Was kann die Lebensmittelampel?

Auf einen Blick erfassen, was drin ist im morgendlichen Müsli? Seit Anfang des Jahres ist das möglich: Deutschland folgt Frankreich und anderen Vorbildern wie Belgien, Spanien, Portugal, Schweiz und Luxemburg und führt das Bewertungssystem Nutri-Score ein – auf freiwilliger Basis.

Kathrin Schlüßler

Die Angaben von Energiegehalt und Nährwerten wie Fett, Zucker, Salz und Co. sind schon länger für nahezu alle Lebensmittel europaweit verpflichtend. Aber ist das jetzt viel oder wenig? Ob ein Produkt eine vergleichsweise hohe oder geringe Menge dieser Stoffe enthält oder ob es insgesamt eine günstige Zusammensetzung aufweist, ist nicht auf einen Blick erkennbar. Ein Label wie der Nutri-Score in den Farben der Ampel kann das Problem lösen.

Entsprechend den Ergebnissen einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit mehr als 1600 Teilnehmenden hat der Nutri-Score bei den Verbrauchenden dabei deutlich als bestes von vier Modellen abgeschnitten.

Orientierung auf einen Blick

Wie funktioniert das Bewertungssystem? Verschiedenen Nährwerten eines Lebensmittels werden Punkte gegeben. Dabei beziehen sich diese Angaben auf 100 Gramm bzw. 100 Milliliter bei Getränken und Suppen. Die Menge günstiger und ungünstiger Inhaltsstoffe wird ermittelt und miteinander verrechnet. Ungünstig wirken sich Energiegehalt, Zucker, gesättigte Fettsäuren und Natrium aus – sie erhalten jeweils Punkte von null bis zehn. Günstig dagegen wirken Proteine, Ballaststoffe und der Anteil an Obst, Gemüse und Nüsse – sie werden mit Punkten von null bis fünf bewertet.

Nach Verrechnung ungünstiger und günstiger Nährwerte ergibt sich eine Gesamtpunktzahl zwischen −15 und +40. Diese wird dann einer Stufe innerhalb des Nutri-Score-Systems zugeordnet. Die Palette reicht von „A“ (grün) bis „E“ (rot). Je niedriger der Nutri-Score, desto höher ist die Nährwertqualität eines Lebensmittels.

Der Nutri-Score eignet sich besonders für komplex zusammengesetzte und stark verarbeitete Lebensmittel.

Das kann er

Die Ergebnisse der Studie des BMEL belegen, dass der Nutri-Score intuitiv eindeutig und leicht verständlich ist. Er bietet eine schnelle Orientierung auf einen Blick, denn er wird auf die Vorderseite der Lebensmittel-Verpackungen gedruckt. Wer sich genauer informieren will, kann zusätzlich die detaillierteren Nährwert-Tabellen auf der Verpackung oder das Zutatenverzeichnis zu Rate ziehen. Beide Angaben sind Pflicht und finden sich meist auf der Rückseite.

Mit ihm lassen sich verschiedene Produkte leicht vergleichen, denn er bezieht sich auf 100 Gramm bzw. 100 Milliliter eines Lebensmittels. Außerdem kann der Nutri-Score dazu beitragen, dass Hersteller ihre Rezepte verändern und auf günstigere Nährwerte setzen.

Das kann er nicht

Der Nutri-Score stellt Nährstoffe nicht einzeln dar. Inhaltsstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und ungesättigte Fettsäuren werden nicht berücksichtigt. Nun handelt es sich jedoch um ein vereinfachtes Label, das auf einen Blick durchschaubar sein soll, sodass nicht alle Faktoren berücksichtigt werden können.

Bei Produkten aus nur einer Zutat wie Olivenöl oder Fruchtsaft, ist der Nutri-Score nicht in jedem Fall sinnvoll. Wie bei jedem System, das verschiedene Einflüsse in einer Gesamtwertung zusammenfasst, gilt: Schlechte Werte in manchen Bereichen lassen sich durch gute Werte in anderen ausgleichen. Ein Produkt mit gutem Nutri-Score muss nicht bei jedem einzelnen Inhaltsstoff gut abschneiden.

Einen klaren Nachteil sehen Verbraucherzentralen beim Labeling alkoholischer Getränke, für die der Nutri-Score nicht anwendbar ist. Dabei wäre eine entsprechende Kennzeichnung auch hier wichtig, denn sie enthalten oft besonders viel Energie und sind damit potenzielle Dickmacher.

Hersteller können tricksen

Ein weiterer Minuspunkt: Zwar müssen sich die Angaben auf 100 Gramm oder 100 Milliliter des jeweiligen Lebensmittels beziehen – trotzdem können die Hersteller zusätzliche Angaben pro Portion machen.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warnt davor, dass Hersteller trotz Regelungen durch freiwillige Portionsangaben tricksen können: „Kleine, oft unrealistische Portionsgrößen wie ein Drittel einer Pizza verzerren das Bild. Außerdem können zum Beispiel Frühstücks-

cerealien, die sich in der Aufmachung speziell an Kinder richten, pro Portion (40 Gramm) ganze zehn Gramm Zucker enthalten. Für Erwachsene ergibt das zwar nur elf Prozent der Tageszufuhr – was dann als Wert auf der Verpackung steht. Doch kleine Kinder decken mit der Zuckermenge bereits ein Drittel ab.“

Konsument*innen auch weiterhin in der Pflicht

Eines ist klar: Es braucht ein einheitliches, europaweites System, das für alle Hersteller verpflichtend ist. Sonst droht ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Darstellungen und Logos, die beim Einkauf kaum helfen, Zusammensetzungen und Inhaltsstoffe leicht zu bewerten und Produkte miteinander zu vergleichen.

Und solange keine einheitliche Regelung existiert, müssen Verbrauchende sich weiterhin auf eigene Faust informieren. Zudem kann der Nutri-Score ein grundlegendes Wissen über gesundheitlichen Wert von einzelnen Lebensmittelbestandteilen nicht ersetzen. Ein Beispiel: Walnusskerne, die u. a. reich an Vitamin E, B, Kalium, Zink und ungesättigten Fettsäuren sind, erreichen im Nutri-Score lediglich ein „D“ – also die zweitschlechteste Stufe.

Beim Informieren hilft zum Beispiel die Community-Datenbank Open Food Facts, mit deren App man sich den Nutri-Score vieler Lebensmittel anzeigen lassen kann.

Infos unter: www.openfoodfacts.org

Erschienen in der Ausgabe März/April 2020

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