Nix als heiße Luft

10. Juni 2020 | Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Die Märchen vom klimafreundlichen Fliegen

Die Klimaschutzdebatte bekommt in letzter Zeit immer größeres Gewicht. Weil der Flugverkehr das Klima stark belastet, versucht die Flugwirtschaft, sich verschiedene „grüne Mäntelchen“ umzuhängen. Sie befürchtet nämlich, dass die Diskussion um die Klimakrise Menschen vom Fliegen abhalten und das weitere Wachstum des Flugverkehrs beeinträchtigen könnte. Um dies unter allen Umständen zu verhindern, will die Flugbranche der Politik und der Öffentlichkeit suggerieren, man könne durch technische Maßnahmen den Flugverkehr in naher Zukunft klimaneutral machen. Alle vor ihr bisher vorgeschlagenen Maßnahmen stellen sich bei näherer Betrachtung aber als Märchen heraus.

Dr. Petra Hemptenmacher

Klimaneutraler Flugverkehr mit Pflanzenöl?

Das erste Märchen lautet: „Ersatz des fossilen Treibstoffs Kerosin durch Pflanzenöle“, zum Beispiel Palmöl, also durch so genannte „Bioenergie“. Was bedeutet dieser Ersatz für unser Klima?

Ölpalmen und andere Ölpflanzen werden in großem Umfang in industrieller Landwirtschaft angebaut, das heißt unter Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden. Dafür werden große Mengen an Energie verbraucht. Für die Herstellung von einer Tonne Stickstoffdünger sind, einschließlich der Energie für Transport und Ausbringung, zirka zwei Tonnen Erdöl erforderlich. Hinzu kommt der Energieaufwand für Herstellung, Transport und Ausbringung von Pestiziden.

Der Anbau von „Energiepflanzen“ steht zudem in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Um den Konflikt zwischen „Teller und Tank“ möglichst gering zu halten, werden in den Ländern des Südens (zum Beispiel Brasilien, Indonesien, Malaysia) Wälder vernichtet und Grünland umgebrochen, um mehr Ackerflächen zur Produktion des billigen Palmöls zu gewinnen. Dadurch werden gewaltige Mengen CO₂ freigesetzt.

Bezieht man diese Emissionen richtigerweise mit in die Energie- und Klimabilanz der „Bioenergie“ ein, kommt man zu folgendem Ergebnis: 23,5 Gramm Kerosin haben einen Energiegehalt von einem Megajoule (= 239 Kilokalorien). Bei der Verbrennung des Treibstoffs Kerosin mit dem Energiegehalt von einem Megajoule entstehen 74 Gramm CO₂. Allein die Herstellung von Palmöl mit dem selben Energiegehalt von einem Megajoule verursacht 147 Gramm CO₂. Das heißt, die Herstellung von Treibstoff aus Palmöl erfordert doppelt soviel Energie, wie nachher bei seiner Verbrennung gewonnen werden kann. Daher verschärft die Verbrennung von Pflanzenöl (als Ersatz für Kerosin) sogar die Klimakrise noch, statt zum Klimaschutz beizutragen.

Klimaneutraler Flugverkehr mit Wasserstoff?

Als weitere Möglichkeit, den Flugverkehr klimafreundlich zu machen, wird die Verwendung von Wasserstoff als Treibstoff genannt: Zu diesem Zweck soll Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Die elektrische Energie für diesen Prozess soll aus regenerativen Quellen stammen. Die Flugzeuge könnten dann Wasserstoff tanken und damit angeblich klimaneutral fliegen, weil als Abgas hauptsächlich Wasserdampf und kein CO₂ entstünde.

Allerdings ist auch Wasserdampf ein starkes Treibhausgas. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes wird die Ökobilanz des Fliegens stark gefälscht, wenn man nur das CO₂ und nicht auch den Wasserdampf im Abgas berücksichtigt. In der üblichen Flughöhe von zehn Kilometern hat gerade der Wasserdampf eine besonders klimaschädliche Wirkung, weil er in dieser – 40 Grad kalten Luftschicht zu winzigen Eiskristallen gefriert, die dann als Kondensstreifen am Himmel sichtbar sind. Diese Eiskristalle reflektieren die langwellige Infrarot-Wärmestrahlung, die von der Erdoberfläche abgestrahlt wird, so dass sie nicht in die Weiten des Weltraums verschwinden kann.

