Buchrezension – Was hat die Mücke je für uns getan?

21. Mai 2021 | Nachhaltigkeit, Ausgabe 3/2021 Artenvielfalt, Rezension | 0 Kommentare

Was hat die Mücke je für uns getan?

Wir befinden uns mittendrin im sechsten großen Artensterben in der Geschichte unseres Planeten. Falls Sie das noch nicht bemerkt haben, es ist ein für menschliche Dimensionen ziemlich langsamer Prozess; erdgeschichtlich jedoch geht er mit nie da gewesener Geschwindigkeit vonstatten: Seit 1970 reduziert unser Tun die Zahl der Wirbeltiere um 60 Prozent. Es sterben Arten aus, die wir noch nicht einmal entdeckt hatten. Willkommen im Anthropozän!

Kathrin Schlüßler

Warum habe ich eigentlich zu diesem Buch gegriffen? Denn – zugegeben – so richtig neu ist mir dieser Sachverhalt nun nicht. Auch zähle ich nicht zu denjenigen, die den menschlichen Einfluss auf diese Entwicklungen infrage stellen.
Es war der Titel. Zunächst ist das eine Frage, die ich mir jeden Sommer – eigentlich ab den letzten Frühjahrs- bis zu den ersten Herbstfrösten – beinahe täglich stelle. Doch gleichzeitig ist es eine Reverenz zu einem meiner Lieblingsfilme, dem Monty Python-Klassiker „Das Leben des Brian“. Für die, die die Szene nicht mehr parat haben: Eine jüdische Widerstandsgruppe – die Volksfront von Judäa – macht mobil gegen die römische Besatzung: „Also gut. Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen, was – frage ich euch – haben die Römer je für uns getan?“
Da ich mir des satirisch ironischen Ansatzes des Films bewusst bin und davon ausgehe, dass die Autorinnen des Buches genau damit spielen, muss die Mücke wohl doch zu irgendetwas anderem nütze sein, als mich zu piesacken. Ich las mich also ein in Frauke Fischers und Hilke Oberhansbergs kurzweiliges Sammelsurium zur biologischen Vielfalt und wie sie unser Leben betrifft – und es rettet. Denn nicht nur unsere Nahrung, Rohstoffe, Sauerstoff und Wasser verdanken wir intakten Lebensräumen. Auch für Arzneimittel, bionische Vorbilder und Oasen der Erholung benötigen wir stabile und vielfältige Ökosysteme.

Denn sie wissen, was sie tun

Nachdem Sie nun wissen, wie das Buch mein Interesse gewann, stellt sich die Frage, warum ich als kritische Redakteurin und noch viel kritischere Naturwissenschaftlerin bereit war, mich auf die Ausführungen der beiden Autorinnen einzulassen. Kann ja jeder kommen und Behauptungen aufstellen.
Nun, um es einfach zu machen, sie sind vom Fach: Dr. Frauke Fischer hat in Frankfurt und in den USA Biologie studiert und an der Uni Würzburg promoviert. Mit ihrem Unternehmen berät sie Firmen in ihren Kernkompetenzen Biodiversität und gesellschaftliche Verantwortung. Dr. Hilke Oberhansberg studierte Betriebswirtschaft und Interdisziplinäre Umweltwissenschaften und arbeitet im Bereich Umweltbildung und -beratung.
Nach einem Blick in die Vita der Autorinnen galt mein Interesse dem Quellenverzeichnis des Buches. Dies als genereller Tipp oder Lifehack, wie man heute sagt, schauen Sie sich immer die Quellen an. Gut recherchierte und nachvollziehbare Belege sollten das Grundgerüst einer jeden Veröffentlichung sein. In diesem Fall gibt es nichts zu meckern.
Nun, wenn Sie das immer noch nicht überzeugt, hier ein weiteres Prädikat: Das Vorwort zu diesem Buch schrieb Dirk Steffens – Journalist und TV-Moderator für diverse Natur- und Wissenschaftsformate und seit 2016 offizieller UN-Dekade-Botschafter für biologische Vielfalt.

Leseempfehlung – ja oder nein?

Was hat die Mücke je für uns getan? ist ein weiteres Buch über den menschengemachten Verlust der Artenvielfalt auf unserem Planeten, eine weitere anschaulich und ausführlich dokumentierte Beweisführung, dass wir merklich und unwiderruflich in Ökosysteme eingreifen, die WIR brauchen. Warum also sollten Sie es lesen? Weil es clever, witzig, informativ und notwendig ist. Weil die Autorinnen wissen, wovon sie sprechen und weil sie nach den sehr realen und drastischen Bedrohungen durch unsere Eingriffe auch die Szenarien und Werkzeuge vorstellen, mit denen wir es wieder gutmachen können. Weil steter Tropfen den Stein höhlt und weil die gut recherchierten und mit Quellen belegten Fakten aus dem Buch sich glänzend in Ihrer Allgemeinbildung machen. Und – last but not least – weil eine kleine Mücke bestimmt, ob Sie in Zukunft noch Schokolade essen können.

 

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beitrag teilen

Verbreite diesen Beitrag!