Verkehrswende verhilft Bonn zur Klimaneutraliät

29. Juli 2020 | Ökologie, Jürgen Huber, Politik | 0 Kommentare

Den Klimanotstand begriffen?

Ein Kommentar zur Chronologie der verkehrspolitischen Entscheidungen in Bonn

Jürgen Huber

Am 28. Mai des Jahres 2019 verhandelte der Bürgerausschuss der Stadt Bonn in seiner Sitzung den Bürgerantrag von Fridays for Future Bonn, Parents for Future Bonn und der Klimawache Bonn. Der Antrag forderte die Ausrufung des Klimanotstandes in Bonn. Eine eindrucksvolle Demonstration vor dem Rathaus und eine imposante Zahl von 250 Zuschauer*innen zeigten den Ratsfraktionen den Ernst der Lage.

Sämtliche Besucherplätze des Sitzungssaals waren innerhalb kürzester Zeit belegt. Ein großer Teil musste sich mit dem Flur vor dem Sitzungssaal begnügen, konnte dort aber – über Außenlautsprecher – akustisch die Sitzung verfolgen. (Quelle: Klimawache Bonn) Der Antrag wurde einstimmig bei Enthaltung (Allianz für Bonn) und Nichtteilnahme FDP in den Rat verwiesen. (Quelle: BORIS Bonn)

4. Juli 2019

Der Rat rief einstimmig den Klimanotstand für Bonn aus. Es vermittelt den Eindruck: das geschah nicht etwa aus einer Initiative der Ratsmehrheit heraus, sondern auf Druck der oben genannten Initiativen!

Oberbürgermeister Ashok Sridharan sagte: „Die Ausrufung des Klimanotstands für Bonn ist ein symbolischer Akt in diesem Sinn, dem jetzt Taten folgen müssen“. Die folgende Dokumentation listet die künftigen Taten zur Verkehrswende auf:

Noch in der gleichen Sitzung wird eine Umweltspur auf der Kaiserstraße entgegen den Empfehlungen der Verwaltung und der Ausschüsse nicht in Richtung Innenstadt, sondern stadtauswärts beschlossen. Auf dieser Umweltspur sind nur Fahrräder, Busse und Taxen erlaubt. Argument von Oberbürgermeister Ashok Sridharan: „Ein Bypass für die Adenauerallee ist notwendig“.

Der von den GRÜNEN eingeforderte Kompromiss, die Kaiserstraße ab der Nassestraße zu sperren und die Umleitung durch ein Wohngebiet zu führen, erhitzte die Gemüter der Anlieger*innen sehr. Begründung der GRÜNEN: „Die Benutzung der Kaiserstraße wird durch die Umleitung für den Autoverkehr unattraktiv.“

2. September 2019

Die SPD stellte einen Antrag mit verschiedenen Vorschlägen zur Klimaneutralität in Bonn. Zeitnah stellte sie einen Antrag auf Erstellung eines Leitfadens zum Thema.

Auszug aus dem verkehrspolitischen Teil des Antrags:„Die Anstrengungen für ein an ökologischen Zielen orientiertes Mobilitätsmanagement sind zu verstärken. Wo immer möglich, ist der benzingetriebene Individualverkehr zu verringern. Das Umsteigen in den ÖPNV ist zu beschleunigen. Bis zum Zeitpunkt der Klimaneutralität wird die Verwaltung beauftragt, eine Kompensation von Treibhausgasen durchzuführen. Hierbei sollen alle Emissionen der Verwaltung Berücksichtigung finden; unter anderem deren gesamte Fahrzeugflotte, die der Stadtwerke Bonn und Bonn Orange.“

20. September 2019

In einer öffentlichen Podiumsdiskussion zum City Ring sprach sich ein Vertreter der FDP für den City Ring, und dadurch bedingt, eine für die Autofahrer*innen attraktive Innenstadt aus. Im Gegensatz dazu bekannte sich ein Abgeordneter der LINKEN für eine autofreie Innenstadt, auch durch den gekappten City Ring und eine Entfernung der Parkplätze. Die GRÜNEN versuchten ihre Idee der „Grünen Schleife“ über die Nassestraße zu rechtfertigen. Der Sprecher der SPD bemängelte den Umgang mit den Bürger*innen, denn diese wurden hier nicht beteiligt! Der Redner des BBB stellte fest, dass die Koalition wackle. Die City müsse erreichbar bleiben. Straßensperrungen seien unsinnig. Weil die CDU seit vielen Jahren für die Erreichung der Klimaziele sei, müsse der City Ring bleiben, so die Vetreterin der CDU. Für die Kaiserstraße sei die beste Lösung gefunden worden. Es sei eine Illusion, den Autoverkehr kurzfristig zu unterbinden.

