Zu viel PKW-Verkehr wäre vorprogrammiert
Susanne Gura
Die neu Zugezogenen hätten wenig von ihrem neuen Wohnort, denn laut Verkehrsgutachten würden die Pendelziele Bonn und Siegburg zu den Stoßzeiten nicht erreichbar sein. Das wäre zudem schlecht für alle, die die Ortsdurchfahrten nutzen oder – noch schlimmer – dort wohnen.
Königswinter will die Riesen-Siedlungen im Naturpark bis 2041 schlüsselfertig haben. Verkehrsexperten raten ab. Es droht ein Anstieg der PKW-Fahrten um 35 bis 80 Prozent bei den Ortsdurchfahrten. Fünfzehn Maßnahmen, die laut einem Verkehrsgutachten zur Vermeidung des Anstiegs notwendig würden, sind allerdings sehr wenig realistisch (siehe Tabelle).
Die Auswirkungen auf Klima und Naherholung, Natur und Böden wurden in früheren Ausgaben der BUZ hervorgehoben. Ennert und Pleiser Ländchen sind für die alltägliche Naherholung, zu Fuß oder per Fahrrad, für Bonn unverzichtbar.
ISEK-Verkehrsgutachten
Im Rahmen der Integrierten Stadtentwicklung Königswinter (ISEK) ließ die Stadtverwaltung ein Verkehrsgutachten erstellen. Es warnt vor massiven Verkehrsproblemen, es sei denn, fünfzehn Maßnahmen (siehe Tabelle) würden umgesetzt. Dieselbe Größenordnung der Siedlungen wie ISEK (25-27 Hektar) hat der Stadtrat für den Regionalplan empfohlen.
Massive Verkehrsprobleme
Betroffen durch verstärkten Pendelverkehr wären vor allem Holtorf, Pützchen, Hoholz, Roleber, Gielgen und Holzlar, aber auch die Ortsdurchfahrten in Stieldorf und Vinxel, mit Steigerungen zwischen 35 und 80 Prozent, bzw. zwischen 2.500 und 4.500 zusätzlichen Fahrzeugen pro Tag. Und das auf Straßen, die in den historischen Ortskernen teilweise nur einspurig passiert werden können.
Auch auf Pützchens Chaussee, Königswinterer Straße und Landgrabenweg könnte der Verkehr die Leistungsgrenzen übersteigen, so das Gutachten. Weitere bereits überlastete Knotenpunkte auf Bonner Stadtgebiet würden noch mehr belastet. Die Warnung, dass Pendlerziele nicht mehr erreichbar sein würden, gilt umso mehr, als der PKW-Verkehr offenbar das Niveau vor der Pandemie wieder erreicht hat.
Südtangente oder Seilbahn?
Selbst wenn die Südtangente (B56n) gebaut würde, wären Bonn und Siegburg trotzdem zu den Stoßzeiten nicht mehr erreichbar, so das ISEK-Verkehrsgutachten.
Eine Seilbahn wäre Verkehrsplanern zufolge nur bei dichter Bebauung sinnvoll, wie beim Uniklinikum Bonn-Venusberg.
Homeoffice würde nicht helfen!
Mehr Homeoffice heißt nicht zwangsläufig weniger Verkehr, so lautet das Fazit einer brandneuen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Ein Zusammenhang zwischen Digitalisierung und weniger Fahrerei sei seit dem Ende der Pandemie nicht länger nachweisbar. Deshalb sei es wichtiger, umweltfreundliche, klimaneutrale Mobilität zu fördern, als auf die Vermeidung von beruflichen Wegen durch mehr Homeoffice zu hoffen. Das ISEK-Gutachten wurde kurz vor der Pandemie erstellt und konnte das nicht wissen; heutige wissenschaftliche Erkenntnisse hebeln das Argument Homeoffice pro neue Neusiedlungen in Vinxel und Stieldorf aus.
Zeitplan für die Riesen-Siedlungen
Obwohl der Regionalplan noch im Entwurfsstadium steht, gibt es in Königswinter schon einen Zeitplan: Bis 2041 soll alles schlüsselfertig sein. Es sollen vor allem junge Familien angesiedelt werden, die ein Einfamilienhaus oder eine bezahlbare Wohnung im Grünen suchen. Die vorgeschriebenen Schulen und Kindergärten werden jedenfalls schon geplant.
