Die neue Bonner Baumschutzsatzung

22. Januar 2024 | Ausgabe 1 / 2024 Bäume, Gesellschaft, Nachhaltigkeit, Ökologie | 0 Kommentare

Kein Meilenstein auf dem Weg zur Klimaresilienz

Der Entwurf bringt minimale Verbesserungen gegenüber der veralteten Baumschutzsatzung aus dem Jahre 2000, wird aber dem Ziel, den Bonner Baumbestand nachhaltig zu stärken, nicht gerecht und macht Bonn daher nicht klimaresilienter.


Gisela von Mutius
Aktionsbündnis „StadtGRÜN erhalten!“


Die Beschlussvorlage der Verwaltung für die politischen Gremien, d. h. die Bezirksverordnetenversammlungen, den Umweltausschuss und den Rat der Stadt begründet die neue Baumschutzsatzung (BSchS) im schönstem Bürokratendeutsch wie folgt: „Die Neufassung der Bonner BSchS hat neben der Stärkung des Bonner Baumbestandes, die Aktualisierung und Anpassung an geänderte Rechtsgrundlagen, die Verbesserung der Nachvollziehbarkeit, die ausführlichere Darlegung des Schutzzwecks sowie die Konkretisierung der Schädigungstatbestände und Ersatzpflanzungserfordernisse zum Ziel“. Schauen wir uns die neuen Regelungen etwas genauer an.

Schutzumfang leicht verbessert

Positiv zu bewerten ist, dass nun alle öffentlichen und privaten Bäume, also auch nicht gewerblich genutzte Obst -und Nadelbäume mit einem Stammumfang von mindestens 100 cm (in 1 m Höhe über dem Erdboden gemessen) unter Schutz gestellt wurden. Die Aktion BAUMWÄCHTER, Mitglied im Aktionsbündnis „StadtGRÜN erhalten!“, (www.stadtgruen-erhalten.de) hatte dafür plädiert, alle Laubbäume und Eiben ab 80 cm und Nadelbäume ab 100 cm Stammumfang und Streuobstwiesen ab 2500 qm unter Schutz zu stellen. Die Erweiterung der Schutzzwecke nach dem Muster des Naturschutzgesetzes stellt gegenüber der alten BSchS ebenfalls eine leichte Verbesserung dar. Sie liefert mehr Argumente für Abwägungsprozesse. Ob dies bei der praktischen Umsetzung der neuen BSchS zu größerer Achtsamkeit und mehr Rücksichtnahme auf den Altbaumbestand führen wird, muss sich allerdings erst noch erweisen.

Fällungen: Genehmigungsverfahren problematisch

Nur ein Beispiel von vielen: die ca. 150 jährige Blutbuche vor dem
Collegium Albertinum – gefällt ohne Ersatz.
© Foto: BAUMWÄCHTER | Andreas Theves

Das Fällen oder Entfernen von satzungsgeschützten Bäumen war auch bisher schon an eine Genehmigung durch die Stadt Bonn in ihrer Rolle als Untere Naturschutzbehörde gebunden. Hier bringt die neue BSchS kaum Änderungen. Anträge zur Fällung müssen weiterhin nicht auf der Basis eines Baumgutachtens oder der Stellungnahme eines von öffentlich bestellten und zertifizierten Baumgutachter*innen entschieden werden. Für Baumaßnahmen gelten spezielle Regelungen. Hier fehlt ein Passus, der Bauherren und -damen zu einem besonders sorgfältigen Umgang mit dem Baumbestand anhält: z. B.: „Unter Berücksichtigung des vorhandenen Baumbestandes ist die Bauplanung so zu gestalten, dass das Entfernen von geschützten Bäumen auf ein Minimum beschränkt bleibt.“ Kritisch sehen wir auch, dass der Antrag auf Fällgenehmigung zusammen mit dem Bauantrag oder der Bauvoranfrage gestellt werden muss. Wie an vielen Stellen im Stadtgebiet zu beobachten ist, führt das dazu, dass oft Monate oder gar Jahre vor dem Beginn der Baumaßnahme gefällt wird. Im Extremfall werden Bäume gefällt, ohne dass dann überhaupt gebaut wird.

