Was aus dem Atommüll wird – 3

1. März 2018 | Endlagersuche, Susanna Allmis-Hiergeist | 0 Kommentare

Eine ziemlich unendliche Geschichte (3)

Nachdem die ersten beiden Teile unserer Serie versucht haben, die komplizierte Organisation und die vorgesehenen Prozessschritte der Endlagersuche für Atommüll zu verstehen, geht es in diesem dritten Beitrag um das brisante Thema der Finanzierung.


Susanna Allmis – Hiergeist


Rund 24 Mrd. EURO stehen aus den Rückstellungen der AKW-Betreiber zur Verfügung – aber nicht dem Umweltministerium direkt oder der für die operative Durchführung der Standortsuche verantwortlichen Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), sondern einer Fondsgesellschaft, die über ein Kuratorium mit Vorsitz des Wirtschaftsministeriums geführt wird. Das muss man sich näher ansehen.

Zur Erinnerung: Der Phasenplan für die Endlagersuche gliedert sich in mehrere Untersuchungsschritte, die den optimalen Standort skzessive herausfiltern sollen. Das Identifizieren von No-Go-Bereichen, übertägige Erkundung, untertägige Erkundung, Standortentscheidung in 2031, Beginn der Verfüllung in 2050 – alle diese Stichworte sind schon gefallen. Die rund 24 Mrd. aus dem Entsorgungsfond nebst der erwirtschafteten Rendite sollen die kalkulierten Kosten für die gesamte Prozesskette decken. Wie wird nun der Geldfluss zwischen dem Fonds und dem konkreten Bauprojekt gesteuert?

Fehlender Zeitplan?

Ein verantwortlicher Projektmanager würde normalerweise damit beginnen, das mühsam ausgehandelte Gesamtbudget für sein Projekt in relativ sicher kalkulierbare kurzfristige Mittel, einen mehrere Jahre abdeckenden Mittelfristplan und den die späten Projektphasen abdeckenden langfristigen Kapitalbedarf zu gliedern. Dies würde der Fondsgesellschaft einen Rahmen für ihre Anlagestrategie und die Planung ihrer Liquidität setzen. Deshalb zuerst die Frage an das Umweltministerium, wann denn erstmals größere Mengen Geldes für die verschiedenen Erkundungsphasen in die Hand genommen werden müssen. Antwort des Ministeriums:

„Der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) obliegt als Vorhabenträger die Durchführung des Standortauswahlverfahrens. Der konkrete Zeitplan orientiert sich dadurch primär an den Planungen der BGE. Ein belastbarer Zeitplan der BGE für die Vorlage eines Berichts mit dem Vorschlag für die übertägige Erkundung (Phase 2) liegt derzeit noch nicht vor“ – geschweige denn für die folgenden Phasen, möchte man ergänzen. Die Datenrückmeldungen der geologischen Ämter, Bergämter und Wasserämter seien zu uneinheitlich. Auch die innerhalb der BGE zuständige Abteilung bestehe bisher nur aus einem kommissarischen Leiter und 12 weiteren Mitarbeitern, die neben ihren eigentlichen Aufgaben in der BGE an der Standortauswahl mitarbeiten.

Wie soll also die Fondsgesellschaft einen Plan für die Kapitallieferungen an das Projekt aufstellen? Ich erfahre, dass die Frage sich in der Form nicht stellt, weil die BGE aus dem Bundeshaushalt finanziert wird und gar keine direkten Geschäftsbeziehungen zur Fondgesellschaft unterhält. Im Entsorgungsfondsgesetz ist zwar geregelt, dass der Bund den Fonds drei Monate vor Beginn eines Kalenderjahres über die für die kommenden drei Jahre geplanten Entsorgungsmaßnahmen inklusive deren Kosten unterrichten muss, aber bei derartig unsicheren Zeitplänen bleiben solche Mitteilungen vermutlich sehr im Vagen.

Nachhaltige Anlagestrategie?

Aus Sicht der Fondgesellschaft ist die unklare zeitliche Situation vielleicht sogar eher wünschenswert, da der Bund ohnehin erstmal mit der Finanzierung in Vorlage geht und ein weniger enges zeitliches Korsett ihren Spielraum bei der Anlagestrategie erhöht. Immerhin gilt es gemäß Entsorgungsfondsgesetz 4,58% Rendite zu erwirtschaften.
Als von Niedrigzinsen gebeutelter Kleinsparer wäre man schon neugierig, wie sich das machen läßt.

Im Entsorgungsfondsgesetz sind keine Vorgaben zu finden, nach welchen Kriterien das Fondskapital angelegt werden soll. Anja Mikus, die Vorstandsvorsitzende der Fondsgesellschaft, hat sich bei öffentlichen Auftritten zu einer nachhaltigen Anlagestrategie bekannt. Konkret handelt es sich dabei um sogenannte ESG-basierte Strategien (Environmental, Social and Governance), die in ihrem Investitionskonzept u.a. Faktoren wie Umweltschutz, Sozialstandards, gute Unternehmensführung und Vermeidung von Korruption berücksichtigen. Hört sich erstmal gut an. Aber: da das Kapital des Fonds zur Risikominimierung breit gestreut werden soll, werden nur die summarisch schlechtesten der jeweiligen Branche aussortiert. Aktien von Firmen wie EXXON, dem japanischen AKW-Betreiber Tepco und letzlich auch der deutschen AKW-Betreiber wie RWE könnten bei sonst guter Benotung leicht wieder ins Portfolio des Fonds gelangen.

Ein echter Coup für die Kraftwerker: Der so entstehende zusätzliche Rückenwind für ihre Aktien wäre sozusagen ein Sahnehäubchen auf das ohnehin fette Geschenk der endlagermäßigen Komplettenthaftung mit Einzahlung in den Fonds. Aber zugegebenermaßen sind das Spekulationen; die an den Fonds diesbezüglich gestellten Fragen blieben bisher unbeantwortet. Ebenso die Frage, ob die 24 Mrd. Fondseinlagen immer noch bei der KfW zwischengelagert sind, derzeit für einen 6-stelligen EURO-Betrag Strafzinsen pro Tag.

Richtig aufgestellt?

Die viel grundlegendere Fragestellung scheint mir jedoch zu sein, ob ein für die Umwelt und nachfolgende Generationen entscheidendes Projekt wirklich durch ein solch unübersichtliches Geflecht aus verschiedenen beteiligten Ministerien und nachgeordneten Ämtern und Gesellschaften effektiv gesteuert werden kann. Verfolgt man die ersten zähen Schritte, drängt sich der Eindruck auf, dass dies nicht der Fall ist. Eine künftige Bundesregierung sollte daher die Mammutaufgabe Endlagerung mit einer ressortübergreifenden straffen Projektorganisation zur Chefsache machen – damit eine ziemlich unendliche Geschichte überschaubar in einem tragfähigen Bergwerk endet.

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