Die 26. Weltklimakonferenz in Glasgow

Dass die Weltklimakonferenz in diesem Jahr zum sechsundzwanzigsten Mal stattfindet, lässt sich auf zweierlei Arten lesen: die Treffen stehen für Kontinuität und langen Atem, aber auch für Fortschritte nur im Schneckentempo. Und das, obwohl die prognostizierten Klimagasemissionen nach kurzem Corona-bedingtem Einbruch in 2021 weiter ansteigen. Leiten die Verhandlungsergebnisse in Glasgow die erhoffte Zeitenwende ein?

Susanna Allmis-Hiergeist

Bei der Pariser Klimakonferenz in 2015 vereinbarten die teilnehmenden Staaten, die Erderwärmung durch gemeinsame Anstrengungen auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Hierzu wurde ein umfangreiches Regelwerk auf die Schiene gesetzt, das die geplanten länderspezifischen Ziele und die dafür erforderlichen Maßnahmen transparent und vergleichbar machen sollte. Fünf Jahre später, also vor der jüngsten Konferenz COP 26 (Conference of the Parties), lag dieses Dokument immer noch nicht als Konsenspapier vor.
Aktuell verzeichnen wir bereits eine Erwärmung der Erde von 1,1 Grad. Fünf Jahre nach dem Treffen in Paris soll erstmalig ein ausgesprochen sperriger Begriff mit Leben erfüllt werden: der sogenannte „Ambitionssteigerungsmechanismus“.
Die Europäische Union hatte sich im Dezember 2020 zu einer Treibhausgasreduzierung von 55 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 verpflichtet. Deutschland hat sein Klimaziel für 2030 nach den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts von 55 auf 65 Prozent Minderung per Gesetz festgelegt und sich der EU-weit beschlossenen Klimaneutralität bis 2045 angeschlossen.
Insgesamt haben im Vorfeld von Glasgow 143 der rund 200 teilnehmenden Staaten überarbeitete Ziele eingereicht. Die enttäuschende Bilanz: eine errechnete Erderwärmung von 2,7 Grad. Wenn man sich die Dürre-, Brand- und Flutkatastrophen der 1,1-Grad-Welt vor Augen führt, wird klar, dass es dazu nicht kommen darf, schnelles Umsteuern das Gebot der Stunde ist.


Wende in Glasgow?


Die COP 26 hat rund 40.000 Regierungsvertreter*innen, NGO’s sowie Lobbyisteninnen von Industrie und Finanzinstituten in Schottland versammelt. Immerhin wurde diesmal in der Abschlusserklärung der teilnehmenden Staaten, dem „Glasgow Climate Pact“, das schärfere 1,5-Grad-Limit verankert. Dazu sollen unter anderem die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 45 Prozent gegenüber 2010 gesenkt werden. Bei einem in etwa linearen Anstieg ist das deutsche 65-Prozent-Ziel für 2030 bezogen auf die Emissionen in 1990 schärfer. Sich entwickelnde Staaten trifft die COP-Forderung tendenziell härter.
Mit dem Herunterfahren des Verbrennens fossiler Ressourcen wird erstmals ein konkreter Hebel genannt. Auch wenn viel gestritten wurde und im letzten Moment nicht mehr von „phase out“, sondern nur von „phase down“ die Rede war. Tatsächlich stellt sich die Schrittgeschwindigkeit für Entwicklungs- und Schwellenländern anders dar als für die großen etablierten Industrieländer, die sich zum Kohleausstieg in 2030 bekennen sollten. Leider wurden sie nicht speziell in die Pflicht genommen und Sanktionen sind ohnehin nicht vorgesehen.
Enttäuschend verliefen für viele heute schon vom Klimawandel betroffene Länder die Verhandlungen mit den Industrieländern zu deren Versprechen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung bereit zu stellen. Nicht nur, dass diese Summe bisher nicht erreicht wurde; auch die Aufteilung mit nur 25 Prozent für Anpassungsmaßnahmen wird als Unwucht wahrgenommen. Klar, die westliche Industrie profitiert von einem Solargroßkraftwerk in der marokkanischen Wüste stärker als von Deichen auf Barbados. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft für industriell verursachte Schäden wirkt für die ärmeren Länder doppelt frustrierend vor dem Hintergrund der immensen Mittel, die in die Corona-bedingte Stabilisierung der Wirtschaft geflossen sind. Auch hier wurde vorwiegend die Industrie in den hoch entwickelten Ländern aufgefangen.
Ein Erfolg ist die vergleichsweise geräuschlose Fertigstellung des Regelwerks zur technischen Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Hier ging es beispielsweise darum, beim grenzüberschreitenden Handel mit Emissionszertifikaten zu vermeiden, dass sich beide Länder die Minderung in ihrer Klimabilanz gut schreiben.


Weitere Initiativen am Rande


Da das Ergebnisdokument der jeweiligen COP nur einstimmig beschlossen werden kann, gab es noch verschiedene Initiativen am Rande. Über 100 Staaten mit 90 Prozent der weltweiten Waldflächen (inklusive Brasilien) vereinbarten bis 2030 die Reduzierung der Waldbestände und den Einschlag zu beenden. Diesen Beschluss gab es allerdings schon in 2014, ohne dass illegale Rodungen auch nur ansatzweise gestoppt wurden.
Einer Erklärung von mehr als 30 Staaten und Autoherstellern zur Abkehr vom Verbrennungsmotor bis 2040 wollte sich die geschäftsführende Bundesregierung nicht anschließen. Grund: Verbrenner mit Treibstoffen, die mittels regenerativer Quellen hergestellt werden (e-fuels), finden sich als Ausnahme nicht wieder.
Bemerkenswert ist das Bestreben von 105 Ländern, den Methanausstoß bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. Vieles deutet daraufhin, dass Me-than die jüngsten Anreicherungen von Klimagasen in der Atmosphäre zu einem hohen Prozentsatz (Größenordnung 50 Prozent) verantwortet. Neben den Ausscheidungen in der Viehwirtschaft werden auch stillgelegte, aber schlecht abgedichtete Frackinggas-Bohrungen in den USA dafür verantwortlich gemacht.
Klimawissenschaftler rechnen hoch, dass diese zusätzlichen Commitments die Erwärmung auf 2,4 Grad begrenzen könnten. Immerhin sollen die bisher unzureichenden Ziele bis zur Konferenz in Ägypten 2022 überprüft werden.


Wo steht Deutschland?


Im Klimaschutzindex 2021 von Germanwatch belegt Deutschland Platz 13 von 60 Ländern mit 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.
Der Geowissenschaftler Niko Froitzheim von der Universität Bonn rechnet vor, dass Deutschland mit einem Anteil von 1,1 Prozent der Weltbevölkerung ab 2020 anteilig ein Restbudget an Treibhausgasen von 4,4 Gigatonnen zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zukommt. Dabei sind ethische Anforderungen, auf einen Teil dieser Menge als Klimasünder der Vergangenheit zugunsten der Entwicklungsländer zu verzichten, nicht berücksichtigt. Würde sich Deutschland weiter einen Jahresausstoß von zirka 700 Megatonnen leisten, wäre das Budget 2026 aufgebraucht, bei linearer Reduzierung in 2032. Umgekehrt leitet er ab, dass Klimaneutralität in 2045 bestenfalls einen anteiligen Beitrag zu einem 1,75-Grad-Limit beisteuern würde. Viel zu tun für die künftige Regierungskoalition.

 

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