LRBS-Riesen-Siedlungen im Naturpark

5. Juli 2024 | Ausgabe 4 / 2024 Reisen, Dr. Susanne Gura, Gesellschaft, LRBS, Meinung, Nachhaltigkeit, Umwelt, Verbände | 0 Kommentare

Neues aus der Siebengebirgsregion

Während die Bonner Ratskoalition auf neue Riesen-Siedlungen in der Bergregion an der Grenze zu Königswinter ganz verzichtet und den Umfang der Bebauung des Landwirtschaftskammergeländes deutlich beschränkt hat, treibt der Königswinterer Stadtrat die Riesen-Siedlungen im Naturpark Siebengebirge voran und auf die Spitze.


Susanne Gura


Dabei verzögert sich die Überarbeitung des Regionalplans weiter. Grund ist, dass der BUND beim OVG Münster ein Urteil über den Landesentwicklungsplan der früheren CDU/FDP-Regierung von Armin Laschet erwirkt hat, wonach die Abwägung der Belange teilweise grob fehlerhaft oder ganz unterblieben war. Es geht unter anderem auch um die Siedlungs- und Freiraumplanung. Wie die Siebengebirgsregion davon betroffen ist, ist noch unklar. Der Landesentwicklungsplan muss nun überarbeitet werden, und erst dann kann das Regionalplanverfahren fortgesetzt werden. Vor Ende 2024 ist die zweite Öffentlichkeitsbeteiligung wohl nicht zu erwarten.

Königswinter im Wachstumswahn

Die Ratskoalition aus Wählerinitiative, Grünen und SPD bereitet trotz der Verzögerung schon den nächsten Schritt nach dem Regionalplan, den Flächennutzungsplan vor. Sie bezieht sich dabei auf den veralteten, aber rechtsgültigen Regionalplan. Vorschläge zur Flächennutzung legte die Verwaltung im Mai in Form eines „Fachbeitrag Bauen und Wohnen“ vor. Die völlig überzogene Wachstumsplanung wird weiter zugespitzt. Zwei Drittel aller Flächen, die zusätzlich bebaut werden können, sollen in einem einzigen Ort liegen. In Stieldorf, derzeit 1200 Einwohner, könnte es bis 2042 mehr als doppelt so viele Haushalte geben wie bisher. Die Belastung würde durch höhere Bebauungsdichte noch weiter steigen als bisher angenommen, unter dem Vorwand des Flächensparens. Für die kleinen Orte Stieldorf und das benachbarte Vinxel ist das Flächensparen graue Theorie, ihnen selbst bliebe gar nichts erspart.
Vinxel soll schon jetzt durch ein Baugebiet unverhältnismäßig wachsen. Ein weiterer, noch viermal so großer Siedlungsbereich steht im Regionalplanentwurf. Wegen der Proteste aus Vinxel wagt es der Stadtrat offensichtlich nicht, diese zehn Hektar schon jetzt in den Flächennutzungsplan zu übernehmen.
Unter anderem für Natur, Böden, Klima, Naherholung und den PKW-Verkehr wären die Auswirkungen unvertretbar. Eine ausreichende Infrastruktur ist hier nicht zu erwarten, befindet die Regionalplanungsbehörde. Das Sagen hat aber die Kommune. Im Wachstumsrausch ignoriert der Königswinterer Stadtrat sogar die selbst beauftragten Gutachter. Diese empfehlen zwar Richtiges, nämlich keine weiteren Straßen zu bauen, auch nicht Südtangente oder Ennertaufstieg. Sie empfehlen aber auch Unmögliches, nämlich auf die Ansiedlung von Pendlern zu verzichten.

Keine Pendler ansiedeln?

Neu hinzugezogene Pendler*Innen hätten wenig von ihrem Wohnort, sie kämen kaum zur Arbeit. Auch die bereits vorhandene Bevölkerung wäre stark betroffen– als Pendler*Innen und als Anwohner*Innen der schon jetzt ganztags dicht befahrenen Straßen. Der Verkehrskollaps droht laut Gutachtern in den engen Ortsdurchfahrten von Niederholtorf, Holzlar, Vinxel und Stieldorf. Betroffen wären auch Pützchens Chaussee, Königswinterer Straße und Landgrabenweg, und der entsprechende Busverkehr. Die Seilbahn wäre keine Lösung: Einer möglichen Verlängerung der geplanten Bonner Seilbahn in die Beueler Höhenorte hat ein neues Bonner Gutachten ein zu schlechtes Nutzen-Kosten-Verhältnis attestiert.

