DAV Internationales Jahr zum Schutz der Gletscher

29. August 2025 | Ausgabe 5/2025 „Auf Entdeckungstour“, DAV, Nachhaltigkeit, Umwelt | 0 Kommentare

In Gefahr


Luisa Wotruba, Referat Naturschutz


Sie bedecken nur rund zehn Prozent der weltweiten Landoberfläche, speichern aber ganze 70 Prozent des Süßwassers des Planeten und versorgen mit ihrem Schmelzwasser jährlich Milliarden von Menschen: Gletscher und Eisschilde sind lebenswichtig für zahlreiche Menschen und Ökosysteme – und sie sind in Gefahr.
Vergletscherte Gebirge haben eine außergewöhnliche Fähigkeit: Sie können große Wassermengen speichern und langsam wieder abgeben. Möglich ist dieser Effekt durch eine Kombination aus hohen Niederschlagsmengen und einer geringen Verdunstungsrate.

Viele Regionen der Erde sind auf saisonale Gletscher- und Schneeschmelzen angewiesen. Das sommerliche Schmelzwasser liefert Trinkwasser für rund zwei Milliarden Menschen. Auch für die Nahrungs- und Energiesicherheit ist das Schmelzwasser von essenzieller Bedeutung. Es stärkt das Gleichgewicht von Ökosystemen und die Stabilität der Wirtschaft. Doch diese positiven Auswirkungen sind langfristig in Gefahr, denn Gletscher reagieren besonders empfindlich auf steigende Temperaturen. Sie schrumpfen durch den menschengemachten Klimawandel in dramatischem Tempo. Viele sind bereits heute deutlich kleiner als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Laut einer umfangreichen Untersuchung aus dem Jahr 2023 werden selbst bei einer (aktuell unrealistischen) Begrenzung der Erderwärmung auf die im Pariser Klimaabkommen vereinbarten anderthalb Grad Celsius rund die Hälfte aller Gletscher bis zum Jahr 2100 verschwinden. Jeder Temperaturanstieg hat erhebliche Auswirkungen auf den Verlust der Gletscher und die damit einhergehenden Konsequenzen. Doch was genau bedeutet das überhaupt? Welche Folgen sind zu erwarten?

Der Rückzug der Gletscher sorgt dafür, dass in Zukunft weniger Wasser weniger verlässlich zur Verfügung steht – das stellt betroffene Regionen vor große Herausforderungen: Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft und Wasserkraft sind bedroht. Eine der wohl gravierendsten Folgen ist der erhebliche Beitrag zum Anstieg der Meeresspiegel sowie zur Zunahme des Risikos von Naturkatastrophen und extremen Wetterereignissen wie Überschwemmungen, Erdrutschen, Lawinen und Dürren.

Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls, dass mit den Gletschern potenziell wichtige Daten verloren gehen können. Sie liefern der Wissenschaft wertvolle Informationen über die Vergangenheit: frühere Klimamuster, die Zusammensetzung der Atmosphäre sowie menschliche Aktivitäten können im Gletschereis teils tausende von Jahren zurückverfolgt werden. Außerdem führt das Verschwinden der Gletscher auch zum Verlust einzigartiger Lebensräume, Ökosysteme und biologischer Vielfalt. Darüber hinaus haben Gletscher insbesondere für einige indigene Völker eine tiefe spirituelle Bedeutung, die eng mit ihrem kulturellen Erbe verknüpft ist und demnach von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt wurde.

In Anbetracht dieser schwerwiegenden Konsequenzen haben die Vereinten Nationen das Jahr 2025 zum internationalen Jahr des Gletscherschutzes erklärt. Zusätzlich dazu gilt der 21. März von nun an als Welttag der Gletscher. Beides verfolgt das Ziel, Regierungen, Forschungseinrichtungen, private Organisationen sowie die Zivilgesellschaft zu mobilisieren: Der Ausstoß von Treibhausgasen soll reduziert und wirkungsvolle Strategien zur Anpassung an den Klimawandel sollen umgesetzt werden. Außerdem soll die Erhebung gletscherbezogener Daten durch globale Überwachungssysteme verbessert werden. Weitere Ziele sind die Entwicklung von Frühwarnsystemen und die Förderung nachhaltiger Wasserwirtschaft in vergletscherten Regionen. Das kulturelle Erbe und traditionelle Wissen in Bezug auf Gletscher soll erhalten bleiben. Zudem soll die Jugend in den Schutz des Klimas und so auch der Gletscher eingebunden werden.

