LRBS – Jetzt die Neubau-Krise nutzen

17. November 2025 | Ausgabe 6 /2025 Schwerpunkt: Bunter Herbst, Dr. Susanne Gura, Gesellschaft, LRBS, Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Statt Bauturbo: Umbauturbo !

Der Anfang Oktober 2025 im Bundestag beschlossene Bauturbo soll den Neubau aus der Krise holen, wobei Bezahlbarkeit nicht geregelt wird und bestehender Umweltschutz fast unwirksam werden kann. Ganz anders als Neubauen kann Umbauen nicht nur bezahlbarer und umweltfreundlicher sein, sondern ist auch erstaunlich krisenfest. Dieses Potenzial sollte unbedingt genutzt werden, zumal der enorme Bedarf nach Sanierung und Barrierefreiheit sowie deren Finanzierung oft auch den Bau neuer Wohnungen im Bestand auslöst.


Susanne Gura


Was wurde beschlossen?

Was gut klingt, ist nicht immer gut: Dieses Parkhaus wird nicht in Wohnungen umgewandelt, sondern saniert und ein öffentlicher Dachgarten angelegt. Anwohner fordern mehr Beteiligung, und Soziales besser zu berücksichtigen. Foto: LRBS

Wer drei Monate schweigt, stimmt zu: Wenn eine Kommune nach drei Monaten keinen Einspruch gegen einen Bauantrag erhoben hat, gilt ihr Schweigen als Zustimmung. Außerdem können Kommunen gänzlich auf Bebauungspläne verzichten. Die Regelung ist bis Ende 2030 befristet (Neuer § 246 e im BauGesetzBuch). Deregulierung der Aussenbereiche: Mit diesem neuen Paragraphen 246 e BauGB werden auch die bisherigen Umweltprüfungen für Bebauungspläne, die angrenzend zu und außerhalb von Ortschaften liegen, praktisch außer Kraft gesetzt.
Deregulierung der Innenbereiche: Falls kein Bebauungsplan vorliegt, wird die Neuerrichtung von Wohngebäuden möglich, auch wenn sie, anders als bisher, sich NICHT in die vorhandene Bebauung einfügen (Änderung § 34 Absatz 3b BauGB). Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans wird Aufstockung, Anbauten oder Bauen in der zweiten Reihe auch über die Vorgaben des Bebauungsplans hinaus ermöglicht, auch in ganzen Straßenzügen (Änderung des § 31 Absatz 3 BauGB).
Lärmschutz wird verringert: Kommunen dürfen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen von den bestehenden Lärmschutzvorschriften abweichen, um mehr Wohnungsbau in Gewerbenähe zuzulassen. Sonderregeln für Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt wurden verlängert. Darunter fällt der Schutz vor Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum, sowie die erleichterte Anwendung von Vorkaufsrechten, Befreiungen und Baugeboten.

Kritisch: Außenbereiche

Ein Bündnis aus Architects for Future, Bundesarchitektenkammer und Deutscher Umwelthilfe kritisiert vor allem die Anwendbarkeit des Paragrafen 246e im Außenbereich und fordert die Streichung. Außerdem fehlt laut Bündnis
•   ein Mindestanteil an bezahlbarem Wohnraum
•   eine Beschränkung des Bauturbos auf Mehrfamilienhäuser, um den Flächenfraß durch Einfamilienhäuser nicht  noch       weiter zu beschleunigen, und
•   ein verbindliches Baugebot, um die Bodenspekulation einzudämmen.

„Nur so können Flächen effizient genutzt, Nachverdichtung gefördert und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, ohne dabei Freiräume sowie ökologische und soziale Standards aufzugeben,“ mahnt das Bündnis. Es lobt aber auch die Ansätze für die Förderung von Nachverdichtung und effizienterer Nutzung bestehender Flächen. Hier muss angeknüpft und die Gesetzgebung weiterentwickelt werden. Das wäre theoretisch möglich, denn die Koalition plant eine umfassende Baugesetzbuch-Novelle.