Die gleiche CDU Ratsfrau bekennt, für die Fahrpreiserhöhung im VRS gestimmt zu haben. „Der ÖPNV wird immer teurer und muss finanziert werden“.

20. September 2019

Die SPD beantragte, Schulwege mit Bus und Bahn sicherer und verlässlicher zu machen. Es sollte in Zusammenarbeit mit den Schulen erhoben werden, wie Schüler*innen zur Schule und wieder nach Hause kommen. Zudem sollte untersucht werden, wie häufig Ausfälle im öffentlichen Nahverkehr dazu führen, dass sie verspätet zur Schule kommen oder unzumutbar lange auf eine Verbindung nach Hause warten.

SPD, LINKE und SOZIALLIBERALE stimmten zwar für diesen Antrag, von der Ratsmehrheit jedoch wurde er abgelehnt.

7. November 2019

Der Änderungsantrag des Oberbürgermeisters Sridharan, Bonn nicht, wie von der SPD gefordert, bereits bis 2030, sondern bis spätestens 2035 klimaneutral zu machen, wurde vom Rat mehrheitlich angenommen.

17. November 2019

DIE LINKE beantragte, Strassen NRW solle bei der „Sanierung“ des Tausendfüßlers (BAB 565) auf einen beidseitigen Ausbau auf drei Spuren verzichten und dort stattdessen einen Radschnellweg einplanen. Sollte dieses nicht geschehen, wird seitens der Verwaltung nach Einwendungen gegen das anliegende Planfeststellungsverfahren gesucht, um den Ausbau zu verhindern.

12. Dezember 2019

Auf dem Hermann-Wandersleb-Ring wird es keine Umweltspur für Busse und Fahrradfahrer*innen geben. Der Stadtrat lehnte mit Mehrheit einen entsprechenden Vorschlag der Verwaltung ab. CDU, FDP, Teile des BBB und der SOZIALLIBERALEN lehnten dieses laut General Anzeiger Bonn ab.

16. Dezember 2019

Es wurde die Bestellung von 26 neuen Straßenbahnen für Bonn unterzeichnet. Leider sind diese technisch nicht dazu geeignet, zwei Bahnfahrzeuge aneinander zu koppeln. Die Ratsmehrheit hatte sich gegen eine solche Möglichkeit gestellt – wegen drei Prozent Mehrkosten. Ein Vertreter der GRÜNEN sprach von einem „historischen Fehler“. Bei der Lebensdauer einer Straßenbahn von circa 25 Jahren rechneten Teile des Stadtrates wohl nicht ernsthaft mit einer Verkehrswende und der damit verbundenen Erhöhung des Fahrgastaufkommens.

21. Januar 2020

Die SPD stellte den Antrag auf den Bau einer Rheinbrücke für den Fahrrad- und Fußgängerverkehr: „Die Lösung der Bonner Verkehrsprobleme ist zurzeit eines der kommunalpolitischen Themen schlechthin. Die Verkehrswende weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu alternativen Verkehrsmitteln (ÖPNV, Fuß- und Fahrradverkehr) ist vordringliches Ziel und muss gelingen. Dem Fußgänger- und Fahrradverkehr steht derzeit im Innenstadtbereich nur die Kennedybrücke zur Rheinüberquerung zur Verfügung – mit allen hiermit verbundenen und bekannten Nachteilen und Gefährdungen. Der Bau einer Rheinbrücke für den Fußgänger- und Radverkehr leistet einen wichtigen Beitrag, die Verkehrswende in Bonn aktiv zu gestalten.“

22. Januar 2020

Oberbürgermeister Sridharan und Stadtbaurat Helmut Wiesner stellten den Maßnahmenkatalog “Klimaneutrales Bonn“ vor. Hier verkehrsrelevante Punkte aus diesem Katalog:

„In den kommenden drei Jahren werden Radschnellwege ausgebaut und Mobilstationen in der Innenstadt errichtet, welche verschiedene Verkehrsangebote wie ÖPNV, Car-Sharing und Radverleih räumlich miteinander verknüpfen und so den Umstieg zwischen den Verkehrsmitteln erleichtern“.

4. Februar 2020

Eine mögliche Umsetzung der Klimamaßnahmen wurde verkehrstechnisch von den LINKEN in Auszügen wie folgt beschrieben: „Im Innenstadtbereich wird flächendeckend Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit festgesetzt. Die zweispurigen Straßen werden umgewandelt, entweder wird eine Umweltspur errichtet oder aber die zweite Spur zugunsten von breiten separaten Geh- und Radwegen zurückgebaut. In Fahrradstraßen gilt zukünftig nur noch für „Anlieger frei“.