Ersatzpflanzungen: nur zweite Wahl

Zurzeit erleben wir in Bonn einen schleichenden, dramatischen Baumschwund. Immer öfter stürzen alte Bäume um oder müssen gefällt werden, weil sie in den heißen und dürren Sommern seit 2018 Schaden genommen haben und dadurch erkrankt oder bereits im Absterben begriffen sind. Aber weit mehr – und dazu meist gesunde – Bestandsbäume fallen dem Büro- und Wohnungsneubau zum Opfer. Vor diesem Hintergrund ist es einerseits zu begrüßen, dass die Anforderungen an die Ersatzpflanzungen konkretisiert und leicht erhöht wurden. Als Ersatz sind ausschließlich Laubbäume zu pflanzen, und bei Bäumen mit mehr als 200 cm Stammumfang müssen 2 standortgerechte Ersatzbäume gepflanzt werden. Eine bessere Lösung wäre es, die Zahl der Ersatzpflanzungen vom Stammumfang des gefällten oder entfernten Baumes abhängig zu machen. Für jeden angefangenen Meter Stammbaum wäre dann ein gleichwertiger Ersatzbaum zu pflanzen, wie es die Kölner BSchS vorsieht. Hier lohnt ein Blick auf Seite 3. Positiv ist auch, dass Ersatzpflanzungen erst dann als gelungen gelten, wenn die Bäume nach Ablauf von drei Jahren angewachsen sind. Ist dies nicht der Fall, ist die Ersatzpflanzung zu wiederholen.
Andererseits ist unverständlich, weshalb es in der neuen BSchS keine Nachpflanzverpflichtung für die wachsende Zahl der oben genannten „Gefahrenbäume“ gibt, die Personen- oder Sachschäden verursachen können. Es ist zu befürchten, dass die bisherige Praxis bestehen bleibt, für diese Bäume nur eine Nachpflanzempfehlung auszusprechen.

So wichtig Ersatzpflanzungen auch sind, sie können immer erst nach Jahrzehnten die ökologische Leistung eines gesunden großen Bestandsbaumes erbringen. Deshalb sind Ersatzpflanzungen immer die zweite Wahl. Erste Wahl ist der Erhalt des bestehenden Baumbestandes  z. B. durch frühzeitige und intensivere Pflegemaßnahmen. Dafür zeigt die neue BSchS leider keine Wege auf. Um angesichts der drohenden Überhitzung der Stadt einen mikroklimatisch günstigen Ausgleich zu erreichen, müssen aus der Sicht des Aktionsbündnisses die Ersatzpflanzungen unbedingt „standortnah“, d. h. in der Nähe des ursprünglichen Fällortes erfolgen, höchstens aber in einer Entfernung von 1500 Metern und nicht auf Forstflächen. Die neue BSchS enthält dazu nur Sollbestimmungen und erlaubt auch Ersatzpflanzungen auf örtlich nicht näher bestimmten „anderen“ Grundstücken. Besonders problematisch ist, dass die BSchS nichts dazu sagt, ob im Stadtgebiet Flächen für Ersatzpflanzungen ausgewiesen werden. Ohne diese Flächen gibt es in vielen Fällen keine Ersatzpflanzungen!  Es macht Sinn, dass sich die Ausgleichszahlungen, die fällig werden, wenn Ersatzpflanzungen (aus welchen Gründen auch immer) nicht möglich sind, nach dem Wert der als Ersatz zu pflanzenden Bäume bemessen. Wieso die Kosten für die Pflanzarbeit selbst aber nur 30 Prozent des Nettoerwerbspreises betragen sollen, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Unverständlich ist auch, weshalb Ersatzbäume nun mit 18 cm statt 20 cm einen geringeren Stammumfang als bisher aufweisen müssen.

Verbotskatalog auf der Höhe der Zeit?