Leider nicht beschlossen:

Die Grünen hatten eine Streichung des Bauturbo-Paragrafen beantragt, vor allem wegen seiner verheerenden Wirkung in siedlungsnahen Außenbereichen. Der Bauturbo sei in seiner Struktur nahezu deckungsgleich mit dem § 13b BauGB, der, weil europarechtswidrig, außer Kraft gesetzt wurde. Die Linksfraktion hatte einen Antrag zur Bauwende in den Bundestag eingebracht, der eine Priorisierung von Umbau vor Neubau und Maßnahmen zur Behebung des Leerstands und zur Bekämpfung von Zweckentfremdung von Wohnraum vorsah. Der Deutsche Mieterbund begrüßte den Antrag und forderte zudem den Bundestag auf, die noch offenen Punkte aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Dazu gehören insbesondere, die Vorkaufsrechte für Kommunen zu stärken, den preislimitierten Vorkauf zu vereinfachen und die Umgehung kommunaler Vorkaufsrechte, z.B. bei Share Deals zu verhindern.
Um Abrisse künftig zu beschränken, fordern Umwelt und Architekturverbände strengere Regeln. Ein Rechtsgutachten der Deutschen Umwelthilfe zeigt auf, dass eine entsprechende Genehmigungspflicht rechtlich möglich und von den Ländern direkt umsetzbar ist.
„Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ schreiben sich die Politik oft auf die Fahnen und Kommunen in ihre Flächennutzungspläne, auch wenn das ohnehin im Paragraf 1 Baugesetzbuch steht. Aber das darf Lippenbekenntnis bleiben, denn das Baugesetzbuch hat keinerlei Maßnahmen zur Durchsetzung des Vorrangs der Innenentwicklung, auch der neue Bauturbo nicht.
Fazit: Schneller bauen ist richtig – aber nur, wenn bezahlbarer Wohnraum entsteht, und Klima und Natur geschützt werden. Der BauTurbo‘ darf nicht zum Freifahrtschein für Investoren werden.

Kommunen verantwortlich

Als Folge des Bauturbos tragen bei Bauentscheidungen die Kommunen künftig noch mehr Verantwortung als bisher, dies wurde im Bundestag von mehreren Fraktionen betont. Die Frage ist, ob die Kommunen das alte Mantra infrage stellen, dass nur mit neuen Bauflächen signifikant mehr Wohnraum geschaffen würde, und dass Bauen im Bestand administrativ aufwendig und wenig wirksam sei. Ob aber tatsächlich im Bestand schneller und billiger Wohnraum geschaffen werden kann, wenn man sich prioritär darum kümmert, wird erst seit wenigen Jahren ausprobiert. Die Projekte in Baden-Württemberg, bei denen bauwillige Privatleute die Erstberatung durch ArchitektInnen vom Land gefördert bekommen, zeigen hervorragende Ergebnisse.
In einem neuen Projekt bietet die GRÜNE LIGA Workshops für Kommunen an. Es sollen gute Beispiele vorgestellt und gemeinsam mit Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Verwaltung, Wohnungswirtschaft und Politik Umsetzungsmöglichkeiten erörtert werden. Die Erfahrungen werden als Handreichung für andere Kommunen aufbereitet. Außerdem sind eine Fachtagung, mit Erfahrungen aus dem Ausland, und diverse Austauschformate zwischen Kommunen sowie Planer und sozialen Träger*innen vorgesehen.
Derzeit ist jedenfalls der Neubau in einer tiefen Krise, das Bauen im Bestand jedoch nicht. Ein möglicher Grund: Es gibt derzeit wenig Rendite. Im Neubau sind inzwischen überwiegend Immobilienfirmen aktiv, im Bestand bauen weiterhin überwiegend Privatleute, die offenbar nicht auf eine hohe Rendite abzielen. Es gibt noch wenig Forschung darüber. Die Investitionen in den Bestand sind seit Jahrzehnten etwa doppelt so hoch wie die Investitionen in den Neubau, und es entstehen durchschnittlich circa 15 Prozent der neuen Wohnungen im Bestand. Das lässt sich erheblich steigern, zeigt Baden-Württemberg mit seiner Unterstützung von Architektenberatung.

