Umbau hat weiter Konjunktur
Einigen Fachleuten der Wohnungswirtschaft zufolge ist Bauen im Bestand der eine Bereich, wo in der Baubranche noch Konjunktur herrscht. Mehr Umbauaktivität könnte mehr Menschen dabei helfen, energetisch saniert, kleiner und bezahlbarer zu wohnen, und teilweise auch seniorengerecht. Durch Beratung, die diese Ziele abdeckt, lässt sich die Anzahl neuer Wohnungen, die im Bestand entstehen, deutlich steigern, siehe BUZ Januar/Februar.
Susanne Gura
Die Medien sind voll von alarmierenden Berichten über die Krise im Wohnungsbau und den Forderungen der Immobilienlobby nach mehr Bauland, mehr Förderung und weniger Vorschriften. Dass von der Krise aber nur der Neubau, nicht das Bauen im Bestand berührt ist, erfährt man selten, und noch weniger, warum das so ist und was die berühmten Chancen in der Krise sein können. Das Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft hat für Bauen im Bestand auf 135 Seiten kaum zwei Sätze und keine Daten. Das Statistische Bundesamt erhebt Daten für Neubau und Bauen im Bestand getrennt, und demnach sind laut DIW die Bautätigkeit im Neubau seit der Zinssteigerung 2022 deutlich gesunken und bei Bestandsgebäuden deutlich angestiegen.
Privatleute sind Hauptakteure

Hier entsteht ein barrierefreies Bad in einer neuen Wohnungdurch Teilung und Ausbau eines Einfamilienhauses.
Foto: LRBS
Fast drei Viertel der 80 Milliarden Euro, die 2024 für Wohnungsbau ausgegeben wurden, gingen 2024 in den Bestand. Das DIW gibt an, dass Umbauen wirtschaftlicher sei als Neubauen. Einer aktuellen Umfrage („Immobilien-Konjunkturtrends 2025“) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zufolge sehen Fachleute entgegen der schwachen Lage der Bauwirtschaft Konjunkturchancen bei energetischen Sanierungsvorhaben im Bestand. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass beim Neubau inzwischen Unternehmen, nicht mehr Privatleute die größten Akteure sind. Beim Umbauen sind Privatleute vorherrschend geblieben, wie noch vor einem Jahrzehnt im Neubau. Deren politische Vertretung, der Verband Wohneigentum, wird von den Medien offenbar kaum wahrgenommen. Das Positionspapier „Wohnraum im Bestand mobilisieren – EigentümerInnen unterstützen“ hat allerdings prominente Mitzeichner, wie z.B die Diakonie Deutschland und der Bund deutscher Architekten und Architektinnen.
Neue Wohnungen durch Umbau
Immerhin entsteht schon seit Jahrzehnten jede siebte bis zehnte neue Wohnung durch Umbau von Wohngebäuden. Für Investoren, die Gewerbegebäude zu Wohnungen umbauen wollen, gibt es mehrere Förderprogramme von KfW und BAFA, bei denen die energetische Sanierung im Vordergrund steht. Privatleute können ebenfalls Förderprogramme zur energetischen Sanierung in Anspruch nehmen und sich beraten lassen, allerdings fehlt eine Beratung und Förderung zur Teilung und Umbau, um die Anzahl Wohnungen zu vergrößern. Bei einem Pilotprojekt in Baden-Württemberg führte jeder zehnte Beratungsfall zum sofortigen Umbau; ein Drittel der Beratenen wollten dies später tun. Bei den übrigen gab es Hindernisse wie Bebauungspläne oder fehlende Finanzierung. Inzwischen wird die Beratung mit 400 € pro Fall in ganzen Bundesland gefördert. Es wird geschätzt, dass bundesweit jährlich 50.000 neue Wohnungen entstehen könnten. Ebenso fördert das Land Baden-Württemberg so genannte Wiedervermietungsprämien, um Leerstand zu aktivieren, teils mit Sanierungszuschüssen. Das Ergebnis, zu unschlagbar geringen Kosten innerhalb von sechs Jahren neue bezahlbare Wohnungen für ca 1,5 Prozent der Bevölkerung, kann sich sehen lassen (siehe BUZ Jan/Feb 2025)
Barrierefrei umbauen
Barrierefrei muss viel häufiger gebaut werden, denn es gibt schon lange zu wenig und der Bedarf wird massiv steigen. Studien des Pestel Instituts zufolge benötigen bereits heute rund 2,8 Millionen Haushalte, in denen Senioren leben, altersgerechte Wohnungen. Das Pestel Institut, ein privater Forschungsdienstleister, rechnet mit zirka 23 Prozent mobilitätseingeschränkter SeniorInnen. Aber nur etwa 0,6 Millionen dieser Haushalte haben eine Wohnung, die für Rollator bzw. Rollstuhl geeignet ist. Damit herrscht ein massiver Mangel an Seniorenwohnungen: Rund 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen fehlen aktuell. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge 1959-69, die so genannten Babyboomer, hochbetagt sind, wird die Anzahl mobilitätseingeschränkter Menschen um noch weitere 3,6 Millionen höher liegen.
