Beispiel Tansania: Eine besondere Form der Überbeanspruchung!

19. August 2024 | Ausgabe 4 / 2024 Reisen, Dr. Andreas Spaeth, Ökologie | 0 Kommentare

‚Binge travellers‘ unter dem Kilimanjaro

Backpacker-Fernreisen Post-Corona mit Suchtcharakter?
Binge1 – Travelling wurde zu einem Begriff dafür, dass neue Zielgruppen Fernreisen zum suchtartigen Lifestyle ohne Rücksicht auf die Klimakatastrophe betreiben.


Dr. Andreas Spaeth


Zur touristischen Hochsaison im Januar und Februar 2024 für die Besteigung des Kilimanjaro und Safaris in die Nationalparks sowie für
Strandurlaub war ich in Nord- Tansania. Ich kenne die Region seit 1992, habe dort gelebt und gearbeitet und bin zugegebenermaßen auch gerne gereist , Auf dem Flug von Zürich und nach Arusha (Kilimanjaro-Airport) fand ich nun Backpacker-Touristen in bisher unbekanntem Ausmaß vor. Zugleich zeichnete sich ein erneutes Jahr mit viel zu viel Regen und Vernichtung der Felder ab. In den Saisonen Mitte 2020 bis 2022, waren während Corona keine Fernreisen möglich und bis heute bleiben Touristen aus Asien fern. Die zirka 50.000 Beschäftigten im
Tourismus-Sektor rund um Arusha hatten jahrelang kein Einkommen und wurden selbst auch von den internationalen Kettenhotels entlassen. Besonders traf es die Beschäftigten kleinerer Safarifirmen, die auf Backpacker angewiesen sind und oft als Tagelöhner ohne Arbeitsverträge tageweise als Fahrer oder Helfer und auf Kommission Kundschaft anwerben: Ich versuchte in Interviews mit Tourismus-Beschäftigten, Reisenden und bei Beobachtungen diesen neuen Boom zu erfassen:
Der klassischen Backpacker–Tourismus mit monatelangen Reisen mittels öffentlichen Verkehrsmitteln durch Afrika macht nur noch eine verschwindende Minderheit westeuropäischer Touristen aus. Typisch sind zwei Wochen Reisen mit Flug und Safari im Internet gebucht, insbesondere mit Zielgruppen osteuropäischer Jugendlicher, für die neue Flugverbindungen über Istanbul und den Golf eingerichtet wurden.
Verbunden ist das aber mit den alten Problemen im Tourismus vor dem Ausbruch der
Corona-Pandemie:
Sehr schlechte Arbeitsbedingungen im Tourismus mit unsicheren Monatseinkommen beispielsweise für Fahrer, Servicepersonal und Putzkräfte von 50 Euro.
Durch Vertreibungen für neue touristische Infrastruktur (siehe FIAN Kampagne zu Maasai am Ngorongoro) nehmen Auseinandersetzungen im Umland der Nationalparks zwischen Bauern, Nomaden und Naturschutz zu.
Die tansanische Regierung sieht den Tourismus als wirtschaftlichen Wachstums-Sektor. Die Bettenanzahl explodiert in den Nationalparks überwiegend für Luxustourismus, oft mit wenig seriösen internationalen Investoren und teilweise massiver Korruption.
Neu ist, dass durch Online-Buchungen noch mehr Wertschöpfung aus dem informellen Tourismussektor im Ausland landet. Zudem gibt es viel Greenwashing in den Reiseangeboten und wenig ökologische und soziale Rücksichtnahme in den tatsächlichen Safariprogrammen. Sogenannte „Flying camps“ – die Zelte werden dabei mitgebracht und in Absprache mit der Parkverwaltung und lokalen Gemeinden jeweils neu aufgeschlagen – führen zu massiven ökologischen Schäden durch Vegetationszerstörung an den Camp sites und illegaler Wegenutzung. Ein Problem, das in Kenia bereits vor 30 Jahren in vielen Nationalparks große Umweltschäden mit sich brachte.

Zwei Fragen erheben sich

Ist Grünes Fernreisen möglich?
Meine Einschätzung ist, dass unter wachsendem Bevölkerungsdruck ganz neue Formen des Zusammendenkens zwischen Nationalparktourismus, Umweltschutz, Beschäftigung der lokalen Bevölkerung und Landwirtschaft im Zusammenhang mit der Klimakrise gefunden werden müssen. Beispiele aus Südafrika, Kenia und auch einige aus Tansania machen Mut, wo die lokale Bevölkerung Beschäftigungsvorrang hat, Schäden in der Landwirtschaft kompensiert werden und genossenschaftliche Modelle für Schutzgebiete sowie touristische Infrastruktur gefunden wurden.
Was bedeutet weniger Reisen für die lokale Bevölkerung?
Während der Corona-Pandemie zeigte sich, dass die unsicheren Einkommen der Beschäftigten im Tourismus ganz gut in der Landwirtschaft aufgefangen wurden. Mehrere leitende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Safarifirmen sagten mir, dass sie in der Pandemie gelernt haben, dass Tourismus keine goldene Zukunft bedeutet und einfach zu wenig bei der lokalen Bevölkerung zurückbleibt. Zahlen, die zum Beispiel das Forum Anders Reisen https://forumandersreisen.de/ erhoben haben, errechneten für Kenia vor 30 Jahren nur etwa 25 Prozent lokale Wertschöpfung. Diese sind unter den veränderten Bedingungen mit mehr lokalen Investitionen in Hotels, einer digitalisierten Steuerverwaltung und mehr lokalen Einkäufen für Baumaterialien, Transport und Verpflegung neu zu bestimmen.
Ostafrika bleibt ein faszinierendes Reiseziel, aber Klimakrise und globale Ungerechtigkeit sind unveränderliche Tatsachen. Safari Njema – Gute Reise wünscht der Autor.
1:Binge-(im Übermaß im Engl. oft Saufgelage gemeint)

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