Über Müllberge durch Mahlzeiten unterwegs
„Die Becher von letzter Woche habe ich Ihnen wieder mitgebracht.“ Die Kundin am Bistrowagen reicht dem Koch zwei Becher aus wiederverwendbarem Bioplastik für ihren heutigen Einkauf. Sie sind aus Maisstärke, wie man mir erklärt, damit sind sie fast entschuldbar. Aber trotzdem, mit Mais könnte man doch auch Tiere und Menschen ernähren. Und diese salatölverschmierten Teile mit den gefühlt tausend Ritzen und Rillen auch noch spülen? Auf der Suche nach eleganteren Lösungen in Bonn.
Susanna Allmis-Hiergeist
Nochmal zur Erinnerung: In diesem Jahr ist die EU-Richtlinie Einwegplastik in Kraft getreten, die die Nutzung von Einwegartikeln aus Kunststoffen einschränkt. Bestimmte Produkte werden dabei bald ganz verboten, z.B. Plastikgeschirr und Plastikbesteck, ja… auch Luftballonhalter.
Im Hinblick auf Fast-Food-Verpackungen und Boxen für Mahlzeiten, Sandwiches, Wraps und Salate soll bis 2021 auf nationaler Ebene ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, um den Verbrauch solcher kurzlebiger Gebrauchsgegenstände in Zusammenarbeit mit den Herstellern deutlich zu reduzieren. Und tatsächlich ist in Bonn schon das eine oder andere in Bewegung.
Re-use it!
Der Leyenhof-Bistrowagen z. B. ist bei seinen Verpackungen zur Mitnahme von Speisen mittlerweile ganz auf Weckgläser bzw. gewachste Kartons umgestiegen. Viel schöner ist es natürlich, neben dem Wagen im Hofgarten zu sitzen und Tarte und frischen Salat von einem Porzellanteller zu essen. Wenn ich trotzdem den „Fang“ mit nach Hause nehmen möchte, akzeptiert der Koch auch ein eigenes mitgebrachtes Gefäß, aber nur bei Kunden, die er gut einschätzen kann. Denn er geht damit ein gewisses Risiko ein: gemäß Lebensmittelhygiene-Verordnung muss die ausgebende Stelle eine unhygienische Beeinflussung der Ware ausschließen.
Einfache Verhaltensweisen
Enthält also meine Dose Salmonellen oder ähnliche unerwünschte Bewohner und mir wird nach Genuss seiner Suppe schlecht, ist er theoretisch haftbar zu machen. In größeren Betrieben mit viel Publikumsverkehr muss diesem Risiko systematisch vorgebeugt werden. Deshalb ist die Kundschaft in Bergfelds Bioläden angehalten, die mitgebrachte Dose selbst zu öffnen, sie auf ein bereitgehaltenes Tablett zu stellen und die befüllte Dose hinterher von diesem Tablett wieder entgegen zu nehmen. Nach Auskunft der Mitarbeiter wird dies aber hauptsächlich von den Kunden der Käsetheke genutzt – den Mittagsimbiss nehmen die meisten lieber im Laden selbst.
Nur 15 % wird wiederverwertet
Wie man es dreht und wendet, jede Einwegverpackung, auch wenn sie aus Pappe oder sogenanntem biologischem Kunststoff ist, landet mit hoher Wahrscheinlichkeit am Ende im Restmüll. Einwegplastikverpackungen werden nicht über den gelben Sack gesammelt und verringern damit weiter die ohnehin nicht berauschende Recyclingquote in Deutschland von rund 15%. Ersatzverpackungen aus Karton sind nach Auskunft des BUND in der gesamten Ökobilanz nicht viel besser als Plastik und sollten in benutztem Zustand eher nicht über die Papiertonne recycelt werden.
