Wohin führt der Alpentourismus?
Massentourismus, Aprés-Ski und Dauerparty – dieses Bild vermitteln die Alpen heute vielfach. Es gibt jedoch auch eine Gegenbewegung, die auf Entschleunigung und Naturtourismus setzt. So wurden in manchen ehemaligen Skigebieten bereits die Skilifte abgebaut.
Sie lesen einen Artikel aus dem Jahre 2016.
Cynthia Roggenkamp
Die Alpen umfassen ein Gebiet, welches sich über Frankreich, Monaco, Italien, die Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Österreich und Slowenien erstreckt und einen vielfältigen Natur-, Kultur-, Lebens- sowie Wirtschaftsraum für ca. 14 Mio. Menschen darstellt. Geschützt wird das Gebiet teilweise im Rahmen verschiedener Schutzgebietskategorien, wie Nationalparks, Biosphärenreservate, geologische Reservate, UNESCO-Weltnaturerbegebiete, regionale Naturparks, Naturschutzgebiete und Sonderschutzformen. Seit 1995 vereint das Netzwerk Alpiner Schutzgebiete (ALPARC) alle Kategorien großflächiger Schutzgebiete im Rahmen des Alpenkonventionsgebietes. Ziel ist die konkrete Umsetzung des Artikels „Naturschutz und Landschaftspflege“ der Alpenkonvention (langfristiger Erhalt der Artenvielfalt in den Alpen).
Entwicklung des Alpentourismus
Die Alpen sind heute sehr gut erschlossen und gehören zu den weltweit beliebtesten Tourismusdestinationen. Die jährlichen Besucherzahlen belaufen sich etwa auf 120 Mio. Gäste.
Der Massentourismus und ein damit verbundenes jahrzehntelanges Wachstum mit der zunehmenden infrastrukturellen Erschließung des Alpenraums begann bereits in den 1950er Jahren, wobei der Schwerpunkt zunächst auf dem Sommertourismus lag. Der Massentourismus in den Wintermonaten begann um 1965 und wies zunächst starke Zuwächse auf. Heute unterscheidet sich die Entwicklung in den einzelnen Alpenländern (sinkende Übernachtungszahlen in Deutschland, steigende Übernachtungszahlen in der Schweiz, Slowenien u. Österreich, stagnierende Nachfrage in Frankreich). Dabei konzentriert sich der Tourismus vor allem auf vereinzelte Zentren (50% aller Betten befinden sich in gerade einmal 300 Gemeinden). In jüngster Zeit ist in manchen Regionen neben dem Massentourismus jedoch auch eine Entwicklung hin zum “Ökotourismus” festzustellen.
Die Alpenkonvention
Die Alpenkonvention, die im März 1995 in Kraft trat, ist ein internationales Abkommen zwischen den Alpenländern sowie der EU, um eine nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Alpen zu fördern. Laut Artikel 2 stellen die Vertragsparteien „eine ganzheitliche Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen […] unter umsichtiger und nachhaltiger Nutzung der Ressourcen sicher.“ Um dies zu erreichen werden Maßnahmen in verschiedenen Kategorien ergriffen. Eine befasst sich mit Tourismus & Freizeit, in der das Ziel „die touristischen und Freizeitaktivitäten mit den ökologischen und sozialen Erfordernissen in Einklang zu bringen, insbesondere durch Festlegung von Ruhezonen“ verfolgt wird. 2013 wurde dazu ein Alpenzustandsbericht veröffentlicht, in dem im Bezug auf eine nachhaltige Tourismusentwicklung konkrete Maßnahmen aufgeführt und Ziele benannt wurden (weitere Infos: Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention (Hrsg.) (2013): Nachhaltiger Tourismus in den Alpen. Alpenzustandsbericht).
Konflikte / Probleme
Das jahrzehntelange Wachstum hat in den Alpen zu einer flächenintensiven Nutzung und ökologischen Schäden einiger Regionen geführt. Hinzu kommen Probleme durch Müll- und Abwasserbelastung sowie „optischer Umweltverschmutzung“ durch z.B. technische Infrastruktur. Auch das erhöhte Verkehrsaufkommen, mit dem Luftverschmutzung, Lärm und Flächenverbrauch einhergehen, stellt ein großes Problem dar. Gleichzeitig schädigt der Verkehr die Ökosysteme und den Erholungswert einer Region. Der Wintermassentourismus mit seiner Infrastruktur stellt ebenso ökologische Probleme dar. Angefangen bei der künstlichen Beschneiung (zur Produktion von ca.2 m³ Schnee werden 1 m³ Wasser benötigt), die eine Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel darstellt, bis zu Baumaßnahmen neuer Bergbahnen, für die teilweise Gipfel gesprengt und Betonpfeiler in die Berge gestampft werden. Doch auch soziokulturelle Probleme spielen eine Rolle. So sind viele Regionen einzig vom Tourismus abhängig. Zudem steigen in vielen Tourismuszentren die Lebenshaltungskosten und die Grundstückspreise, die eine Abwanderung der einheimischen Bevölkerung zur Folge haben kann. Ein weiterer Aspekt ist der Verlust kultureller Identität und ehemaliger Dorfstrukturen, die in vielen Gebieten vonstattengeht. Gleichzeitig verkommt die traditionelle Kultur oft zu Handelsware für die Touristen.
Gegenbewegung
Die Alpenländer versuchen mit verschiedenen Strategien und Maßnahmen die Nachhaltigkeit im Tourismus zu verbessern, jedoch stoßen diese Bemühungen oft an ihre Grenzen. Dass aber auch nachhaltiger und naturnaher Tourismus möglich und gewollt ist, zeigt eine Kooperation aus 28 Orten aus sechs Staaten, die sich zusammengeschlossen haben und das Ziel eines Urlaubs im Einklang mit der Natur verfolgen. Dazu zählt insbesondere der Verzicht auf das eigene Auto und eine sanfte Mobilität mit ÖPNV und Shuttle-Services. Zudem werden viele Hotels energieeffizient und nach umweltschonenden Kriterien ge- bzw. umgebaut. Aber auch strenge Lärmverordnungen und der Verzicht auf Industrieanlagen gehören zum Konzept. Laut einer Studie besitzt der naturnahe Tourismus im Alpenraum ein Potenzial von bis zu einem Drittel der Gäste, so dass durchaus eine Nachfrage nach Angeboten in diesem Bereich besteht.
Fazit
Die Alpenregionen stehen vor der entscheidenden Frage, wie es in Zukunft weitergehen soll. Aufgrund u.a. klimatischer Veränderungen und fortschreitender Zerstörung des Naturraums scheint eine Konzentration auf den Massentourismus (besonders im Winter) wenig sinnvoll und kaum zukunftsfähig.
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