Quellen:
ICWRGC – Internationale Zentrum für Wasserressourcen und Globalen Wandel (https://waterandchange.org/weltgletschertag_25/)
UNESCO Österreich (https://www.unesco.at/wissenschaft/artikel/article/internationales-jahr-des-gletscherschutzes-2025)
UNESCO Deutschland (https://www.unesco.de/aktuelles/un-weltwasserbericht-2025-gebirge-und-gletscher-in-gefahr/)
Studie von Rounce et al., 2023 (https://www.science.org/doi/10.1126/science.abo1324#sec-8)

Das Eis schmilzt – mit Folgen für den Bergsport

Alpen ohne Gletscher? 


Björn Langer, Naturschutzreferent und 2. Vorsitzender


Gletscher prägen die Landschaft der Alpen und sind eng mit dem Bergsport verknüpft. Seit 1850 hat das „ewige Eis“ mehr als 60 Prozent seines Volumens eingebüßt – und der Verlust wird immer rasanter. Die deutliche Beschleunigung wird durch eine im Februar 2025 veröffentlichte Studie im Wissenschaftsjournal „Nature“ belegt: Ein Forschungsverbund, an dem auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mitgewirkt hat, kommt zu dem Ergebnis, dass von 2012 bis 2023 36 Prozent mehr Gletschereis abschmolz als zwischen 2000 und 2011. Laut Prognosen werden die Alpen bis 2100 weitgehend eisfrei sein, nur noch rund fünf Prozent des heutigen Eisvolumens dürften verbleiben.

Der österreichische Gletschermessdienst untersuchte im Gletscherhaushaltsjahr 2023/24 insgesamt 90 Eisfelder. Die traurige Bilanz: Nur drei blieben in ihrer Größe unverändert, im Schnitt zogen sich die Studienobjekte um 24,1 Meter zurück. Das ist nach dem Rekordjahr 2021/22 mit 28,7 Metern Rückgang und 2016/17 (25,2 Meter) der dritthöchste Wert, der in der Geschichte des Gletschermessdienstes ermittelt wurde – und dicht gefolgt vom Vorjahr 2022/23 (23,9 Meter). Die Daten der gesamten 134-jährigen Reihe sind im neuen interaktiven Gletschermonitor (alpenverein.at/gletschermonitor) abrufbar.
Die größten Eisverluste wurden in den Ötztaler Alpen gemessen: Der Sexegertenferner schrumpfte um 227,5 Meter, der Taschachferner um 176 Meter, der Gepatschferner um 104 Meter. Auf Platz 4 folgt der Hallstätter Gletscher am Dachstein, sein Rückgang betrug 73,3 Meter. Die Pasterze, die im Messjahr 2022/23 noch mit einem Rückgang von 203,5 Metern die Liste anführte, liegt nun mit 66,3 Metern auf Platz 6.
Für den starken Rückgang machen die Forschenden vor allem ein außergewöhnlich warmes Jahr – 1,9 Grad über dem langjährigen Mittel – verantwortlich. „Besonders die hohen Temperaturen im Juni, Juli und August 2024 haben dazu geführt, dass die Gletscher in rasantem Tempo abschmelzen konnten“, erklärt Andreas Kellerer-Pirklbauer, der gemeinsam mit Gerhard Lieb den Gletschermessdienst wissenschaftlich leitet.
Zudem seien sommerliche Schneefälle, die den Prozess abbremsen können, ausgeblieben. „Die neuerlichen Rekordwerte zeigen eindrucksvoll, dass sich die österreichischen Gletscher weiterhin in einer Phase des raschen Verfalls befinden“, erklärt Lieb. Es sei damit zu rechnen, dass die Alpenrepublik in spätestens 40 bis 50 Jahren weitestgehend eisfrei sein werde.
„Selbst die härtesten Klimaschutzmaßnahmen können das Abschmelzen nicht verhindern“, sagt DAV-Gletscherexperte Dr. Tobias Hipp. „Wir müssen trotzdem die verbleibenden Gletscherflächen bestmöglich schützen und uns Gedanken machen, wie die Zukunft in den Alpen ohne Eis aussehen wird”. Denn die Gletscherschmelze hat weitreichende Konsequenzen:

