Probleme der modernen Imkerei und Bienenzucht

5. Mai 2020 | Gesellschaft, Ausgabe 2 / 2020 Lebensmittel, Ökologie, Verena Mandt | 0 Kommentare

Die Gier nach dem süßen Gold

Ein eigenes Bienenvolk auf dem Balkon halten? Imker*in werden, um die Bienen zu retten? Projekte wie die BienenBox machen es möglich, das sogenannte Urban Beekeeping. Und auch in der professionellen Imkerei sind es oft idealistische Motive, die Menschen zur Bienenhaltung bringen. Doch das Eingreifen durch uns Menschen bringt auch zahlreiche Probleme mit sich.

Verena Mandt

Etwa 100 Millionen Kilo Honig verzehren wir Deutschen pro Jahr laut Angaben des Deutschen Imkerbundes. Etwa 1⁄4 – 1⁄5 hiervon wird in Deutschland produziert. Insgesamt sind hierzulande um die 100.000 Imker*innen mit zusammen rund 75.000 Bienenvölkern registriert. Man könnte meinen, das Überleben der Honigbiene sei so ausreichend gesichert, doch auch die Imker*innen haben jedes Jahr sterbende Bienenvölker zu verzeichnen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Die Varroamilbe

Der Hauptfeind der Biene heißt Varroamilbe und wurde vor etwa 40 Jahren aus Asien eingeschleppt. Die Milben schwächen die Bienen und infizieren sie mit Krankheiten. Imker*innen beklagen jedes Jahr Verluste von 1⁄3 oder mehr ihrer Bienenvölker, die auf das Konto der Milbe gehen. Daher greifen die meisten von ihnen mehrmals im Jahr zur Behandlung mit Ameisensäure. Die organische Säure hinterlässt keine Rückstände und wird laut Expert*innen gut von den Bienen vertragen. Dennoch schwächt sie diese und ist alles andere als angenehm für sie.

Ein ungewünschter Nebeneffekt:

Da nur die stärksten Milben die Behandlung überleben, wird quasi eine ungewollte Vitalitätszucht betrieben. Das Problem wird durch die Behandlung mit der Säure also nicht gelöst, sondern verschlimmert!

„Der größte Feind der Honigbiene ist die Imkerei selbst“

Diese Behauptung stammt vom deutschen Bienenforscher Torben Schiffer, der nicht in der Varroamilbe, sondern vielmehr in der nicht-artgerechten Haltung und Behandlung durch die Imker*innen die größte Bedrohung sieht. Obwohl viele aus idealistischen Gründen die Imkerei begonnen hätten und den Bienen helfen wollten, sei die Ausbildung rein auf Gewinnmaximierung ausgelegt. Es wird gelehrt, so viel Honig wie möglich zu produzieren, nicht aber wie eine artgerechte Haltung aussieht. Probleme bereitet dies an mehreren Stellen:

  • Die Behausung

Die moderne Imkerei nutzt statt Körben aus Stroh und Lehm, Kästen aus Holz oder Styropor mit Gitterböden und herausnehmbaren Wabenplatten. Diese sind zwar komfortabel für Imker und Imkerin, bieten jedoch nicht die gleichen klimatischen Bedingungen wie die natürlichen Behausungen der Bienen. Ihre Isolierung ist vergleichsweise schlecht, sodass die Bienen viel Wärme erzeugen müssen, um den Winter zu überleben. Das kostet Energie. Zudem neigen die modernen Kästen zur Schimmelbildung durch die beim Stoffwechsel der Bienen entstehende Feuchtigkeit. Hieran infizieren sich die Bienen und werden von den Toxinen geschwächt.

Die natürliche Behausung der Honigbiene wäre eine trockene Baumhöhle, deren natürliche Isolierung Wabenschimmel verhindert. Zudem leben die Bienen hierin nicht isoliert, sondern in einem Ökosystem mit 100ten von Insekten, Mikroorganismen und Milben. Besonders hervorzuheben sind hier sogenannte „Putztiere“ wie der Bücherskorpion, der weltweit in wildlebenden Bienenvölkern zu finden ist. Er jagt und frisst Schädlinge wie die Varroamilbe und hilft so den Bienen. Doch der Einsatz von Chemikalien und die modernen Stöcke haben ihn hierzulande flächendeckend ausgelöscht.

  • Die Züchtung

Theoretisch können sich die Bienen auch selbst wehren. Das zeigen von Wildbienen totgebissene Milben. Doch die moderne Bienenzucht erstrebt vor allem Sanftmut und Fleiß und versucht diese mitunter auch durch künstliche Besamung oder andere Manipulationen zu erreichen. Das bei den Wildbienen noch ausgeprägte gegenseitige Putzen, das sogenannte Grooming, wird bzw. wurde mit Faulheit gleichgesetzt und weggezüchtet. Honigbienen produzieren heute dreimal so viel Honig wie noch vor 60 Jahren, dafür haben sie ihre Wehrhaftigkeit verloren.

