Zeitenwende im Wald

Am 16. November 2023 hat der Bundestag ein Klimaanpassungsgesetz beschlossen, das als Mittel gegen Starkregen, Hitze und Dürre unter anderem vorsieht, Bäume zu pflanzen. Damit wird das Verhältnis zwischen Baum und Mensch erneuert, aber diesmal die Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt und damit auch von Bäumen hervorgehoben.
Dieser Artikel entstammt der Print Ausgabe 2024-01


Esther und Andreas Reinecke-Lison


„Ein Baum ist ein lebendiges Wesen. Er isst, ruht, atmet und ist vom „Blut“ durchströmt, ähnlich wie wir. Der Herzschlag eines Baumes ist der wunderbar murmelnde Fluss des Lebens.“ (Joseph Cornell, Naturpädagoge) Über die Jahrhunderte hat sich die Bedeutung des Waldes für die Menschen Mitteleuropas stetig verändert. Einzelne Bäume wurden immer verehrt, heute als Maibaum oder Weihnachtsbaum. Als Wald wurde er oft düster, unheimlich und voller Gefahren wahrgenommen; Grimms Märchen erzählen davon. Im 19. Jahrhundert wurde der Wald romantisiert (Goethe, Heine). Doch schon zu diesem Zeitpunkt war er kein urtümlicher, hierzulande von Buchen dominierter Wald mehr, sondern ein vor allem aus schnell wachsenden Fichten bestehender Nutzwald, denn Holz wurde zunehmend als Werk-, Bau- und Brennstoff benötigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aus Mischwäldern Plantagen-ähnliche Fichten-Monokulturen. Das Waldsterben der 1980er-Jahre durch sauren Regen machte deutlich, dass es einer neuen Einstellung der Menschen zum Wald bedurfte. Damals wurden Motor-Katalysatoren Pflicht. Jetzt, im Zeitalter des Klimawandels, werden die Nachteile der Monokulturen deutlich. Fichten vertragen keine dauerhafte Hitze und Trockenheit, der Borkenkäfer hat an den so geschwächten Bäumen leichtes Spiel. Auch Buchen und Eichen sind betroffen. Bäume und Wälder ziehen Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und lagern den Kohlenstoff (C) in Holz und Waldboden ein. Für die nachhaltige Gestaltung der Zukunft des Waldes hierzulande gibt es verschiedene Ansätze.

Naturwald: In „Naturwaldzellen“ im Kottenforst oder auf dem Petersberg wird auf ökonomische Forstnutzung verzichtet, stattdessen alles einem natürlichen Kreislauf überlassen. Ein Urwald soll entstehen, der schädliches Kohlendioxid (CO2) speichert (CO2-Senke). Doch neueste Studien zeigen, dass auch diese natürlichen Buchenmischwälder Schaden nehmen und 30 bis 50 Prozent der Pflanzenarten, die in den 1980er-Jahren vorkamen, Klimawandel-bedingt verschwunden sind.

Mittelwald (siehe BUZ 6-23), Dauerwald: Dieser Mischwald heimischer Baumarten wird naturgemäß bewirtschaftet, mit schonenden Ernte-Eingriffen und Achtung der natürlichen Regeneration. Weil langfristig ein Buchenreinbestand entstehen würde, werden auch Eichen hinzugepflanzt. Entscheidend ist eine gute Mischung und möglichst viel Struktur mit Bäumen jeden Alters, jeden Umfangs, jeder Größe.

