in naturnahen Gärten Pflanzen und ihre potenziellen Schädlinge ins Gleichgewicht?
In einem Naturgarten gibt es für uns weder Unkraut noch Schädlinge. Es hat alles seinen Platz und es geht darum, eine gute Balance zu halten. Wenn Pflanzen invasiv sind, sich stark ausbreiten und andere Pflanzen verdrängen, muss man im Sinne der Diversität eingreifen. Wenn aber auf einer blühenden Wiese die Schnecken ein paar Blätter wegfressen, nimmt die Wiese keinen großen Schaden. Selbst Blattläuse sind ja wieder Futter für Marienkäfer und Vögel.
Etwas anders ist die Situation im Landbau. Hier können Schädlinge die Ernte reduzieren. Wir ersetzen aber nicht einfach chemische durch biologische Pestizide, sondern wir schaffen einen vielfältigen Lebensraum, in dem Nützlinge sich ansiedeln und die Schädlinge in Schach halten. Ein Problem sind die Monokulturen. Wenn man verschiedene Gemüsesorten mischt, wird vielleicht eine gefressen, aber fünf weitere kann man ernten. Diversität ist für uns der Schlüssel für ein natürliches Gleichgewicht.
Welche gärtnerischen Maßnahmen empfehlen Sie im Hinblick auf den Klimawandel?
Auf jeden Fall würden wir nicht sagen: Jetzt wird es bei uns heiß und darum nehmen wir Pflanzen aus Regionen, die Hitze gewohnt sind. Denn unsere heimischen Tiere können mit diesen gebietsfremden Pflanzen nichts anfangen und der über lange Zeiträume gewachsene Biotopverbund kann sich nicht weiter ausbilden oder wird gestört.
Auch hier gilt es wieder, sich breit aufzustellen und mit einer möglichst großen Vielfalt an heimischen Pflanzen zu arbeiten. Wichtig ist auch, im Garten Lebensräume wie Totholzhaufen, Wasserstellen und Hecken zu schaffen, die Tieren Nahrung und Schutz bieten.
Aktiv werden
Wie beziehen Sie Ihr Saatgut und Ihre Pflanzen? Gibt es auch bei den großen Baumärkten, wo viele Leute Pflanzen kaufen, bereits ein Bewusstsein für naturnahes Gärtnern?
Die Baumärkte bieten einiges als bienen- und insektenfreundlich an. Das gilt jedoch meistens nur für die ungefährdeten Honigbienen, nicht für die Wildbienen. Oft enthalten die Angebote aber trotzdem chemisch-synthetische Stoffe. Es gibt viele andere Bezugsquellen für regionales und nicht-chemisch behandeltes Saatgut sowie torffreie Erde.
Die beste Garantie ist eine Bestellung im spezialisierten Fachhandel. Die Kreisgruppe Bonn des NABU hat übrigens eine Liste von Pflanzenarten für einen insektenfreundlichen Garten zusammengestellt. Dort ist auch eine Auswahl empfehlenswerter Bezugsquellen aufgelistet (Standardwebsuche: „artenliste stauden nabu bonn“).
Unsere Gruppe hält es aber für eine gute Idee, bei einem hiesigen Baumarkt vorzusprechen und Bewusstsein für unser Anliegen zu schaffen.
Wie können die Bonner*innen und weitere Interessierte den Kontakt zu Ihnen finden, um für den eigenen Garten Anregungen zu erhalten oder in der Gruppe aktiv zu werden?
Wir wollen mit unseren Aktionen im Stadtraum sichtbar und präsent sein. Ansonsten treffen wir uns als Gruppe in der Regel einmal im Monat, im Winter im Godesberger Zentrenmanagement am Fronhof 10, im Sommer gehen wir in unsere Gärten, andere Schaugärten oder Projektflächen, besuchen Ausstellungen oder veranstalten Feste. Man muss übrigens keinen eigenen Garten oder Balkon haben, sondern kann sich auch bei unseren offenen Projekten einbringen. Wer mitmachen möchte, melde sich bei uns (gruenes-godesberg@gmx.de).
Wir nehmen Sie dann in unseren Verteiler auf. Jede*r ist herzlich willkommen.
Lust auf nachhaltig Gärtnern?
Du gärtnerst gerne naturnah und möchtest dich mit Gleichgesinnten austauschen? Du möchtest dich für mehr nachhaltiges Grün in Godesberg einsetzen, dann bist du genau richtig in unserer Gruppe Nachhaltig Gärtnern in Godesberg.
Wir treffen uns einmal im Monat, um uns mit Rat und Tat zu unterstützen und grüne Projekte wie Baumbeete usw. umzusetzen. Du brauchst weder einen grünen Daumen noch einen eigenen Garten, sondern nur Interesse am Thema.
Hast du Lust mitzumachen? Melde dich einfach unter gruenes-godesberg@gmx.de
Nachhaltigkeitstag Bad Godesberg
Dank des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ) ermöglichte das Zentrenmanagement Bad Godesberg im Auftrag der Bundesstadt Bonn Ende März einen Nachhaltigkeitstag auf dem Theaterplatz.
Innenstadtakteuren vielfältige Beteiligungsformate anzubieten, um in Austausch über die Aufwertung der zentralen Begegnungsorte zu kommen, ist das Ziel dieses Bundesprogamms.
Das Zentrenmanagement Bad Godesberg unterstützt private Akteurinnen und Akteure am Fronhof 10 mit einem „Ort der Begegnung“ bei ihrem Engagement und Investitionen in die zukunftsfähige Innenstadtgestaltung Bad Godesbergs. Auf dem Nachhaltigkeitstag konnten die Engagierten den Godesbergern ihr Engagement zeigen und sie zum Mitmachen einladen. „Blickpunkt Godesberg“ berichtete in seiner Ausgabe vom 11. April von den Angeboten an die Bad Godesberger.
Aus dem Verfügungsfonds des Stadtteilentwicklungskonzepts des Bundes (ISEK) können noch Gelder für kurzfristige Maßnahmen beantragt werden, so der Zentrenmanager Frank Schmitz.
Kontakt:
Telefon 0228 / 94585281 | Internet: www.zm-godesberg.de, Mail: info@zm-bad-godesberg.de

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