Baukultureller Beitrag durch Bundesbauten

16. April 2021 | Ausgabe 2/2021 Baukultur, Nachhaltigkeit | 0 Kommentare

Der Bund als Bauherr in Bonn

 

Nach der Entscheidung, Bonn zur (provisorischen) Hauptstadt zu machen, stellte sich ab 1949 die Frage, wo die parlamentarischen Einrichtungen und die Bundesministerien zu platzieren seien. Zudem benötigten die Besatzungsmächte Domizile für ihre Verwaltungen. Während zunächst der nicht durch Kriegszerstörung beschädigte Bestand umgenutzt wurde, ergaben sich in der weiteren Entwicklung zur Bundeshauptstadt unterschiedliche Herausforderungen für den notwendigen Neubau. Einerseits wollte man der steinernen Großmannssucht der Nazizeit eine bescheidene und dennoch moderne, funktionsgerechte Architektur entgegensetzen. Anderseits sollten die als Provisorien geplanten Bauten langfristig auch für andere Zwecke weiter genutzt werden können.

Dr. Manfred Fuhrich

Kreuzbauten

Lage: Die Kreuzbauten wurden in den Jahren 1969 bis 1975 auf einem freien, weitläufigen Gelände in der Nähe des Rheins auf dem nördlichen Gebiet des Stadtbezirks Bad Godesberg errichtet. In dem östlichen Kreuzbau residiert das Eisenbahn-Bundesamt. Später ist auf den angrenzenden Freiflächen der Gebäudekomplex für das Verkehrsministerium erstellt worden.

Bauwerk: Die zwei 12 bis15-geschossigen, gleichartigen, mit kreuzförmigem Grundriss konzipierten Bauwerke ruhen auf einem hohen Sockelgeschoss. Trotz der kolossalen Dimension scheinen die Hochbauten auf den Betonsockeln zu schweben. Typisch ist die konsequente Kombination von hervorkragenden Betonscheiben und durchgehenden Fensterbändern. Markant sind die groß dimensionierten, kastenförmigen und weit sichtbaren Dachaufbauten für die Haustechnik; ebenso auffällig sind die Außentreppenanlagen an jedem der insgesamt acht Gebäudeenden. Federführende Architekten waren Joachim Schürmann und die Planungsgruppe Stieldorf. Die Kreuzbauten stehen seit 2004 als baukulturelles Zeugnis der Bonner Regierungsarchitektur unter Denkmalschutz.

Kreuzbauten in Bonn-Gronau © Manfred Fuhrich

Nutzung: In die Gebäude zogen unter anderem das Ministerium für Forschung und Bildung sowie das Eisenbahnbundesamt ein. Auch heute noch sind hier Bundeseinrichtungen konzentriert. In einem dreigeschossigen Gebäudekomplex an der B9 befindet sich das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung. Zudem sind weitere, kleinere Gebäude auf dem Areal verteilt, zum Teil unter Bodenniveau des Areals.

Baukulturell Bemerkenswertes: Eigentlich sollten statt zwei insgesamt sieben gleichartige Gebäude errichtet werden. Doch der Bundestag stoppte dieses gigantische Projekt, zumal die Stadt Bonn dieses Gelände für einen weitläufigen Park vorgesehen hatte. Die ursprüngliche baukulturelle Idee war es, ein für Bürger*innen offenes Gebäudeensemble zu schaffen.

Die durch Terroraktivitäten der Rote Armee Fraktion (RAF) entstandene Gefahrenlage führte seinerzeit dazu, diese Gelände weiträumig, nahezu festungsartig mit hohen Zäunen zu umgeben und von der Öffentlichkeit abzuschirmen.

Bemerkenswert ist außerdem, dass sich das Gebäude wegen der Rippenkonstruktion als hochgradige Energieschleuder erwies. Es musste ab 2003 mit hohem Aufwand saniert werden.

Langer Eugen

Lage: Als erstes signifikantes Hochhaus in Bonn wurde das Bürohaus für die Bundestagsabgeordneten in unmittelbarer Nähe zum Plenarsaal des Bundestages am Rhein platziert. Es löste zahlreiche Provisorien des Bundes ab.