Ebenso ist es unerwünscht, dass die Bienen Ausschwärmen, also dass die alte Königin mit der Hälfte des Bienenvolkes den Stock verlässt, sobald eine neue herangezogen wurde. Schließlich soll das Bienenvolk möglichst groß sein, um eine hohe Honigproduktion zu gewährleisten. Daher werden unerwünschte Königinnenzellen oftmals weggeschnitten. Doch beim Ausschwärmen wird auch ein Großteil der Milben hinausgetragen und die verbleibenden Milben werden in der folgenden Brutpause unfruchtbar, sodass sich ihre Zahl auf natürliche Art verringert und sie keine echte Bedrohung mehr darstellen.

  • Die Nahrung

Auch der Honig selbst wäre eine Hilfe für die Bienen, denn er wirkt antibakteriell und antiseptisch und kann so helfen, die Bienen zu stärken und vor Toxinen und anderen Infektionen zu schützen. Leider wird in einer auf Gewinnmaximierung ausgelegten Imkerei jedoch der Großteil des Honigs entnommen und durch eine Zuckerlösung ersetzt.

Bio-Honig – eine Alternative?

Als Reaktion auf die flächendeckende Bekämpfung der Varroamilbe mit Medikamenten entstand Anfang der 90er Jahre die biologische Imkerei. Damit ein Honig das Bio-Siegel erhält, müssen im Umkreis von 3 km um den Stock Bio- und Wildpflanzen überwiegen. Da Bienen aber mitunter auch einen größeren Flugradius haben können, nämlich von bis zu 5 km, richten sich die Standards für Bio-Honig auch auf die äußeren Rahmenbedingungen.

Die Behausung darf nur aus natürlichen Materialien wie Holz, Lehm und Stroh bestehen, nicht aber aus Kunststoff. Holzschutzanstriche müssen schadstofffrei sein. Chemische Mittel gegen Parasiten sind verboten, die Behandlung mit organischen Säuren wie Ameisensäure oder Oxalsäure ist jedoch bei Varroa-Befall erlaubt. Das Beschneiden der Flügel der Königin, um ein Ausschwärmen zu verhindern, ist ebenso untersagt wie die künstliche Besamung der Königinnen. Auch beim Futter steht das Biosiegel für mehr Natürlichkeit und Bienenschutz. Zuckerlösungen als Ersatz für entnommenen Honig sind nur in Ausnahmefällen erlaubt und müssen dann aus Bio-Zucker bestehen. Generell sollte sich das Winterfutter jedoch aus eigenem Honig und Pollen zusammensetzen.

Wesensgerechte Bienenhaltung

Dafür steht u.a. das Biosiegel Demeter. Fokussiert werden hier die natürlichen Bedürfnisse des Bienenvolkes, welches als ein einziger Organismus betrachtet wird, der sogenannte Bien. Konkret heißt das z.B., dass der natürliche Schwarmtrieb der Bienen nicht unterbunden wird und diese ihre Waben frei und auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt errichten können.

Vorgefertigte Mittelwände kommen bei Demeter-Imkern wie Matthew Jones aus Rösrath (www.imkereijones.de) nicht zum Einsatz. Sein „Team“, wie er seine Bienen liebevoll nennt, liefern u.a. den Demeter-Honig vom Biohof Bursch in Bornheim. Hierbei entnimmt er jedoch nur den überschüssigen Honig, betreibt also extensive Imkerei. Dennoch reichen die von ihm praktizierten Maßnahmen der wesensgerechten Bienenhaltung allein noch nicht aus, um die Bienen gesund über den Winter zu bringen und gleichzeitig gewinnbringend zu produzieren; auch er ist auf die Behandlung mit Ameisensäure weiterhin angewiesen. Noch zumindest. Denn durch geschickte Züchtung versucht er seine Bienen zu stärken, indem er diejenigen Bienenvölker vermehrt, die sich bereits erfolgreich gegen die Varroamilbe wehren.

Darwinistische Bienenhaltung

Einen Schritt weiter geht seine langjährige Imker-Kollegin Jutta Kalff aus Forsbach. Nachdem sie im Winter 2017/18 trotz der Behandlung mit Ameisensäure 17 von ihren 22 Völkern verloren hatte, wendete sie sich komplett gegen die Behandlung. Ihr neuer Ansatz heißt darwinistische Bienenhaltung, also das Prinzip der Evolution freien Lauf zu lassen, in der Hoffnung, dass die Bienen resistent gegen die Varroamilbe werden. Und ihre ersten Ergebnisse scheinen in der Tat erfolgsversprechend: nur 8 von 24 Völkern haben diesen Winter nicht überlebt. Für die Zukunft erhofft sie sich sogar eine noch bessere Quote.

Erschienen in der Ausgabe März/April 2020

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