Mehr Naturgefahren. Nicht nur der ebenfalls schmelzende Permafrost stabilisiert Hänge und Felswände, sondern auch der Gegendruck der Gletscher. In Kombination sowie mit einer nachgewiesenen Zunahme von Extremniederschlagsereignissen wird es in Zukunft häufiger Steinschläge, Felsstürze oder Murgänge geben. Ein Extrembeispiel war der Bergsturz am 25. Mai, der den schweizerischen Ort Blatten im Lötschental zerstörte.

Wasserknappheit.In den Alpen haben Gletscher als Wasserspeicher nur für kleinere Regionen Bedeutung. Trotzdem kämpfen Alpenvereinshütten schon heute mit einer zunehmend unsicher werdenden Wasserversorgung aufgrund des Verlusts der Gletscher und Schneefelder sowie längerer Hitzeperioden. Im Himalaya oder in den Anden werden ganze Metropolen und Millionen von Menschen vom Schmelzwasser der Gletscher versorgt.

Bergsport.Der Bergsport blickt einer ungewissen Zukunft entgegen. Kürzere Winter und weniger Schnee, zunehmende Naturgefahren, schwindendes Eis in den Nordwänden, sich verändernde Saisonen und Unsicherheit, welche Touren nach dem Abschmelzen der Gletscher überhaupt noch möglich sein werden.
Bei hochalpinen Stützpunkten ist die Gefahr von Sackungen oder Instabilitäten durch den tauenden Permafrost nicht zu vernachlässigen.
Der Deutsche Alpenverein setzt sich aktiv für den Schutz der Alpengletscher und den Klimaschutz ein. Mit dem Ziel „Klimaneutral bis 2030 – by fair means“ zeigt der DAV, dass auch große Verbände Verantwortung übernehmen können. Dabei geht er nach dem Prinzip „Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren“ vor. Zu den Maßnahmen gehören:

Aktiver Gletscherschutz.Der DAV setzt sich für die naturschutzfachliche und raumplanerische Unterschutzstellung von Gletschern und Gletschervorfeldern ein. Zusammen mit dem Österreichischen Alpenverein und weiteren Naturschutzverbänden positioniert er sich klar gegen weitere Erschließungen von unberührten Gletscherflächen durch Skigebiete und fordert den konsequenten Erschließungsstopp dieser hochsensiblen und für die Bewältigung der Biodiversitätskrise essenziellen Naturräume.

Nachhaltige Hüttenbewirtschaftung.Viele Alpenvereinshütten setzen bereits auf erneuerbare Energien und klimafreundliche Bauweisen – weitere Sanierungsprojekte laufen

Förderung klimafreundlicher Anreise. Der DAV setzt sich für eine bessere Bahn- und ÖPNV-Anbindung von Bergregionen ein, um den Kohlendioxidausstoß durch die Anreise mit zu reduzieren.
Die schmelzenden Alpengletscher sind auch ein wichtiger Aspekt der Sonderausstellung „Zukunft Alpen. Die Klimaerwärmung“, die der DAV noch bis August 2026 im Alpinen Museum in München zeigt. Dort wird auf die unterschiedlichsten Auswirkungen und Herausforderungen der Klimaerwärmung in den Alpen geblickt: Auf die Folgen für die Biodiversität, steigende Naturgefahren, den Druck, neue Energieanlagen zu errichten, den Wandel der touristischen Infrastruktur und zunehmende Einschränkungen und Gefahren für Bergsportler*innen.

Kontakt
Geschäftsstelle des Sektion Bonn
des Deutschen Alpenvereins
Gottfried-Claren-Straße 2,
53225 Bonn
Geschäftszeit:
Jeden Mittwoch von 17 bis 21 Uhr
Tel.: 0228/4228470 (nur während der
Geschäftszeit, sonst Anrufbeantworter)
E-Mail: info@dav-bonn.de
Internet: www.dav-bonn.de

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