Aus der Region

Für das Bauen im Bestand gibt es viel Potenzial. Schon vor zehn Jahren errechnete die Empirica, dass im Rhein/Sieg-Kreis 200 Hektar Bauland eingespart würden, wenn nur ein Zehntel der SeniorInnen sich verkleinern würden. Die Kommunalpolitik hat kaum reagiert. Auch der Leerstand von Wohn- und Gewerbegebäuden ist höher als nötig. Im kleinen Königswinter stehen 700 Objekte leer. Obwohl die vorhandenen Bauflächen den amtlich geschätzten Bedarf bis 2043 decken, plant Königswinter riesige neue Siedlungen im nördlichen Naturpark ein. Investoren könnten dank Bauturbo die Äcker aufkaufen und beplanen, sogar ohne Bebauungsplan, wenn der Stadtrat dies zulässt.
Im Wahlkampf hat die Bonner CDU angekündigt, das Neubauprojekt in Roleber der Sahle Wohnen zu beschleunigen. Das geht nur, wenn erstens eine Kaltluftleitbahn versiegelt würde, wenn zweitens die Stadt die Kosten der Erweiterung des zwei Kilometer langen Holzlarer Kanals übernehmen würde, und wenn drittens das attraktive und solide Gebäude der ehemaligen NRW Landwirtschaftskammer abgerissen würde. Für die Mobilität der circa 1000 neuen PendlerInnen befürwortet Guido Déus den Ennertaufstieg. Er verschweigt, dass Geld und Konsens in der Region für den Ennertaufstieg fehlen und dafür keine Chance besteht.

Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer sagt

„Wir brauchen endlich einen echten UmBau-Turbo – kein weiteres Beschleunigungsprogramm für Neubau auf der grünen Wiese. Der Bestand ist unser größtes Potenzial: Wenn wir umbauen, weiterbauen und nachverdichten, schaffen wir Wohnraum, schützen das Klima und stärken unsere Städte zugleich.“

Petition: Europäisches Recht zum Umbau verbessern

Die Europäische Bürgerinitiative HouseEurope! fordert Steuervergünstigungen für Renovierung, bzw. Sanierung, und für die Wiederverwendung von Baumaterialien. Außerdem werden EU-weite ganzheitliche Bewertungskriterien für Gebäude angemahnt. Aktuell werden bei Bestandsgebäuden vor allem Risiken betrachtet, und bei Neubauten werden die Lebenszykluskosten außer Acht gelassen. Dies führt zur regelmäßig schlechteren Bewertung von Bestandsgebäuden, vor allem durch Investor*innen und Verwaltungen.
Die Petition kann bis 31 Januar 2026 unterschrieben werden. https://eci.ec.europa.eu/052/public/#/screen/home

Kein Abriss, sondern Weiternutzen!

Petition an Sahle Wohnen gestartet: Kein Abriss des Gebäudes der ehemaligen NRW-Landwirtschaftskammer in Roleber! Unterschreiben kann jede/r, Alter und Wohnort egal

Petition an Sahle Wohnen gestartet: Kein Abriss des Gebäudes der ehemaligen NRW-Landwirtschaftskammer in Roleber! Unterschreiben kann jede/r, Alter und Wohnort egal

 

Die ehemalige Landwirtschaftskammer ist ein Musterbeispiel für ein weiter nutzbares Bürogebäude. Foto: LRBS

Kontakt: sg@siebengebirgsregion.de; www.ennertaufstieg.de

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