Nostalgie-Bevor es Winter wird

11. November 2023 | Nostalgie, Susanna Allmis-Hiergeist | 0 Kommentare

Igel als Gäste in Garten und Haus

Im Gegensatz zu Mardern und Füchsen sind Igel im Umfeld von Wohnbebauungen gern gesehene Gäste. Sie leben relativ zurückgezogen und helfen, Insekten, Asseln und Schnecken in Schach zu halten. Will man sie im Garten ansiedeln, bietet man ihnen am besten vorbereitete Schlaf- oder Nisthöhlen an. Wer darüber hinaus einen hilfsbedürftigen Igel als Wintergast aufnimmt, kann mit drolligen Einlagen, aber auch mit einigem Pflegeaufwand rechnen.


Susanna Allmis-Hiergeist


In unserem waldnahen Garten gibt es fast alles, auch einen Igelbau. Vor einigen Jahren fand eine Igelmutter im Frühjahr Gefallen an einem zurück geschnittenen Büschel verholzter Stängel der blauen Kugeldistel (passenderweise botanisch echinops ritro, blauer Igel), und seitdem wird die Behausung regelmäßig gewartet und auch fast jedes Jahr von den liebenswerten Stacheltieren bewohnt. Wir selbst übernehmen die gröberen Sanierungsarbeiten, räumen eingestürzte Teile aus der Höhle und flicken im Herbst das Dach und die Seiten mit Zweigwerk vom Buchen- und Apfelbaumschnitt; die vermutlich wechselnden Igelbewohner polstern das Versteck mit sorgfältig zusammengesuchten Blättchen, bevorzugt mit kleinem Eichenlaub aus.
Der Igel kommt in verschiedenen Klimazonen in fast ganz Europa, Asien und Afrika vor. Ungeeignet sind Kaltzonen über 1000 Metern Höhe, dauerfeuchte Gebiete oder Landschaften ohne Deckung durch Buschwerk und Gestrüpp. Das Gesicht des Igels ähnelt dem anderer Kleinjäger, aber kaum jemals ragt mehr als das spitze Näschen aus dem Stachelkleid heraus, und wenn das Tier misstrauisch wird, rollt es sich mithilfe eines kräftigen Muskelrings an der Stachel-Haargrenze des Bauches fast vollends in seinem wehrhaften Balg zusammen. Bei höchster Gefahr stehen die Stacheln sogar kreuz und quer, was die Schutzwirkung beträchtlich erhöht.

Der nützliche Jäger

Lecker Speisen Helmut J. Salzer_pixelio.de

Die Nahrung der Igel besteht hauptsächlich aus Insekten, Insektenlarven, Asseln, Würmern, Schnecken und auch nestjungen Mäusen. Erwachsene Mäuse fangen können sie nicht, auch wenn sie flinker sind, als sie auf den ersten Blick aussehen. Besonders ausgeprägt ist bei Igeln der Geruchssinn, der ihnen bei der Futtersuche hilft und der die Gewohnheit des Einspeichelns erklärt. Die beim Erschnüffeln der Umgebung gesammelten Geruchseindrücke werden im so genannten Jacobsonschen Organ analysiert, einem schlauchförmigen Gebilde, das mit Nasenhöhle und Mund in Verbindung steht. Um wieder „volle Riechkraft“ zu erlangen, wird der Hohlraum nach jedem stärkeren Riecheindruck mit Drüsensekret durchgespült und der Speichel aus dem Mundraum mit oft akrobatischen Verrenkungen auf den Stacheln des Rückens und auf die Seitenhaare verteilt. Fällt der Igel dabei um, setzt er den Vorgang in Schräglage ungestört fort.

Ruhige Wohngegend bevorzugt

Benötigen schon die Schlafhöhlen der Igel eine gute Deckung, so werden für die Nisthöhlen noch sorgfältiger ruhige und geschützte Plätze ausgewählt. Igelinnen, die trächtig sind, verjagen das Männchen oder wandern selber fort. Der in vielen Erzählungen beschworene Familiensinn und das familiäre Teamwork wie zum Beispiel im Märchen über den Wettlauf zwischen Hase und Igel, in dem die zum Verwechseln ähnliche Gattin am Ende der Rennstrecke postiert wird und so den Sieg herbeiführt, sind mehr ein romantischer Mythos.
Im Mai bringt die allein erziehende Mutter in der Regel einen ersten Wurf mit bis zu sechs jungen Igeln zur Welt, manchmal im Herbst sogar noch einen zweiten. Fünf Wochen wird der Nachwuchs gesäugt, danach können die Kleinen schon ganz gut klettern und selbst auf Nahrungssuche gehen. Trotzdem halten sie sich immer noch mit kurzen Pieptönen in Hörweite von Mutter und Geschwistern auf.

Der Igel im Winter

Kein Winterschlaf? Foto: wobigrafie  / pixelio.de

Da die Igel im Winter kein Futter finden, halten sie einen Winterschlaf. Mit einem Gewicht ab ca. 800g überstehen sie bei verringertem Stoffwechsel i.d.R. problemlos die kalte Jahreszeit. Eng wird es, wenn die Mutter vor Ende der Stillzeit zum Beispiel bei einem Autounfall ums Leben kommt oder die Igelkinder im zweiten Wurf des Jahres zu spät geboren werden, um sich das notwendige Winterschlafgewicht anzufuttern. In solchen Fällen können die Nachwüchslinge die Hilfe der Menschen gut brauchen. Deshalb hier einige Tipps zu Igeln als Wintergästen.
Als behelfsmäßige Schlafhöhle (vor stärkerem Laubsägeeinsatz) kann ein Schuhkarton dienen, der einen Eingang und weitere Luftlöcher erhält. Als Streu kommen Streifen von zerknülltem dünnen Papier in Frage, die leicht ausgewechselt werden können. Dazu sollte der Kartondeckel nach oben abhebbar sein. Aufgenommene Igel sollten in einem Bad mit mildem (Hunde) Shampoo gründlich mit der Bürste von Flöhen und Milben gereinigt werden (Achtung: das liebt der Igel nicht).

Milch ist tabu

Als Futter kommen Katzenfutter auf Fleisch- und Fischbasis, Mehlwürmer, Haferflocken, Stückchen von hart gekochten Eiern und auch etwas Banane in Betracht, zum Trinken nur Wasser, keine Milch (Durchfallgefahr).
Igel halten in der Wohnung und somit gut versorgt keinen richtigen Winterschlaf, werden höchstens zwischenzeitlich etwas apathischer. Sie brauchen also Auslauf und Beschäftigung mit kleinen Spielsachen wie Wolle, Lederresten zum Zerkauen oder Papier zum Bauen von Spielnestern (wer das nicht in der ganzen Wohnung haben will, sollte einen Auslauf um den Schlafkarton herum basteln). Anfang bis Mitte Mai kann der Wintergast am besten gegen Abend in einer buschreichen Gegend ins Freie entlassen werden. Und noch etwas: sollten Sie während der Einquartierung im Haus schnaufende und schnarchende Geräusche gehört haben, schieben Sie es nicht unbedingt auf Ihre menschlichen Mitbewohner, es könnte auch Ihr Igel gewesen sein, der träumte.

Mehr von Susanna Allmis-Hiergeist

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beitrag teilen

Verbreite diesen Beitrag!