Die Seite des DAV – 22. Internationales Wege- und Hüttenfachsymposium

17. September 2024 | Ausgabe 5 / 2024 Lieblingsorte und Heimat, DAV, Gastautor*in, Gesellschaft, Nachhaltigkeit, Umwelt | 0 Kommentare

Alpine Infrastruktur im Wandel

Anfang März fand im Maierhof des Klosters Benediktbeuern ein großes Symposium zum Thema „Alpine Infrastruktur im Wandel – Berge in Bewe­gung“ statt, zu dem der Deutsche Alpenverein (DAV), der Österreichische Alpenverein (ÖAV) und der Alpenverein Südtirol (AVS) eingeladen hatten. Nach einleitenden Worten durch den DAV-Präsidenten Roland Stierle und einem gemeinsamen Mittagessen begannen die von Dr. Georg Bayerle (den man aus dem „Rucksackradio“ oder der TV-Sendung „Bergauf und Bergab“ kennt) an- und nachmoderierten Fachvorträge.


Christof Völker, Hüttenreferent Neue Bonner Hütte


Zentrales Thema der Tagung waren die Auswirkungen des Klimawandels auf die Berge an sich, die Umwelt in den Bergen und die sich daraus ergebenden Konsequen­zen für das Leben in den Bergen und auf unseren Hütten. Gefühlt vergeht in diesem Jahr nicht eine Woche ohne eine Meldung aus den Alpen über Murenabgänge oder Bergstürze. Wie Prof. Karl Gabl (der alpine „Wetterpapst“ von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) in seinem Vortrag darlegte, stelle sich die Frage, ob es einen Klimawandel geben wird, nicht mehr, wir befänden uns bereits mitten darin und bekommen die Auswirkungen schon zu spüren. Langanhaltende Trockenperioden bei sehr hohen Temperaturen, wie wir sie aktuell (Stand: Juli 2024) im Süden und Os­ten Europas erleben, auf der einen und sehr feuchte Perioden aufgrund von festsitzenden lokalen Schlechtwetterzellen auf der anderen Seite werden auch in den nächsten Jahren das Wettergeschehen prägen. Die Auswir­kungen der erhöhten Temperaturen auf die Gletscher sind jedem zumindest von Fotos, beispielsweise vom Rückgang der Paster­ze am Großglockner (siehe Bericht unten) oder dem Aletschgletscher in den Schweizer Alpen, präsent. Dr. Andreas Dietz untermau­erte dies noch einmal in seinem Vortrag zur satellitengestützten Bestimmung der Schnee­bedeckung in den Alpen.

Die Auswirkungen des Klimawandels haben aber auch unmittelbare geologische Auswirkungen für die alpinen Hütten: Nicht nur Schneelawinen stellen eine Gefahr für Gebäude dar, einige Schweizer Stützpunkte mussten wegen instabiler Untergründe oder wegen akuter Bergsturzgefahr oberhalb der Häuser bereits gesperrt und aufgegeben werden. Auch neue, oft längere und schwie­rigere Zustiege mussten geplant und angelegt werden. Die dabei auftretenden Probleme und Herausforderungen für den Bau der Er­satzhütten und –wege stellte Peter Mani von der SAC-Hüttenkommission vor.

Hüttenstandort-Bonn-Matreier Hütte © Sektion Bonn des Deutschen Alpenvereins

Prof. Krautblatter von der TU München brachte uns in seinem Vortrag an einigen Beispielen die wissenschaftlichen Methoden näher, mit denen versucht wird, alpine Natur­gefahren vorherzusagen. Bekannt aus der (al­pinen) Presse dürfte vielen der Hochvogel in den Allgäuer Alpen sein: Der Gipfelbereich des Berges wird von einer auseinandergehen­den Spalte durchzogen, und es ist in näherer Zukunft mit einem Bergsturz zu rechnen. Durch Anbringen von Messgeräten wird die Dynamik im Gestein verfolgt, um entspre­chende Vorhersagen machen zu können. Ein weiteres Beispiel war die relativ neue Stüdl­hütte am Großglockner. Hier zeigten sich im Fundament der auf einem Felssattel errich­teten Unterkunft bereits Risse. Messungen wiesen nach, dass ein Teil des Hanges in Bewegung war. Durch geländebauliche Maß­nahmen konnte der Untergrund der Hütte stabilisiert werden. Auch an der Bonn-Ma­treier-Hütte wurden im Fundament des auf einem Felsvorsprung errichteten Stützpunkts Risse entdeckt. Ob es sich hier nur um eine altersbedingte Schädigung handelt oder ob das Gelände hier ebenfalls arbeitet, bleibt nach der Reparatur zu beobachten.

Für viele Hütten sind die rückläufigen Schneemengen ein echtes Problem für die Wasserversorgung, sind sie doch zum Teil auf Schmelzwasser angewiesen. Die Aus­wirkungen habe ich selber bei einer Kletter­woche auf der Schmidt-Zabierow-Hütte in den Loferer Steinbergen erlebt: Wasser für die Küche musste per Hubschrauber aus dem Tal angeflogen werden, für Hüttenbesucher gab es nur einen langsam tropfenden Wasser­hahn, duschen war nicht möglich.

