Ein fiktives Streitgespräch in Sorge um die Zukunft

18. März 2024 | Ausgabe 2 / 2024 Klimaschutz – no future, Gesellschaft, Nachhaltigkeit, Walter Rodenstock | 0 Kommentare

Wie weiter? Mit Zuckerbrot oder Peitsche

Die Redaktion der Bonner Umwelt Zeitung freut sich, für ein weiteres Streitgespräch den bewährten Moderator Walter Rodenstock gewonnen zu haben. Heute geht es um das Thema „Zukunft und Umwelt“. Es streiten Herr Michael Arkt (CEO) und Frau Karin Lima (NGO).


Walter Rodenstock


Welche politischen Faktoren gefährden unsere Umwelt und damit unsere Zukunft?

M. Arkt: Die Menschen erleben, dass sie in vielen Lebensbereichen bevormundet werden. So erklärt sich die Diskrepanz zwischen positiven Umfragewerten zugunsten des Umweltschutzes und der mangelnden Akzeptanz der Bürger*innen bei konkreten Maßnahmen. Der Mensch ist ein freiheitsliebendes Wesen. Auf Einschränkungen reagiert er negativ. Alle sind doch für mehr Umweltschutz, aber in Maßen; niemand darf überfordert werden.

K. Lima: Staatliche Vorgaben sind für eine Demokratie unverzichtbar und ebenso auch Verbote, aber sie müssen erklärt und im Kampf gegen den Klimawandel kommuniziert werden. Die Bürger*innen wollen erkennen können, wo der Sinn in einzelnen Vorgaben liegt. Ein erfolgreiches Beispiel sind die Regeln im Straßenverkehr. Aber der große Bremsklotz im Umweltschutz sind ja nicht die Bürger*innen. Vielmehr liegt es an unserem Wirtschaftssystem, das Raubbau an unserer Natur nicht nur zulässt, sondern auf ihrer Ausbeutung aufbaut.

M. Arkt: Ich bin überrascht, dass Sie gleich zu Anfang unseres Gespräches die Katze aus dem Sack lassen. Ihre ideologische Verbohrtheit ist es ja, die uns etwas auf einen Irrweg führt. Wenn die Menschen was nicht wollten, würde die Wirtschaft auch nicht liefern. Das ist das Gesetz von „Angebot und Nachfrage“. Schieben Sie die aktuellen Probleme nicht immer auf das Profitstreben der Unternehmen. Vielmehr ist es doch die Wirtschaft, die den Menschen Wohlstand bringt. Zudem können wir uns die Wohltaten des Staates nur erlauben, weil die Wirtschaft diesen Lebensstandard ermöglicht. Es muss erstmal was verdient werden, bevor es ausgegeben werden kann. Der soziale Frieden wird durch eine florierende Wirtschaft und durch Wachstum gesichert.

K. Lima: Jetzt beschreiben Sie die Wirtschaft als Retter des sozialen Friedens, den wir durch die Forderung nach mehr Umweltschutz angeblich gefährden würden. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Ohne staatliche Förderung der Wirtschaft wäre die kapitalistische Logik längst am Ende. Insbesondere die weiterhin hohe Gewährung klimaschädlicher Subventionen ist uns ein Dorn im Auge. Sie belasten mit öffentlichen Geldern die Umwelt und tragen zum Klimawandel bei. Ein weiteres problematisches Mantra ist die Behauptung, dass Wachstum unverzichtbar sei. Schon mal was von den Grenzen des Wachstums gehört?

Könnten Sie beide uns ein Beispiel nennen, mit denen Sie ihre kontroversen Thesen untermauern?

K. Lima: Ein aktuelles Beispiel sind die Bauernproteste. Die vielfältige Struktur in der Landwirtschaft verlangt nach einer geänderten Agrarförderung. Gerade wir Verbraucher*innen haben ein elementares Interesse daran, dass die erheblichen Umweltbelastungen durch die Landwirtschaft reduziert werden. Nicht Masse, sondern Qualität ist zu fördern. Nicht der weltweite Export von Tierfleisch, sondern der ökologische Anbau für die regionale Versorgung muss im Vordergrund stehen. Unabhängig davon ist und bleibt Diesel umweltschädlich.

