Aktuell erleben wir, wie einzelne Städte und Ortschaften vor der Herausforderung stehen, einen Wiederaufbau oder sogar Neuanfang zu gestalten. Die Überschwemmungen in den betroffenen Orten in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz verdeutlichen, wie gravierend die Folgen von extremen Wetterereignissen sein können. Resilienz könnte hier im engeren Sinne bedeuten, „zurück auf Los“. Aber vielen Betroffenen wird deutlich, wenn sich nichts Strukturelles ändert, dann ist „nach der Flut“ auch „vor der Flut“. Doch Resilienz erweist sich nicht nur in den Reaktionen auf Katastrophen.
Resilienz wird häufig in der menschlichen Fähigkeit, Schicksalsschläge zu verkraften, gesehen. Der Konkurs der eigenen Firma oder die unverschuldete Arbeitslosigkeit, eine schwere Krankheit oder der Abschied von einem lieben Mitmenschen, der Verlust von Wohnung und Heimat – all das sind zutiefst Momente der Verzweiflung und zugleich harte Probe auf Resilienz.
Doch auch jenseits von privaten Schicksalsschlägen gibt es Ereignisse, die uns zwar persönlich betreffen, die aber in einem größeren Zusammenhang gesehen werden müssen. Städte sind ein komplexes Gebilde. Die urbane Lebensweise baut auf sehr sensiblen, zum Teil kritischen Strukturen auf. Die gebaute Umwelt suggeriert eine Stabilität, die allzu häufig überschätzt wird. Die zunehmende Automatisierung vieler Lebens- und Arbeitsbereiche, der Einfluss von elektronischen Systemen in unserem Alltag, die unsichtbare Macht von Algorithmen ist erschreckend. Doch der Schreck setzt erst ein, wenn es zum Ausfall kommt. Wenn einzelne Teilsysteme blockiert sind, kann das angesichts vielfältiger Vernetzung sogar zum „multiplen Organversagen“ führen. Nehmen wir nur allein das Beispiel „Stromversorgung“ als Teil der „kritischen Infrastruktur“.
Elektrizität – ein schwerer Fall für Resilienz
Wir erinnern uns: Von der Schiffswerft Meyer in Papenburg fuhr im November 2006 ein neu fertiggestelltes Megaschiff gegen ein Hochspannungsleitung; Folge: Blackout – nicht nur in Papenburg, nicht nur in Niedersachsen, nein – in weiten Teilen der Republik, sogar im benachbarten Ausland. Die gepriesene Vernetzung auf nationaler und internationaler Ebene erwies sich als fatal. Überhaupt: Elektrizität ist eine zentrale Grundlage urbanen Lebens. Deklinieren wir mal die Abhängigkeit von Elektrizität nur für Privathaushalte durch und klären die Chancen für Resilienz.
Kein Strom – kein Trinkwasser
Was hat Wasser mit Strom zu tun? Die Wasserwerke benötigen Strom zur Qualitätssicherung und für den Transport über die Kilometer langen Leitungen.
Resilienz: Wasser in Flaschen bevorraten. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfiehlt für zwei Wochen Wasserreserven.
Kein Strom – keine Heizung
Nicht etwa nur, wer mit Elektrizität heizt, sondern auch wer mit Gas oder Öl heizt, braucht zur elektronischen Steuerung der Heizungsanlage Strom. Sonst bleibt es kalt.
Resilienz: Eigenheimer*innen könnten Notstromaggregate vorhalten. Mieter*innen müssen sich warm anziehen. Besser sind alle dran, die Solarenergie nutzen.
Kein Strom – keine Lebensmittel
Schlimmer als die erlebten Beschränkungen in der Pandemie wirkt sich ein systembedingter Stromausfall in den Läden aus. Die Kassen in den Supermärkten funktionieren nicht mehr. Tiefkühlware verdirbt in den warmen Kühlschränken.
Resilienz: Vorräte anlegen. Das BBK hat eine Liste für wesentliche Vorräte als Handreichung veröffentlicht. Gut sind diejenigen dran, die einen eigenen Garten haben, wohlgemerkt: Obst- und Gemüsegarten, nicht Ziergarten. Da lohnt sich ein Umdenken.
Kein Strom – keine Information
Wir sind als „moderne Menschen“ so sehr an das Internet gewöhnt, dass ein Leben ohne gar nicht möglich erscheint. Aber die Provider und die Sendemasten fallen bei Stromausfall aus. Auch Mobiltelefone halten nur solange wie der Akku reicht und die Provider noch senden.
Resilienz: Es gibt die nostalgisch erscheinende Erfindung der Kurbelradios mit Dynamo. Das reicht, um Nachrichten der Rundfunksender zu empfangen, solange die noch senden.
Ansonsten bleiben nur mobile Lautsprecherdurchsagen und Nachbarschaftshilfe.
Kein Strom – kein Tanken
Für viele ist dieses Szenario nicht vorstellbar. Die Älteren erinnern sich an autofreie Sonntage im Jahr 1973, wegen der Ölpreiskrise. Optimisten glauben, keinen Strom zum Autofahren zu brauchen. Erst an der Tankstelle werden sie eines Besseren belehrt. Bahnen bleiben im Depot bzw. auf freier Strecke stehen. E-Mobilität geht dann auch nur mit eigenem Solarstrom.
Resilienz: Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen. Zuhause bleiben.
Diese ernüchternde Aufzählung bezieht sich nur auf Ausfälle der kritischen Infrastruktur. Solche können durch technische Defekte, extreme Wetterereignisse oder terroristische Anschläge verursacht werden. Aber es gibt auch Situationen, die nicht plötzlich kommen, mitunter sogar mit Ansage. In solchen Fälle gibt es die Chance, gezielt Resilienz zu stärken.
Das Beispiel Bonn
Die Stadt Bonn ist ein gutes Beispiel für resiliente Stärke. Im Schicksalsjahr 1991, das Jahr des Bundestags-Beschlusses für den Umzug der Bundeshauptstadt von Bonn nach Berlin, gingen Pessimisten von der Annahme aus, dass Bonn vor dem Niedergang stand. Es zogen nicht nur die Ministerien um, sondern auch die Botschaften und die vielen ortsansässigen Verbände. Die Furcht war groß, aber noch größer waren die Zuversicht der Bürger*innen und das Verhandlungsgeschick Bonner Politiker*innen. Bonn hat sich in diesem Fall als resilient erwiesen. Bonn hat keinen Schaden genommen, sogar viel gewonnen. Bonn wurde UN-Stadt und blieb Bundesstadt. Bonn gehört sogar zu der Liga der Wachstumsstädte in Deutschland. Doch auch dieses Wachstum zu Lasten der natürlichen Lebensgrundlagen verlangt nach einer Resilienzstrategie. Möge sie gelingen. Kann Leben in der Stadt resilient sein? Kann Leben in der Stadt resilient sein?
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