Bauwerk: Das in den Jahren 1966 bis 1969 gebaute Hochhaus ist 115 Meter hoch, zählt 30 Etagen, 13 Aufzüge und ist als Stahl­skelettbauweise konstruiert, was für damalige Zeit ein baukulturelles Novum war; Kosten: 50 Millionen DM. Es beherbergt zahlreiche Sitzungssäle und ein Restaurant mit Fernsicht. Die markante Fassade, gegliedert durch horizontale Lamellen, schwächt den Eindruck der enormen Höhe ab. 1970 erhielt das Hochhaus aus sicherheitsrechtlichen Gründen einen massiven Treppenturm an der Rheinseite. 1997 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt; Begründung: Das Gebäude verdeutlicht als ein anschauliches Beispiel das Verständnis demokratischen Bauens in der jungen Bundesrepublik.

Nutzung: Einst gebaut für den Bundestag, ist es seit einer umfassenden Sanierung im Jahr 2006 das weit sichtbare Kernstück des UN-Campus für Mitarbeiter*innen diverser UN-Organisationen.

Baukulturell Bemerkenswertes: Der renommierte Architekt Egon Eiermann hatte zunächst mehrere Objektentwürfe mit geringerer Bauhöhe vorgelegt. Die Parlamentarier setzten sich aber für einen „städtebaulichen Akzent“ ein. Diese hochgeschossige Landmarke sollte als bis dahin einzigartiger „Wolkenkratzer“ alles überragen und somit ein Sinnbild für die Demokratie sein. Wegen seines leidenschaftlichen Einsatzes für das Hochhaus wurde das Gebäude nach dem damaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier benannt: Langer Eugen. Gerstenmaier selbst war hingegen ziemlich klein.

Bereits damals sollte es so konzipiert werden, dass es nach einem möglichen Umzug der Regierung für andere Bestimmungen genutzt werden kann.

Deichmanns Aue

Lage: In der einstmaligen Villa der Kölner Bankiersfamilie Deichmann etablierte sich 1949 der US-amerikanische Hochkommissar John McCloy. Die Villa lag in ummittelbarer Lage zum Rhein inmitten einer natürlichen Rheinaue mit einzigartigem Baumbestand..

Bauwerk: Die Villa erhielt im Jahr 1951 einen großformatigen „Anbau“ mit über 700 Büroräumen. Bauzeit: weniger als ein Jahr. Die Gebäudestruktur gliedert sich in vier fünfgeschossige Scheiben, die durch dreigeschossige Querbauten verbunden sind, sowie in ein achtgeschossiges Hochhaus.

Das Gebäude wurde in sehr kurzer Zeit in für amerikanische Bauweise typischer Holzständerbau erstellt. Das kammartige Bauwerk ruht auf einer durchgehenden Stahlbetondecke in der ersten Etage. Wegen der Hochwassergefahren waren die Erdgeschosse von Nutzung freigehalten. Federführender Architekt war Sep Ruf.

Deichmanns Aue in Bonn-Mehlem © Manfred Fuhrich

Nutzung: Nach Abzug des Hochkommissars blieb das große Gebäude weiterhin Sitz der US-Botschaft. In den 90er Jahren zog nach umfassender Sanierung für 31 Millionen Euro die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ein. Diese Einrichtung des Bundes wurde von Frankfurt nach Bonn verlagert als eine der Kompensationen für den Wegzug vieler Bundesministerien.

Das mehrgliedrige Kammgebäude nutzte seit 1955 das Bundesbauministerium. Nach dem Umzug des Hauptsitzes des Bauministeriums nach Berlin im Jahr 2000 folgte das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Die beiden Bundesbehörden erhielten in den 90er Jahren eine solitäre Kantine, die sich mit ihrer Holzfassade harmonisch in die Parklandschaft am Rhein einfügt.

Baukulturell Bemerkenswertes: Vorbild für diese kammartige Struktur war das IG-Farben-Hauptgebäude in Frankfurt, wo die Amerikaner zuvor residierten.
Die Bauabteilung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung stellte anlässlich ihres Einzuges fest, dass das gesamte Gebäudeensemble feuertechnisch problematisch war, sodass eine umfassende Sanierung des Gebäudeinneren und der Fassade durchgeführt werden musste. Erst nach Eindeichung des Areals konnten nun auch die Erdgeschosse baulich genutzt werden. Der Bund ist also nicht im engeren Sinne Bauherr. Durch die unfassenden Sanierungsmaßnahmen kann man ihn nachträglich als Bauherr bezeichnen.

 

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