Die Parkgebühren im erweiterten Innenstadtbereich werden mindestens verdoppelt. Öffentliche Parkflächen werden in der gesamten Stadt generell kostenpflichtig.

Das 365-Euro Klimaticket wird als Bonner ÖPNV-Klimaticket kommunal fortgesetzt. Eine Ausweitung der Geltung auf den VRS ist anzustreben. Die Kapazitäten des ÖPNVs werden parallel kontinuierlich gesteigert.

Verdichtung des Bustaktes, so dass niemand länger als 7 Minuten auf den Bus warten muss.

Am Flughafen Köln/Bonn werden Inlands- und Nahflüge sukzessive reduziert. Der Flughafen Hangelar wird für Privatflüge baldmöglichst geschlossen.“

Das eigentlich schon beschlossene Förderprogramm zur Anschaffung von privaten Lastenrädern wird jetzt gestartet.“

Dieser Antrag wurde am 7. Mai von der Ratsmehrheit abgelehnt.

5. Februar 2020

Zum gleichen Thema äußerte sich die JAMAIKA-KOALITION einen Tag später:

„Das Städtische Gebäudemanagement und die SWB erarbeiten zeitnah eine Prioritätenliste mit konkreten Umsetzungsschritten und -maßnahmen, die bei dem kommenden Doppelhaushalt Berücksichtigung finden. Die Anhebung der Parkgebühren und die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung sowie eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots“, sind die verkehrsrelevanten Auszüge aus dem Papier. Dieser Antrag wurde am 7. Mai von der Ratsmehrheit angenommen.

6. Februar 2020

Einem Paukenschlag gleich brachen die GRÜNEN vorübergehend aus der Koalitionstreue mit CDU und FDP aus und stimmten in der Ratssitzung dem Antrag der SPD auf Kappung des City Rings zu. Der Bonner Hauptbahnhof ist somit nicht mehr über den City Ring zu erreichen. Hier Inhalte des Änderungsantrags der SPD-Fraktion zur Unterbrechung des City Rings vor dem Hauptbahnhof:

„Busse und Bahnen stehen nicht mehr im Stau und sind pünktlicher. Die Planung der Umgestaltung des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) kann endlich vorangetrieben werden. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen werden sicherer unterwegs sein. Radwegeverbindungen vom Zentrum zum Rhein sowie die Luft- und Aufenthaltsqualität werden für alle besser.“

11. Februar 2020

Nach zähen Verhandlungen konnte sich der Klimabeirat darauf einigen, Verkehr / Mobilität als eigenes Handlungsfeld in den Maßnahmenkatalog aufzunehmen. Da der Beirat allein als beratendes Expertengremium ohne verbindliche Beschlusskraft für Politik und Verwaltung arbeitet, ist eine Aufnahme bei der jetzigen Ratsmehrheit nicht zu erwarten.

7. Mai 2020

In der verkleinerten Ratssitzung wurde über drei Änderungsanträge (LINKE; SPD; CDU/GRÜNE/FDP) zum Klimanotstand und der Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen abgestimmt. Die Anträge der SPD sowie der LINKEN wurden abgelehnt.

5. Juni 2020

In mehreren Bonner Tageszeitungen ist zu lesen, dass die CDU neue Mehrheiten im Rat sucht, um die am 6. Februar 2020 beschlossene Kappung des City Ringes rückgängig zu machen. Die Autofahrer*innen sollen wieder am Bahnhof vorbei vom Süden bis in den Norden durchfahren können. Dem Antrag wurde mit Ratsbeschluss vom 18. Juni stattgegeben. Drei Monate vor der Kommunalwahl einen solchen Antrag zu stellen, zeugt von einem nicht nachvollziehbarem Demokratieverständnis. Auch wird hier Zeugnis darüber abgelegt, dass der Klimanotstand aus dem Munde der CDU gesprochen nicht besonders überzeugend klingt.

Meine Bilanz

Ziehe ich eine Bilanz, so sehe ich eine Verkehrswende in Bonn als Beitrag zur Klimaneutralität mit den momentan vorhandenen Ratsmehrheiten als nicht zu realisieren an. Die Haltung, die ich bei manchen Bonner Politiker*innen in Sitzungen erlebt habe, ist für das weitere Vorankommen dieser schönen Stadt schlichtweg wenig hilfreich. Politik für uns Bonner*innen muss über parteipolitische Engstirnigkeit gestellt werden, und die Bürger*innen müssen mitreden dürfen.

Inwieweit sich die GRÜNEN an dieser Zusammenarbeit beteiligen möchten, werden wir erst nach den Kommunalwahlen wissen. Laut Aussagen ihrer Oberbürgermeister-Kandidatin Katja Dörner werde eine erneute Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen.

Erschienen in der BUZ 4_20

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