Die Eigenbeiträge zu den Pflegekosten sind inzwischen höher als viele Renten, der Staat muss einspringen. Eine barrierefreie Wohnung würde Vielen einige Jahre länger ein selbständiges Leben ermöglichen. Wenn die barrierefreie Wohnung die stationäre Pflege nur um knapp zwei Jahre verschiebt, wäre sie bereits „gesellschaftlich wirtschaftlich“. Dies hat 2018 das Pestel Institut im Auftrag des Bundesverbands Baustofffachhandel ausgerechnet (Wohnen der Altersgruppe 65plus, Hannover 2018). Bis vor wenigen Jahren gab es Zuschüsse der KfW für Barrierefreiheit, inzwischen nur noch Darlehen.
Mehrzweck-Umbau
Die Umbau-Ziele energetische Sanierung mit Barrierefreiheit und, wo möglich, einer Teilung von Wohnraum bzw. Schaffung von weiteren Wohnungen im Bestand zu verbinden, liegt auf der Hand. Wer eine geringe Rente hat, wird sich gern kleiner setzen, um Wohnkosten zu sparen, und denkt dabei nicht nur ans Energie sparen, sondern auch an die vermeidbaren Pflegekosten. Die staatliche Förderung sollte alle drei Tatbestände umfassen, weil damit gleichzeitig mehr Wohnungen, mehr Energieeffizienz und geringere Pflegekosten erzielt werden können.
Anforderungen an die energetische Sanierung muss es dabei geben, aber warum nicht erleichtert, wenn eine zusätzliche Wohnung dabei herausspringt? Wer Barrierefreiheit für eine der Wohnungen einplant, sollte einen Bonus bekommen. Für die Bestandssanierung auch ohne zusätzliche Wohnung sollte dass Standard-Effizienzhaus 85 ausreichen, lautet ein Vorschlag der Bundesstiftung Baukultur. Die neue Wortschöpfung „Emissionseffizienz“ der Lobby der Immobilienverbände anstelle von „Energieeffizienz“ würde den Energieverbrauchern schaden, weil sie zum Heizen zwar Erneuerbare, aber davon viel verbrauchen müssen.
Die Bezahlbarkeit von Umbau ergibt sich vielleicht schon daraus, dass trotz finanzieller Widrigkeiten, die seit 2022 den Neubau treffen, der Umbau des Bestands dennoch floriert. Man darf auf die Gründe gespannt sein, die hoffentlich bald bekannt werden. Die aktuelle Krise des Neubaus könnte der Schaffung von Wohnungen durch Teilung und Umbau endlich zur verdienten Chance verhelfen.
Regionale Chancen
Umgebaut wurden in Bonn im Durchschnitt der letzten drei Jahre ähnlich viele Wohnungen (713 Wohnungen) wie neu gebaut (832 Wohnungen). Die Anzahl neuer Wohnungen, die durch Umbau von Wohngebäuden entstanden sind, liegt im Durchschnitt der letzten drei Jahre relativ hoch bei 16 Prozent aller neuen Wohnungen (Stadt Bonn Baustatistik 2024).
Die Wohnberatung des AWO-Kreisverband Bonn-Rhein/Sieg ist die einzige in der Region und berät auch zur Barrierefreiheit. Die Bonner Verbraucherzentrale berät zur energetischen Sanierung. Es fehlt eine Umbauberatung wie in Baden-Württemberg, die interessierten
BürgerInnen bei den ersten Schritten hilft.
Bedarf an altersgerechten Wohnungen in Bonn und dem Rhein/Sieg-Kreis
…………………………………………………………………………………….. Bonn RSK
- Anzahl Haushalte insgesamt 168.000 279.000
- Anteil SeniorInnen 27% 35%
Bedarf barrierefreier Wohnungen
- Bedarf 2025 10.400 22.500
- Bedarf bis 2045 14.400 33.300
Quelle: Pestel Institut 2025, zit. nach General Anzeiger 28.3.25 (RSK) und Kabinett online (Bonn)

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Quellen und Lesehinweise
• Bundesstiftung Baukultur: Baukulturbericht 2024/25
• Wohnraum im Bestand mobilisieren – EigentümerInnen unterstützen. Position des Verbands Wohneigentum, der Grünen Liga und Architects for Future, unterstützt u.a. von Diakonie Deutschland, Bund Deutscher Architektinnen und Architekten, Oktober 2024
• Kann Bauland bald weg? Bauen im Bestand hat Geschichte und Zukunft. BUZ März/April 2023
• Wohnraumoffensiven, die funktionieren. Kommunen beraten bei Teilung und Umbau. BUZ Jan/Feb 2025
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