Unser Alltag – made in China

27. März 2023 | Ausgabe 2 / 2023, Dr. Manfred Fuhrich, Kommentar | 0 Kommentare

Zwischenruf

Dr. Manfred Fuhrich


Schon mal versucht, einen Toaster zu kaufen, der nicht in China produziert worden ist? Geht nicht. Selbst bei Lebensmitteln erlebt man Überraschungen. Dosentomaten kommen überwiegend aus China – auch die mit wohlklingenden italienischen Bezeichnungen. Ob Handy, Werkzeug oder Kleidung – viele Warengruppen werden durch billige Noname-Chinaprodukte dominiert. Aber das stimmt nur zum Teil. Auch große westliche Marken lassen in China produzieren. Das ist nicht immer im Angebot oder an der Ware zu erkennen.

Nicht auf allem, was aus China kommt, steht auch China drauf. Für uns Konsument*innen ist es kaum nachvollziehbar, wo was herkommt. Irrsinnig ist bei Lebensmitteln die Bezeichnung „Aus EU und Nicht-EUStaaten“; das ist die ganze Welt und eben auch China. Während für „frische“ Lebensmittel wie Tomaten eine Kennzeichnungspflicht für das Herkunftsland besteht, gilt dies nicht für weiterverarbeitete Lebensmittel oder Konserven. Noch fataler ist das Problem, dass in China Plagiate namhafter Labels produziert werden und bei uns als hochwertige Edelprodukte zu günstigen Preisen vermarktet werden.

Nicht alles, was in China produziert wird, wird direkt aus China angeboten. Seit der Verschärfung der Zollregelungen gibt es keinen Freibetrag für Zolleinfuhr aus dem Nicht-EU-Ausland mehr. So sind verstärkt Lager von chinesischen Firmen in Deutschland entstanden. Es gibt auch eine Vielzahl von Importunternehmen und Handelsketten, die chinesische Waren unter deutschem Firmennamen vertreiben. Ein Teil der Möbelproduktion von IKEA erfolgt in China. Zahlreiche eingeführte internationale Marken lassen in China produzieren und verkaufen die Waren von europäischen Standorten.

Nicht alles, was von chinesischen Firmen produziert wird, kommt aus China. In einzelnen Regionen in Europa haben sich chinesische Firmen etabliert und alteingesessene Unternehmen erobert. So ist die für Textilproduktion bekannte italienische Stadt Prato schon längst in chinesischer Hand. Hier leben geschätzt 30.000 Chinesen. In 6.000 örtlichen chinesischen Firmen wird Chinaware „Made in Italy“ produziert.

„Made in EU“ bedeutet nicht rein europäisch, auch hier stecken chinesische Komponenten drin. Globalisierung bedeutet internationale Arbeitsteilung. Die jüngsten Probleme mit der sogenannte „Lieferkette“ machen deutlich, wie verzahnt die Produktion vieler Waren ist. Zahlreiche unverzichtbare Komponenten kommen aus China.

So mancher hegt das Vorurteil, Chinaware ist Billigware. Das stimmt bei vielen Produkten, besonders bei Textilien und Spielzeug. Aber auch internationale Firmen mit großem Namen lassen in China für unseren Markt produzieren. Besonderes Beispiel ist die hochpreisige Produktpalette von Apple. China wird auf dem Elektronikmarkt immer präsenter; zunehmend auch mit hochwertigen Eigenprodukten. Egal ob billig oder hochpreisig, allein die weiten Transportwege werden teuer für die Umwelt.

Namhafte deutsche oder europäische Unternehmen haben chinesische Eigentümer. Es werden immer mehr deutsche Traditionsunternehmen von Chinesen übernommen. Die deutsche Modemarke Tom Tailor wurde chinesisch. Das aktuelle Beispiel für große Deals ist die Hamburger Hafen- und Lagergesellschaft. Es wurden 18 Müllverbrennungsanlagen, die früher E.On gehörten, von einem chinesischen Investor gekauft.

Kraus-Maffei, MEDION, Motorola, Sharp, Steigenberger Hotelgruppe, … die Liste wird immer länger.
Die Präsenz oder sogar Dominanz chinesischer (Mit)-Eigentümer an deutschen Firmen birgt zweierlei Risiken. Zum einen erhalten so chinesische Investoren Zugang zu internen Informationen über die Unternehmen, zu Produktionsbedingungen und Patenten. Zum anderen können sie Einfluss nehmen auf die Geschäftspolitik bis hin zu der Frage von Entlassungen und Betriebsschließungen oder Verlagerungen.

China – unsere nützliche Werkbank! Wir nutzen China als Werkbank, ignorieren die dortigen niedrigen Umwelt- und Sozialstandards und bleiben dann auf dem Wohlstandsmüll sitzen. Besonders hervorzuheben sind Elektronikschrott und Fastfashionartikel. Auch in China erwächst ein Umweltbewusstsein. So nimmt China nicht mehr unseren Müll ab. Das ist unser Problem, das andere Problem bleibt in China: die schlechten Produktionsbedingungen und die produktionsbedingten Umweltbelastungen.

China – Rettung unseres Lebens(standards)? Marco Polo führte durch seine Fernasienreisen Spaghetti und Toilettenpapier aus China ein. Was wäre wir ohne das. Wir „verdanken“ dem chinesischen Reich auch heute noch viel Wohlstand. Deutschland kauft jährlich Waren im Wert von 65 Milliarden Euro aus China. Die Chinesen sind zum wichtigsten Lieferanten für Deutschland geworden. Chinesische Medikamente retten unsere Gesundheit. Über 60 Prozent der FFP2-Masken in Deutschland sind aus chinesischer Produktion, paradox: auch die Coronapandemie. China ist also Quelle des Problems und bietet sich zugleich als Problemlösung an.

All diese Erkenntnisse verdeutlichen unsere umfassende Abhängigkeit von China. Wegen der engen Verknüpfung von Staat und Wirtschaft und der totalitären Staatsform in China erweist sich die wirtschaftliche Abhängigkeit zugleich als eine politische Falle. In der Politik werden die Stimmen lauter, die von einem „vernichtenden Vergeltungspotenzial“ reden. Nach der Erfahrung, wie stark Deutschland im Energiesektor von Russland abhängig ist, wächst allmählich die Sorge, dass wir von China in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen erpressbar sind. China dominiert mit 75% den Weltmarkt von Solarmodulen.

Der Einfluss des „Drachens“ aus Fernost wird nur schwer zu bändigen sein. Die „Neue Seidenstraße“ wird diesen Prozess beschleunigen und verstärken. Wir werden Kraft brauchen, uns von dieser Abhängigkeit zu befreien. Nicht zuletzt sind wir Konsument*innen gefordert. Augen auf beim nächsten Kauf. Möge die Übung gelingen.

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