M. Arkt: Durch die von Ihnen so gebrandmarkte Subventionierung der Landwirtschaft in Deutschland wird ein wichtiger Beitrag gegen Umweltzerstörung geleistet. Nur wenn es gelingt, die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland, meinetwegen auch in Europa, zu halten, dann werden erheblich höhere Umweltlasten in der „Dritten Welt“ verhindert. Zugleich reduzieren wir die Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Importen. Das bedeutet weniger Umweltlasten durch Produktion und Transport; also echt nachhaltig. Das hat seinen Preis und dieser wird über den Markt gesteuert.

K. Lima: Wie können Sie nur von der Steuerungsleistung des Marktes reden, wenn doch offensichtlich ist, dass diese nur funktioniert, weil der Staat die Auswüchse abschwächt. Zudem hat gerade der von Ihnen gepriesene Marktmechanismus ein Quasi-Monopol der großen Lebensmittelkonzerne gefördert, unter dem die hiesige landwirtschaftliche Produktion durch Preisdumping leidet.

Wie sollte Ihrer Meinung nach ein nachhaltiger Weg ausgestaltet sein? Durch Anreize oder Verbote, also “Zuckerbrot” oder “Peitsche”?

M. Arkt: Ich glaubte, es schon deutlich gemacht zu haben. Also nochmal: Verbote bringen gar nichts. Das führt eher zur Verweigerung. Erfolge zur Abschwächung der Folgen des Klimawandels erzielen wir nur, wenn es gelingt, frei von überholten Ideologien die Marktkräfte wirken zu lassen. Durch Anreize wie Technologieoffenheit, praxistaugliche Kreativität und lösungsorientierte Forschung werden wir das Klima retten können.

K. Lima: Da haben wir es wieder: die alte Leier der Marktfetischisten: „Der Markt wird es schon richten“. Was sich nicht rechnet, wird auch nicht gemacht. Zudem bin ich nicht so pessimistisch, was Vorgaben oder sogar Verbote bewirken. Es gibt unzählige gute Beispiele: Rauchverbote in DB-Zügen und in Restaurants sind wider Erwarten erfolgreich. Auch die Gurtpflicht beim Autofahren ist heute ebenso selbstverständlich wie die Mülltrennung. Wenn die Einsicht wächst, dass was ich tue oder lasse, Sinn macht, dann merke ich auch, dass dies auch gut für mich ist. Die Wissenschaft hat uns schon viele wichtige Informationen und Hinweise für die Herausforderungen des Klimawandels gegeben. Wir müssen sie nur befolgen. Das Wissen ist abrufbar, es mangelt an der Umsetzung. Doch diese ist unverzichtbar, wenn wir für uns und unsere Kinder eine Zukunft haben wollen.

Lassen Sie mich deshalb zum Schluss fragen: wie stellen Sie sich die Zukunft vor?

M. Arkt: Wir müssen weg von staatlicher Verordnung von Verboten. Es kommen immer neue Vorgaben. Auch der Umwelt wird kein Gefallen getan, wenn dies weiter ausufert. Gleiches gilt für die Wirtschaft. Sie muss in die Lage versetzt sein, sich auf veränderte Vorgaben langfristig einzustellen. Viele Unternehmen stehen im internationalen Wettbewerb. Wir sollten dem Markt die Chance geben, den Weg in die Zukunft zu ebnen. Viele Unternehmen sind bereits weiter als die Politik. Der Sinn des Wettbewerbes ist es, dass das Gute sich durchsetzt.

K. Lima: Staatliche Vorgaben und politische Beschlüsse zur Rettung der Umwelt müssen gut kommuniziert werden. Der Staat kann zudem mit guten Beispielen vorangehen. Dies gilt besonders für Maßnahmen zur Klimaanpassung. Doch wir alle sind gefordert und sollten bereit sein, Abstriche in unserem komfortablen Leben zu akzeptieren. Strategien zur Abschwächung des Klimawandels sind dringender denn je. Dabei dürfen Natur und Mensch nicht als Gegensätze empfunden werden. Es geht um unsere Lebensgrundlagen, um unsere Zukunft.

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