Tradition und Aufbruch

1. Mai 2019 | Gesellschaft, Susanna Allmis-Hiergeist | 0 Kommentare

Bewegte Frauen in der Landwirtschaft

Welches Bild haben wir eigentlich von Bäuerinnen? Sicher nicht das von technikaffinen Frauen mit Beobachtungdrohnen in der Hand zur Kontrolle ihrer vielfältig bepflanzten Felder. Für unsere Breitengrade ist das Klischee vielleicht eher das der Mama des Bergdoktors aus der gleichnamigen Fernsehserie, die ihren Hof am Wilden Kaiser mit Hilfe der biologisch erzeugten sogenannten Grubermilch aus den Fängen geldgieriger Investoren retten will. Für den globalen Süden schweben uns vermutlich archaischere Bilder vor, von sanfter Bodenbearbeitung mit mühsamem Ertrag und viel Handarbeit. Alles das ist nicht falsch und doch dank engagierter Akteurinnen zunehmend in Bewegung.

Susanna Allmis-Hiergeist

Wenn Frauen einen gleichberechtigten Zugang zur landwirtschaftlichen Produktion hätten, könnten sie weltweit ihren Ertrag um 20 – 30% steigern; damit ließe sich die Zahl der unterernährten Menschen um 12 – 17% verringern – so rechnet Ibrahim Thiaw, Secretary General der UN Convention to Combat Desertification (UNCCD) anlässlich des diesjährigen Weltfrauentages in nüchternen Zahlen vor. Was aber ist mit dem gleichberechtigten Zugang konkret gemeint, da doch Feldarbeit und Nahrungsmittelverarbeitung insbesondere im globalen Süden ohnehin hauptsächlich in Frauenhand liegen?

Es geht Thiaw aktuell in seinem Statement um den Einsatz „smarter“ Technologien und innovativer Anbaumethoden, mit denen sich sowohl die Arbeitsbedingungen wie auch die Einkommenssituation von Bäuerinnen deutlich verbessern ließen. Der Haken: Um zu investieren, Kredite zu bekommen und den Innovationsprozess mit gestalten zu können, brauchen Frauen solide Rechte an dem Land, das sie bewirtschaften. Obwohl Hauptakteurinnen in der Landwirtschaft, besitzen Frauen weltweit nur 1 % der Ackerflächen.

Was heißt gleichberechtigter Landzugang?

Die Diskrepanz zwischen geleisteter landwirtschaftlicher Arbeit und den damit verbundenen Rechten motiviert das Food First Informations- und Aktions-Netzwerk (FIAN), sich für eine Stärkung der Frauen in bäuerlichen Berufen einzusetzen. Dabei thematisiert FIAN auf der einen Seite nationale Gesetzgebungen und lokale Traditionen, die es verhindern, dass Frauen Land besitzen oder erben können.

Die Organisation versucht jedoch auch, die positiven Seiten der tradierten Rechtsformen abzuwägen: oft bieten auch hergebrachte Systeme den Frauen anerkannte langfristige Nutzungsrechte (vergleichbar unseren Pachten), die ihnen Gestaltungsfreiheit und Zugang zu Ressourcen wie Kleinkredite oder Saatgut ermöglichen. Wenn neuere Landreformen einseitig das Land den männlichen Familienoberhäuptern zuteilen oder im Zuge der Privatisierung und Kommerzialisierung der Böden die Tür für das Land Grabbing (die zumeist illegale Aneignung von Land) durch Investoren geöffnet wird, kann das für Frauen einen erheblichen Rückschritt bedeuten. Hier regelnd einzugreifen, gebieten nicht nur die Menschenrechte.

Die Hilfsorganisation Care, die mit einem Drittel ihrer Projekte die Geschlechtergerechtigkeit fördert, baut auf Frauen als Akteurinnen in den lokalen Netzwerken. Die Zielrichtung ist klar: Frauen, die die Armutsschwelle hinter sich lassen, wirken in der Regel als Multiplikatoren dieser Entwicklung für ihre Familien und die gesamte dörfliche bzw. regionale Gemeinschaft.
Wie Care fördert auch die Welthungerhilfe (WHH) Projekte, die Frauen ein festeres Standbein in ihrem gesellschaftlichen Umfeld verschaffen. Dabei geht es wesentlich darum, traditionelle Rollenverteilungen sowie wirtschaftliche Abhängigkeiten aufzulösen und Frauen durch eine Anschubfinanzierung/-Entlohnung in eine anerkannte und handlungsfähige Stellung zu bringen.