Fast dieselben Flächen in fast derselben Gesamtgröße wie ISEK hat der Königswinterer Stadtrat Mitte 2022 für den Regionalplan empfohlen, 25 bis 27 Hektar. Kurz zuvor war sogar auf Druck der Vinxeler Bevölkerung noch ein großer Bebauungsplan namens „50/19“ aufgehoben worden – diese Streichung hat die Lokalpolitik jedoch nicht für den Regionalplan empfohlen. So kann die Fläche später erneut mit
Bebauung beplant werden.
Nachdem unser Verein dies vor Ort mit roten Fähnchen auf dem betroffenen Acker bekannt gemacht hat, wurde das Plangebiet 50/19 aus dem Schul- und Kita-Zeitplan herausgenommen – aber bisher nicht aus dem Regionalplan wegempfohlen.
Notwendige Maßnahmen
Keinen Zeitplan gibt es für die fünfzehn notwendigen Maßnahmen des Verkehrsgutachtens.
Beim ÖPNV in Stieldorf und Vinxel sind drei Buslinien relevant, die in den letzten Jahren samt Haltestellen leicht verbessert wurden. Aber die vom Verkehrsgutachten empfohlenen Takte für die drei Linien scheinen unrealistisch. Die Priorität liegt richtiger Weise auf anderen, wesentlich größeren Stadtteilen von Königswinter.
Den Fahrradverkehr will Königswinter für seine Klimawende bis 2035 fördern. Ein neuer Radweg zwischen Stieldorf und Hoholz und eine Fahrradabstellanlage in Stieldorf stehen zwar in einer Aufgabenliste, aber ohne Zeitplan. Nur eine Planstelle gibt es für die Verkehrswende in Königswinter, neun Planstellen für die Stadtplanung.
Während zwar ÖPNV und Fahrradverkehr noch kaum entwickelt wurden, aber die Notwendigkeit unbestritten ist, fehlt dieses Verständnis beim Thema PKWs fast gänzlich. Das Gutachten setzt für die Neusiedlungen als notwendig voraus, auf PKW-Stellplätze weitgehend zu verzichten. Das ist bei den aktuellen Bauprojekten nicht gemacht worden.
Weniger PKW-Stellplätze?
Trotz des Stieldorfer Supermarkts, trotz Apotheke, Post und Arztpraxen genügt die Infrastruktur der kleinen Orte nicht. Bus und Radwege sind trotz der Nähe zu Bonn und Siegburg noch immer nicht ausreichend. Die Ratsmehrheit will in Vinxel und Stieldorf vor allem junge Familien ansiedeln. Eine Vinxeler Familie hat es ohne Auto versucht und mit Mühe sechs Monate durchgehalten. Vielen genügt ein Auto nicht. So bleibt es wohl für geplante Einfamilienhäuser bei zwei PKW-Stellplätzen.
Verzicht auf Neusiedlungen muss sein!
Die schon jetzt notwendige Verkehrswende in der Siebengebirgsregion ist nicht ausreichend geplant und scheint auch kaum machbar. Trotzdem stehen die Riesensiedlungen im Regionalplanentwurf, und es wird bewusst in Kauf genommen, dass „Bonn und Siegburg zu Spitzenzeiten nicht erreichbar“ sind, wenn die vom Königswinterer Rat gewünschten Siedlungsbereiche gebaut würden.
Auf weitere Neusiedlungen muss logischer Weise verzichtet werden. Die nötige Infrastruktur ist auch künftig nicht zu erwarten, mit nicht tolerierbaren Nachteilen für den Verkehr in Bonn und Siegburg sowie an den Ortsdurchfahrten.
Genau dies erwartet auch die Regionalbehörde, die Kölner Bezirksregierung. Sie hat entsprechende Orte mit ausreichender Infrastruktur als Priorität für neue Siedlungsbereiche vorgegeben – Vinxel und Stieldorf zählen nicht dazu.
Alle, nicht nur Menschen aus Königswinter, können hier unterschreiben:
www.siebengebirgsregion.de
0 Kommentare