Zudem wirken die Eiskristalle als Kondensationskeime, das heißt, sie bewirken die Anlagerung (Kondensation) von Wassermolekülen zu größeren Ansammlungen und tragen somit zur Wolkenbildung, insbesondere zur Bildung zusätzlicher Zirruswolken, bei. Auch Wolkendecken reflektieren die Wärme, die von der Erdoberfläche abgestrahlt wird und verstärken damit ebenfalls den Treibhauseffekt. Die Folge ist, dass der Treibhauseffekt des Flugverkehrs auf Grund des Wasserdampfgehaltes der Flugzeugabgase drei bis fünf Mal so groß ist wie der Treibhauseffekt durch CO₂ allein. (Empfehlung des Umweltbundesamtes aus 2012).

Geht man von dem kleinsten Faktor drei aus, würde das bedeuten, dass rein rechnerisch ein Drittel des derzeitigen Klimaschadens durch den Flugverkehr vom CO₂ verursacht werden und zwei Drittel vom emittierten Wasserdampf. Wenn man also das CO₂ im Flugzeugabgas durch H₂O ersetzt, ist für den Klimaschutz nichts gewonnen.

Von klimaneutralem Flugverkehr mit „Wasserstoff-Flugzeugen“ kann also nicht die Rede sein.

Klimaneutraler Flugverkehr mit synthetischen Treibstoffen?

Des Weiteren will die Flugbranche der Öffentlichkeit suggerieren, der Ersatz von Kerosintreibstoff durch sogenannte „synthetische Treibstoffe“ würde den Flugverkehr klimaneutral machen. Wie soll das funktionieren? Kerosin gehört als fossiler Treibstoff zur Klasse der Kohlenwasserstoffe, das heißt, er besteht aus den Elementen Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H). Bei der Verbrennung (= Reaktion mit dem Sauerstoff O der Luft) bilden sich Kohlendioxid (CO₂) und Wasserdampf (H₂O). Bei dieser Reaktion wird Energie freigesetzt, die zum Antrieb der Turbinen genutzt wird. Nun kann grundsätzlich jede chemische Reaktion auch umgekehrt ablaufen. Das bedeutet, man könnte aus dem CO₂, das man der Luft entnimmt, plus H₂O wieder Kohlenwasserstoffe herstellen. Dazu braucht man allerdings mindestens die bei der Verbrennungsreaktion freigesetzte Energie. Nur wenn der Energiebedarf zur Herstellung synthetischer Kohlenwasserstoffe in Zukunft ausschließlich aus erneuerbaren Energien gedeckt werden könnte, würde der Flugverkehr, anders als bei der Verwendung fossiler Treibstoffe, kein zusätzliches CO₂ in die Atmosphäre entlassen.

Dieses Konzept hat jedoch gleich mehrere Haken:

  1. In Deutschland und anderen Industrieländern mangelt es an Kapazitäten der erneuerbaren Energieanlagen zur Stromerzeugung, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der Bedarf an Ökostrom in naher Zukunft durch die Förderung der Elektoautos stark steigen wird.
  2. Die Verfahren zur Herstellung synthetischer Kohlenwasserstoffe in großtechnischem Maßstab sind noch nicht ausgereift. Die derzeitige Produktion im Labor oder in Pilotanlagen ist nur in geringem Umfang und zu hohen Kosten möglich.
  3. Auch synthetische Kohlenwasserstoffe erzeugen bei ihrer Verbrennung  Kohlendioxid und Wasserdampf (als Reaktionsprodukte). Die klimaschädlichen Auswirkungen des Wasserdampfes bleiben auch bei dieser Antriebsart erhalten (siehe oben im Absatz: Klimaneutraler Flugverkehr mit Wasserstoff?)

Synthetische Kraftstoffe werden daher – selbst wenn die oben genannten Probleme gelöst würden – den Flugverkehr nicht klimaneutral machen. Sie wären allenfalls ein kleines bisschen weniger klimaschädlich. Gegen die Klimabelastung durch den Flugverkehr hilft derzeit nur Eins: weniger fliegen! (Jedenfalls solange, bis solarbetriebene Flugzeuge Standard sind.)

Dieser Artikel erschien in der BUZ-Ausgabe Mai/Juni 2020.

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