Herbeigerechneter Flächenbedarf

Ganz und gar unangemessen ist die Königswinterer Berechnungsweise für die nötigen Flächen: Nur Neubau zählt. Möglichkeiten durch Umnutzung und Nachverdichtung, die andere Kommunen fördern, werden gar nicht erst berücksichtigt! Die Begründung „Man kann sie nicht verlässlich beziffern“ ist fadenscheinig, denn sie gilt für jede andere der Prognosen genauso, die aber dennoch genutzt werden.
Dass der Neubau im Bestand zunehmen könnte, vor allem bei hohem Sanierungsbedarf und wenn Bauland knapp und teuer ist, das wird völlig ignoriert.
Existierende Bebauungspläne und Baulücken berücksichtigt der Fachbeitrag nur zu einem kleinen Teil: Der Risikoabschlag ist mit 40-50 Prozent etwa doppelt so hoch wie es die Regionalplanungsbehörde als Planungspauschale zur Abdeckung genau derselben bauleitplanerischer Risiken für die Bedarfsermittlung eingerechnet hat.

Flächensparen geht anders

Da die vorhandenen Möglichkeiten zu wenig berücksichtigt werden, ist als Differenz der angeblich ungedeckte Bedarf nach neuen Flächen umso größer. Wenn man bei der Vorgabe des Regionalplans nach 2.850 Wohneinheiten bis 2042 bleiben und den offiziellen Risikoabschlag anwenden würde, müssten nach dem neuen in der Region entwickelten NEILA Dichtekonzept die vorhandenen Reserven eigentlich ausreichen und man könnte auf die vorgeschlagenen 26 Hektar in Königswinter gänzlich verzichten!
Aber es kommt noch schlimmer: Königswinter droht mit einem noch höheren Wachstumsziel von 3.348 Wohneinheiten. Es speist sich aus einer Studie für die Landesregierung des Planungsbüros GEWOS. Deren Maximalszenario beruht auf den aus Zentren in billigere Regionen Abwandernden. Die eigenen Königswinterer Daten über Wanderbewegungen belegen jedoch, dass Königswinter eben gerade nicht als bezahlbarer Wohnstandort Zuzug generiert. Dennoch könnte die neue Zielsetzung für den Flächennutzungsplan weitere 10 bis 20 Hektar Wohnbauflächen bedeuten – zulasten der Natur.

Weg mit der Natur?

Gerade die Natur ist aber – wie alle politischen Richtungen betonen – die Stärke von Königswinter. Es gibt davon mehr als anderswo. Sie wird in Form von Einfamilienhäusern im Grünen hoch bepreist, und von Naherholungssuchenden geschätzt, aber von der Lokalpolitik nicht geschützt. Die Landschaft, mit Ausnahme der Wälder, steht nicht unter strengem Naturschutz, sondern unter Landschaftsschutz, der aufgehoben werden kann. In den nächsten 10-20 Jahren würde der größte Teil des Pleiser Ländchens nordwestlich von Stieldorf und Vinxel versiegelt, wenn es nach dem Entwurf für den Königswinterer Flächennutzungsplan geht.
Wie gering der Stadtrat die Natur schätzt, zeigt die Baulandentwicklung im Quellgebiet des Vinxeler Düfenbachs. Es liegt in der 800 Jahre alten Ortsmitte und wurde aus guten Gründen bisher nicht bebaut. Allerdings hat die Flurbereinigung in den 1970er Jahren den Bachlauf begradigt, die Böden verdichtet und damit Flora und Fauna der Feuchtwiesen auf wenige Hundert Quadratmeter zurückgedrängt. Innenentwicklung um jeden Preis, ist die Devise. Auf den Klimaschutz, den die Feuchtwiese bieten könnte, kann anscheinend verzichtet werden.

Der Protest wächst

Die Kritik, die ca. 400 EinwohnerInnen vor allem aus Stieldorf und dem benachbarten Vinxel schon 2017 am Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) vorgebracht hatten, würden durch einen solchen Flächennutzungsplan noch weiter verstärkt. Die Petition „STOP Riesen-Siedlungen im Naturpark“ läuft mit dem verlängerten Regionalplanverfahren weiter. Sie wendet sich an die Kölner Bezirksregierung als Regionalplanungsbehörde, und an die Stadträte von Königswinter und Bonn.


STOP- Riesen- Siedlungen im Naturpark

Alle, nicht nur Menschen aus Königswinter, können hier unterschreiben:
www.ennertaufstieg.de

Jede/ r kann online oder auf Papier Unterschriften sammeln.
Ohne Eintrag als Siedlungsbereich im Regionalplan dürfen keine Bebauungspläne aufgestellt werden. Deswegen wendet sich unsere Unterschriftenaktion „STOP Riesen-Siedlungen im Naturpark“ gegen die Einträge in den Regionalplan. So kann das Versiegeln des Naturparks Siebengebirge langfristig besonders wirksam verhindert werden.

Faktenchecks unter:

www.ennertaufstieg.de .


 

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Beitrag teilen

Verbreite diesen Beitrag!