Was bringen Anordnungen der Stadtverwaltung und ein längerer Katalog verbotener Handlungen gegenüber Bäumen, wenn deren Einhaltung durch die Eigentümer*innen, Nutzungsberechtige oder Bauträger gar nicht wirksam kontrolliert werden kann? Viel wichtiger erscheint es uns, dass dieser Katalog der Höhe der Zeit bzw. den zukünftigen Anforderungen gewachsen ist. In den kommenden Jahren ist zum Beispiel mit zahlreichen energetischen Sanierungen im Gebäudebestand und einem verstärkten Ausbau von Glasfaser- und Fernwärmenetzen zu rechnen, bei denen Bäume Schaden nehmen können. Verschattungen durch Bäume werden in vielen Fällen auch der Installation von Solaranlagen in die Quere kommen. Für solche Zielkonflikte trifft die neue BSchS keine Aussagen und damit auch keine Vorsorge.

Schutz des Baumbestandes
nicht effektiv!

Leider kann das geltende Prinzip: Baurecht bricht Baumrecht durch eine Satzung auf kommunaler Ebene nicht ausgehebelt oder geändert werden. Angesichts der Tatsache, dass wir die meisten Fällungen gesunder Bestandsbäume bei Neubauprojekten beobachten, erwarten wir jedoch, dass die neue BSchS den Bauherren und -damen mehr Rücksichtnahme auf den Baumbestand oder mehr Pflichten bei der Neuanlage von Grünflächen und Bäumen auferlegt. Die neue BSchS erlaubt stattdessen wie bisher jedem Bauherrn / jeder Bauherrin das Fällen von Bäumen, wenn „eine nach den baurechtlichen Vorschriften zulässige Nutzung sonst nicht oder nur unter wesentlichen Beschränkungen verwirklicht werden kann“. Mit dieser windelweichen Formulierung können Bauträger*innen gut leben. Eine entsprechende Begründung dürfte ihnen nicht schwerfallen. Ein effektiverer Schutz für Bestandsbäume kann so aber nicht erreicht werden.

Evaluierung durch Baumbilanzbericht

Das größte Problem der neuen BSchS ist jedoch ein altbekanntes: Wer kontrolliert die Einhaltung und Effektivität des Regelwerks? Wer prüft wann und wie oft, ob die Ziele der neuen BSchS: „Die Stärkung des Baumbestands mit seinen vielfältigen ökologischen Funktionen im Stadtgebiet“ und „…eine Stärkung des Bewusstseins für die Bedeutung von Bäumen im städtischen Bereich und eine stärkere Gewichtung in Abwägungsprozessen zum Erhalt geschützter Bäume sowie für Ersatzpflanzungen“ tatsächlich erreicht werden? Wer evaluiert die neue Satzung? Schaffen mehr Verbote mehr Bewusstsein für die Bedeutung von Bäumen? Wie erreichen wir Transparenz beim Baumbestand? Hilfreich wäre eine regelmäßige Baumbilanz. Im Zeitalter der Digitalisierung sollte es dem Amt für Umwelt und Stadtgrün leichtfallen, der Öffentlichkeit und den politischen Gremien einen jährlichen Bericht über den Umfang und Zustand des gesamten Bonner Baumbestandes, die Zahl der gefällten Bäume, die Zahl und den Ort der Ersatzpflanzungen und die Höhe der Ausgleichszahlungen vorzulegen.

Viel Wortgeklingel,
wenig neue Substanz

Ob die neue BSchS einige der eingangs erklärten Ziele erreicht, mögen Fachverwaltungen oder Kommunalpolitiker*innen beurteilen. Aus unserer Sicht wird das Ziel der Stärkung des Baumbestandes verfehlt. Die Änderungen sind nicht geeignet, die Stadt Bonn auf dem Weg zur Klimaresilienz voranzubringen.

Die Beschlussvorlage „Neufassung der Bonner Baumschutzsatzung (BSchS)“ finden Sie im Bonner Ratsinformationssystem ALLRIS/Dokument 231582 unter https://www.bonn.sitzung-online.de/

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