Frauen lösen Probleme

Ein Beispiel dafür ist das WHH-Projekt „Goat for Work“, in dem nomadische Hirtenfamilien in Uganda für das Bestellen von Feldern mit Ziegen entlohnt werden. Entgegen der üblichen Praxis, bei der das Vieh den Männern gehört, wird in diesem Projekt den Frauen das Eigentum an den Ziegen übertragen: die eiweißreiche Milch wandert somit zeitnah in den Speiseplan der Familie, die Nachzucht der Tiere wird auf dem Markt verkauft und der Überschuss sichert das Schulgeld der Kinder, insbesondere das der, bei knappen Mitteln, benachteiligten Mädchen.

Ein weiterer traditionell von Frauen gepflegter Wissenskomplex ist das Saatgut-Management. Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels und dem damit verbundenen Ausbleiben einer verlässlichen Folge von Regen- und Trockenzeiten, kommt diesem Themenkomplex in ohnehin schon armutsbedrohten Regionen eine noch entscheidendere Rolle zu. Eine adäquate Auswahl, Aufbereitung, Lagerung und der Tausch von Saatgut sichern die Pflanzenvielfalt und auch, nicht unwichtig, die Befriedigung der kulinarischen Vorlieben. Ein solches lokal ausgerichtetes Saatgutsystem ist jedoch in vielen Ländern laut FIAN akut gefährdet. Große Saatgutkonzerne mit genmanipulierten und angeblich an den Klimawandel angepassten Sorten üben Druck auf Regierungen aus und pressen ihre patentierten und nicht vermehrbaren Produkte zu Ungunsten der Bäuerinnen in die jeweiligen Märkte.

Wird im betreffenden Land auch noch der Handel mit nicht registriertem Saatgut gesetzlich verboten, verlieren die Frauen jede Dispositionsmöglichkeit. FIAN berichtet jedoch auch Ermutigendes: in Burkina Faso ist es Kleinbäuerinnen nach einem regelrechten Ernte-Flopp mit genmanipulierter Baumwolle gelungen, durch zurückgehaltenes eigenes Saatgut ihre Autonomie wieder herzustellen.

Klimaheldinnen

An der wetteroptimierten Aussaat in ihrer Heimat Vietnam arbeitet Quang Thi Kien, eine der zwölf Klimaheldinnen, die für die gleichnamige Wander-Ausstellung der Hilfsorganisation Care in Kooperation mit der Fotoagentur laif ausgewählt wurde. Auch in der Galerie vertreten ist Antje Grothus, eine Aktivistin aus dem rheinischen Braunkohlerevier. In Vietnam hat Kien aus eigener Erfahrung die Folgen extremer Wettersituationen erlebt und sich in einem Care-Projekt zur quasi „Meteo-Managerin“ qualifiziert: sie filtert bzw. bündelt die Wettervorhersagen der etablierten Meteorologen für ihre Region und organisiert auf Basis dieser Informationen runde Tische, um mit den bäuerlichen Betrieben und den involvierten Behörden das praktische Vorgehen abzustimmen. Warnungen vor Unwetter oder Hitzewellen gelangen so auf direktem Weg zu den Betroffenen; eine optimierte Auswahl des Saatgutes und des Aussaatzeitpunktes können drohende Missernten abpuffern.

Worauf es ankommt

Die jüngst erlebten verheerenden Zerstörungen des Wirbelsturms „Itai“ mit enormen Überschwemmungen und der Vernichtung sowohl der Wohninfrastruktur wie der Ernten in Südostafrika wurzeln in Klimaveränderungen, die Kiens Projektideen für sich allein nicht lösen können. Hier ist akut Solidarität und Nothilfe gefragt, in Form von Trinkwasserversorgung, Zelten und medizinischer Unterstützung. La Via Campesina, ein weltweites Netzwerk der Kleinbäuer*innenbewegung, hat im Herbst 2016, angelehnt an indigene Stimmen aus Bolivien, ein Bäuerinnenmanifest formuliert. Darin heißt es unter anderem: „Wir wollen ein Wirtschaftssystem, in dessen Zentrum das gute Leben für alle steht.“ Dem ist wenig hinzuzufügen.

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