Also muss ein effektives Mehrweg-System her und hier setzt die neue Kampagne der SWB-Entsorgungstochter bonnorange an. Sie firmiert unter dem Motto „Werde Cupster: Bonn geht den Mehrweg“ und hat in einem ersten Schritt dem weiten Feld der Einweggetränkebecher den Kampf angesagt. Unglaubliche 40.000 solcher Becher landen gemäß bonnorange täglich im Müll, Tendenz steigend. Um diese Becherflut einzudämmen, hat bonnorange bisher über 100 Betriebe ins Boot geholt. Auf der Homepage von bonn-geht-den-mehrweg sind alle an der Aktion beteiligten Läden auf einer interaktiven Karte markiert, sodass man sehen kann, wo der eigene mitgebrachte Becher befüllt wird bzw. wo es Pfandbecher gibt, die man später an anderer Stelle wieder abgeben kann. Zudem ist hinterlegt, ob dem Kunden ein kleiner Rabatt auf den Getränkepreis gewährt wird und ob es kostenloses Trinkwasser gibt.
Es wird sinnvoll, wenn alle mitmachen
Nach Auskunft von bonnorange wird der Mehrwegbecher von den Kunden gut angenommen, aber klar ist auch, dass sich das Ganze erst zum Renner entwickeln wird, wenn in der eigenen städtischen oder regionalen „Flanierzone“ eine gewisse Dichte an Versorgungspunkten mit homogenisierten Mehrwegangeboten entsteht – und zwar nicht nur für Getränke, sondern auch für die übrigen Komponenten des Mittags-Picknicks wie Suppen, Salate und Sandwiches. Immerhin wird im Bonner System auf eine ähnliche Plattform der Abfallwirtschaftssysteme Köln verwiesen – schöner wäre natürlich ein Überblick über Rückgabemöglichkeiten im gesamten VRS-Verbund.
Supermärkte stehen Mehrwegsystemen skeptisch gegenüber
Was aber tut sich in den Salatbars der regionalen Supermärkte? Sie bieten Leckeres im Trend: u.a. Quinoia, grüne Sojabohnen, Salat aus roten Linsen, Couscous und diverse Nüsse. Aber jede Marke hat ihre eigene Einwegdose und dazu Plastikbesteck. Ich frage bei REWE und Edeka nach, welche Pläne sie vor dem Hintergrund der neuen EU-Richtlinie haben. Beide Firmen versichern, dass Nachhaltigkeit und Vermeidung von Plastik ein Bestandteil der Unternehmensstrategie seien, auch ein Sieg der Verbraucher ist, die sich an solchen Kriterien orientieren.
REWE hat das Ziel, bis 2025 insgesamt 25% weniger Kunststoff bei ihren Eigenmarken zu verwenden. Bis Ende 2020 sollen Einweggeschirrteile aus dem Sortiment genommen werden, der Plastikdeckel auf den Coffeedrinks noch in diesem Jahr ausgedient haben. Dennoch: meine Frage nach einem Mehrwegsystem an der Salatbar stößt auf Bedenken. Die mitgebrachte Dose vorher auswiegen? Wer soll das kontrollieren? Dazu bräuchte man Bedienung, auch zur Einhaltung der hygienischen Vorgaben. Ähnlich sieht es die Firma Edeka. Plastikbesteck und Salatschalen werden bis Endes des Jahres gemäß EU-Forderung durch andere Materialien ersetzt. Die selbständigen Kaufleute unter dem Dach von Edeka werden außerdem mit einem Sortiment an Obst- und Gemüsenetzen für lose Waren und ein Tablettsystem für die Bedientheken unterstützt.
Bonnorange hat sich zur Sensibilisierung einen originellen Blickfang für seine Cupster-Kampagne ausgedacht. Eindringlich im Ohr klingt auch die Anregung unseres Interviewpartners Dr. Bachmann, in der Pause zu entschleunigen und statt Picknick-to-go die to-stay-Variante zu wählen. Und sonst? Also doch Dosen spülen.
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