Artenvielfalt auf Bonner Friedhöfen

23. November 2024 | Ausgabe 6 / 2024 Nachhaltigkeit, Gesellschaft, Ökologie, Susanna Allmis-Hiergeist | 0 Kommentare

Oasen der Ruhe

Seerosen treiben vor hohem Schilfrohr, im ufernahen Wasser spiegeln sich die Kronen der umgebenden Bäume, Bänke laden zum Verweilen ein: wir stehen vor einem Teichbiotop auf dem Bonner Südfriedhof. „Hier keine Seebestattungen“, hatte vorübergehend ein Schalk an einem der Bäume plakatiert.


Susanna Allmis-Hiergeist


Die beschriebene kleine Oase kann an der Ortsgrenze zwischen Dottendorf und Friesdorf besucht werden. Sie ist Bestandteil des Projekts „Lebensstätte Friedhof“, ein vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) von 2022 bis Mitte 2024 gefördertes Gestaltungsprojekt für Friedhofsflächen im Wandel. Vermehrte Urnenbestattungen, Memoriamgärten, anonyme Grabstätten und Baumbestattungen prägen zunehmend die Friedhofskultur. Da diese Bestattungsformen weniger Platz in Anspruch nehmen, werden Flächen für die Entfaltung von Biodiversität und zur Naherholung frei.

Runder Tisch Friedhofskonzept

Bienenvölker auf dem Südfriedhof © Susanna Allmis-Hiergeist

Beleuchtet wurde dieses Thema in Bonn bei einem „Runden Tisch Friedhofskonzept“, an dem Politik, Verwaltung, Friedhofsgärtnergenossenschaften, Bestatter*innen und zahlreiche Vereine mitgewirkt haben. Die hier erarbeiteten Handlungsempfehlungen wurden im März 2022 vom Umweltausschuss der Stadt Bonn auf den Weg gebracht.
Ein wichtiges Ergebnis ist, dass auf keinem der 40 Bonner Friedhöfen freiwerdende Flächen versiegelt werden. Bis auf den Friedhof Alt Kessenich sind alle auch als Begräbnisstätten zu erhalten. Dies würdige die Friedhöfe als Raum für individuelles Gedenken, als Stätten gesamtgesellschaftlicher Erinnerung, aber auch als Trittsteine der Stadtökologie. Die zugehörigen Trauerhallen werden weiter gepflegt, um für nicht konfessionsgebundene Rituale einen Rahmen zu bieten. Den muslimischen Bürger*innen wurde im Rahmen des Friedhofskonzeptes zugesagt, ihre beengten Grabflächen auf dem Nordfriedhof zu erweitern.
Die Umgestaltung der freien Flächen soll sich an den Belangen des Naturschutzes orientieren und eine standortangepasste Biodiversität fördern. Die planerische Gestaltung und Umsetzung eines solchen Konzeptes ist in enger Abstimmung und unter Nutzung der Kompetenz örtlicher Naturschutzorganisationen vorzunehmen.

Lebensstätte Friedhof

Kooperationspartner für das Projekt „Lebensstätte Friedhof“ sind in Bonn das Amt für Stadtgrün und die Biologische Station Bonn/Rhein-Erft e.V. Gemeinsam wurde eine Vielzahl von Attraktionen für Menschen und Tiere auf dem Friedhof Poppelsdorf und dem Südfriedhof entwickelt.
Im unteren nördlichen Teil des Poppelsdorfer Friedhofs sind auf ausgedehnten Flächen gebietsheimische Saaten für Blühwiesen ausgebracht worden. Ein Insektenhotel beherbergt die Gäste nach der Nahrungssuche bei den jahreszeitlich gestaffelt blühenden Wildblumen.

Totholz auf dem Friedhof Poppelsdorf © Susanna Allmis-Hiergeist

Kleinere und kompaktere Inselreiche, ebenfalls inmitten von Wiesen, finden sich auf dem Südfriedhof. Tief in den Boden gegrabene Stämme sollen zum Beispiel den gefährdeten Hirschkäfern Brutstätten bieten. Das bodennah modernde Holz beherbergt die Gelege und liefert zudem Futter für die Larven. Aber auch Asseln, Ohrenkneifer und Spinnen fühlen sich hier wohl, werden aber ihrerseits von dem Nachwuchs der umgebenden Nistkästen für Spechte, Kleiber und Meisen bejagt.
Anderes Totholz, locker geschichtet und mit Steinbrocken versetzt, bietet Höhlungen für kleinere Säugetiere wie Igel, Marder und Kaninchen sowie Reptilien. Auf ihren Streifzügen durch den urbanen Raum finden sie hier je nach Lebenswandel einen Schlafplatz oder Schutz vor der Mittagshitze.
Eine weitere Fläche des Südfriedhofs wird als Obstwiese für Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Süßkirschen und Mirabellen genutzt. Hier reifen ausschließlich historische Arten mit eingängigen Namen wie der „Altländer Pfannkuchenapfel“ oder „Kassins Frühe Herzkirsche“. Der „Geflammte Kardinal“ gibt da schon mehr Rätsel auf.

Zweite Blüte

Sammelkorb für das Projekt Zweite Blütem © Susanna Allmis-Hiergeist

Seit Mitte dieses Jahres sind einige Bonner Friedhöfe Teil einer weiteren nachhaltigen Initiative. Sie nennt sich „Zweite Blüte“. Hierfür wurden Sammelkörbe für jahreszeitlich aussortierten, aber noch lebensfähigen Grabbewuchs aufgestellt. Jeder Friedhofsgast kann dort Kandidaten einstellen, aber auch ausgewählte Exemplare zur Zierde der heimischen Beete oder den Balkon mitnehmen.
Freiwillige der Initiative kümmern sich gemeinsam mit dem Amt für Stadtgrün um die Pflege der Schützlinge im Korb und gießen sie bei Bedarf. Nach dem Start in Endenich besteht das Angebot mittlerweile auch in Beuel, Dottendorf, Friesdorf, Rüngsdorf und auf dem Südfriedhof. Wer mehr über die Initiative erfahren oder sie auf dem benachbarten Friedhof umsetzen möchte, wende sich an zweitebluete. bonn@gmail.com.
Auch das Konzept „Lebensstätte Friedhof“ hat unter dem Namen „Vielfalt in der Stille“ für weitere drei Jahre eine Förderbewilligung vom LVR erhalten. So können die bisherigen Pilotmaßnahmen weiter evaluiert und ausgeweitet werden. Zudem stehen neue Aspekte im Fokus. Dazu gehören die Erschließung des ökologischen Potentials von Mauern, die Aussaat von schattentoleranten Blühpflanzen und der erweiterte Schutz von gefährdeten Tierarten.

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