Hüttenstandort- Neue Bonner Hütte © Sektion Bonn des Deutschen Alpenvereins

Dass Wasser kostbar ist und welche Kon­sequenzen sich aus dem Mangel für die tägliche Arbeit in einer alpinen Unterkunft ergeben, schilderten Corinna Epp von der Gamshütte und Christine Denk von der Augsburger Hütte. Beide Wirtinnen zeigten, dass eine Reduktion der Ressource zwar auch eine Reduktion des Angebots für die Gäste bedeutet, wie beispielsweise eingeschränktes Duschen, dass dieses aber bei vernünftiger Kommunikation von den Gästen verständ­nisvoll mitgetragen wird. Auch ein Leben ohne Handy(strom) oder Lademöglichkeit für E-Mountainbikes wird dann akzeptiert. Auch das Wirtschaften mit regionalen und/ oder vegetarischen Produkten als weiterer Teil einer CO2-Reduktionsstrategie wurde von den Hüttenwirtinnen genannt.

Dieser Punkt wurde auch in zwei weiteren Vorträgen zum Natur- und Klimaschutz vor­gestellt. Dabei berichteten Johanna Felber und Sebastian Magin vom DAV-Hauptver­band über die Ergebnisse der ersten CO2-Bi­lanzierungen von zehn Alpenvereinshütten. Die Erhebung sei durchaus sehr arbeitsinten­siv, aber aus den daraus generierten Zahlen können weitere Maßnahmen direkt abgeleitet werden.

Roland Stierle betonte in seinem Fazit am Ende der Tagung nochmals, dass der DAV, wie auch die anderen Alpenvereine, wei­terhin große Anstrengungen unternehmen werden, um in Zeiten des Klimawandels die Probleme zum Erhalt der Hütten zu lösen.


Anmerkung: Es handelt sich bei diesem Bericht um die leicht gekürzte und in we­nigen Abschnitten veränderte Wiedergabe des gleichnamigen Artikels in der Ausgabe 3/2024 der Sektionszeitschrift „Berg & Tal“. Diese ist bei Interesse während der Geschäftszeiten in der Geschäftsstelle er­hältlich.

Die Sektion Bonn des Deutschen Alpenver­eins besitzt zwei Hütten in den österreichi­schen Alpen: Die Neue Bonner Hütte in den Nockbergen (Kärnten), www.neue-bonner-huette.at , sowie, ge­meinsam mit der Sektion Matrei des Öster­reichischen Alpenvereins, die Bonn-Matreier Hütte im Venedigermassiv/Hohe Tauern (Ost­tirol), www.bonnmatreier-huette.de. Diese stehen auch Nichtmitgliedern offen.


Österreichs Gletscher nur noch Zeugen der Vergangenheit

„Alarmsignal für die Klimapolitik“


Björn Langer, Naturschutzreferent & 2. Vorsitzender


Als „ein weiteres Alarmsignal für die Kli­mapolitik“ bezeichnet der Österreichische Al­penverein (ÖAV) den Gletscherbericht für die Messperiode 2022/23. Im Schnitt schrumpften die 93 untersuchten Eisflächen um 23,90 Me­ter – das ist nach 2021/22 (28,70 Meter) und 2016/17 (25,20 Meter) der dritthöchste jemals registrierte Wert. Nach Einschätzung der Wissenschaftler haben nur große Neuschnee­mengen im Frühjahr und ein Wettersturz im August verhindert, dass die Schmelzrate an den Rekordwert des Vorjahres heran- (oder darü­ber hinaus)reichte. Allerdings weist der ÖAV auch darauf hin, dass die mitgeteilten Beträge nicht das volle Ausmaß des Gletscherrückzugs widerspiegeln, da die spätsommerlichen Witte­rungsbedingungen bis Mitte Oktober anhielten, die Daten jedoch überwiegend bereits – wie in der 133-jährigen Geschichte des Messdienstes üblich – im September erhoben wurden.

Traurige Rekordhalterin ist mit einem Rück­gang von 203,50 Meter die Pasterze zu Füßen des Großglockners: Diese verlor allein an der Zunge 14,03 Millionen Kubikmeter Eis, was einem Würfel mit einer Kantenlänge von 241 Metern entspricht (vergleichbar mit der Hofgartenwiese). Es folgen Rettenbach- und Sexegertenferner (127 bzw. 93,70 Meter, beide Ötztaler Alpen), das Schlatenkees (Venediger­gruppe, 92,80 Meter) sowie der Fernauferner (Stubaier Alpen, 68 Meter). Nur ein Gletscher, das Bärenkopfkees (Glocknergruppe), wird mit einem Rückgang von einem halben Meter als „stationär“ bewertet.

Das Fazit des Messdienstes? „Die Gletscher in Österreich existieren nicht mehr aufgrund der herrschenden Klimabedingungen, sondern wegen der noch nicht aufgezehrten Eisreserven der Vergangenheit.


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