Zukunftswald und Klimawald sind Begriffe ohne festgelegte Definition für Wirtschaftswälder. Als Zukunftswälder werden oft Wälder bezeichnet, die mit klimastabilen Baumarten angereichert oder auf einer Freifläche mit der aufkommenden Naturverjüngung einen neuen Wald zu begründen, miteingebracht werden Diese Wälder können schließlich Hitze und Dürre besser vertragen. Welche Baumarten das sein könnten, ist nicht sicher. Laut Maximilian Weigend, dem Direktor der Botanischen Gärten Bonn, könnten das Hainbuchen, Rotbuchen und Flaumeichen sein. Andere Baumarten wären zum Beispiel Douglasie, Robinie. Entscheidend ist eigentlich die Bewirtschaftung im Sinne des Dauerwaldes. Denn das Ziel der Klimawälder ist es Kohlenstoff zu speichern. Wichtig ist, dass der Wald produktive Baumarten enthält, da die Menge des zu bindenden Kohlendioxids direkt abhängig von der Menge des wachsenden Holzes ist. Und hier gibt es große Unterschiede, zum Beispiel hat eine Douglasie mindestens die doppelte CO2-Bindung, wie eine Birke.

Zur Stabilität des Ökosystems Wald gehört, dass Humus für Wachstum und Nährstoffversorgung eines Baumes essentiell ist. Waldböden (Boden des Jahres 2024) sind Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, liefern Nährstoffe, filtern Schadstoffe. Der entstehende Humus ist eine CO2-Senke und hilft dem Wald bei extremer Trockenheit, weil er bis zum Fünffachen seines eigenen Gewichts an Wasser speichern kann. Die Bildung von einem Zentimeter Humus im Waldboden dauert mindestens 100 Jahre.

Im Bonner Hofgarten pflanzte am 25. April 1952 der damalige Bundespräsident Heuss einen Bergahorn. Damit wurde in (West-) Deutschland der „Tag des Baumes“ begründet. Weil die Klimawandel-bedingte Trockenheit mittlerweile so hoch ist, dass neu gesetzte Bäume dann verdursten würden, finden die Pflanzungen nun schon am „Tag des Waldes“ am 21. März statt. Es bedarf mehr als eines Gedenktages, um Menschen darauf hinzuweisen, wie wertvoll Bäume für sie sind. Vor allem heutige Kinder werden die drastischen Folgen des Klimawandels gegen Ende dieses Jahrhunderts selbst erleben und lernen müssen, damit umzugehen. Es bedarf daher einer Waldpädagogik für Jung und Alt. Für Kinder ist das Spielen, Lernen, Entdecken im Wald eh selbstverständlich. An Angeboten gibt es in Bonn unter anderem:

  • Aktionstage zu Klimaschutz und Wald im Bonner „Haus der Natur“
  • Ausflüge des Vereins „Zukunft Umwelt Bildung (ZUB)“ für Kinder, um spielerisch-wissenschaftlich Natur-Wunder zu entdecken: „Nur was wir kennen und lieben, ist uns auch wichtig und erhaltenswert.“
  • Einen Achtsamkeitspfad zum „Waldbaden“ beim Waldkrankenhaus. Wer sich Zeit nimmt, kann dort den Wald mit allen Sinnen erfahren, sich entspannen, regenerieren.

Weil der Wald in allen Teilen der Welt gefährdet ist, gibt es überall Aktionen, auch in Mexiko. Dazu Maritza Morales, die 1995 als Zehnjährige eine Umweltgruppe gründete: „Wir können Kindern nicht nur Angst machen. Was wir brauchen, ist Inspiration: eine positive Botschaft. Wenn unsere Kinder mit einer positiven Botschaft aufwachsen, werden sie ein starkes Herz haben, etwas zu unternehmen.“ Wir sind nicht machtlos. Nichts hilft besser gegen Unsicherheit als selbst zu handeln.

Fischer-Rizzi, S.: Bäume der Hoffnung, 2022 // Stern, H.: Rettet den Wald, 1979 // sdw.de // wald-und-holz.nrw.de // anw-nrw.de // latina-press.com // Deutschlandfunk: Umwelt und Verbraucher, 9.11.23 // Schölmerich, U.: Lehrbeauftragter Waldbau und Forstwirtschaft , Universität Bonn.

Mehr von Esther & Andreas Reinecke-Lison

Sie sehen eine Anzeige unseres Unterstützers Bioladen MOMO

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beitrag teilen

Verbreite diesen Beitrag!