Bonn auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt – Was hat hier Vorrang?
Im Juli vergangenen Jahres rief der Bonner Stadtrat den Klimanotstand aus. Daraufhin setzte er im November 2019 das Ziel „Klimaneutralität bis 2035“. Die BUZ-Redaktion möchte Ihnen einen Eindruck davon vermitteln, wie Zivilgesellschaft und Stadtverwaltung seit der Ausrufung des Klimanotstands den künftigen Weg hin zu einer klimaneutralen Stadt beschreiten möchten. Auf der Grundlage des Beitrags unseres Redakteurs Andreas Huckschlag zur Chronik des Klimanotstands in der BUZ-Ausgabe Mai/Juni haben wir Fragen für ein Doppelinterview mit der “AG Klimanotstand”, welche aus Mitgliedern von Parents for Future und Fridays for Future Bonn besteht, und der Stadt Bonn erarbeitet.
BUZ: Geben Sie uns bitte einen Überblick über die wesentlichen Handlungsfelder Ihres Maßnahmenkatalogs.
AG Klimanotstand: Wir benötigen ein Umdenken für Bonn, eine ganzheitliche Vision für eine langfristig nachhaltige, lebenswerte Stadt. Bonn ist ja immerhin als Sitz des UN-Klimasekretariats faktisch die Klimahauptstadt der Welt, was an sich schon eine moralische Verpflichtung darstellt, auch selbst vorbildhaft zu sein. Dafür bedarf es in ganz vielen Lebensbereichen deutlicher Veränderungen, damit wir und die Generationen nach uns ein gutes Leben haben und dieses nicht durch die Klimakatastrophe existenziell bedroht wird. Deshalb muss sicher vorrangig in den großen Bereichen Verkehr/Mobilität, Gebäude und Energieversorgung etwas geschehen, aber gleichzeitig in vielen anderen Handlungsfeldern, um ein klimaneutrales Bonn zu erreichen. Hier sind die Felder, zu denen wir Maßnahmen vorschlagen:
Stadtplanung, Gebäude, städtisches Leben
Solare Stadtplanung sowie höchste Gebäudestandards für Neubauten und massive Erhöhung der Sanierungsraten im Bestand, wobei der externe Energiebedarf aller Gebäude stark – im Idealfall auf Null – zurückgeht und aus Erneuerbaren Energien gedeckt wird. Dazu auch Ausweitung von Fernwärmebereitstellung. Begrünung, Vermeidung von Versiegelung und Aufbrechen versiegelter Flächen, Photovoltaik (PV) auf Dächern mit leichter Stromeinspeisung, Dach- und Fassadenbegrünung.
Energie
100 Prozent erneuerbare Energiegewinnung für alle Sektoren, Bürgerenergiegemeinschaften, Ausbau Photovoltaik, Solarthermie und Speicherkapazitäten, auch weitere lokale Energiequellen wie (Klein-)Windräder und Geothermie.
Mobilität
motorisierten Individualverkehr reduzieren, ÖPNV und Fahrradverkehr fördern, keine Kurzstreckenflüge ab Köln/Bonn.
Konsum, Kreislaufwirtschaft
Müllvermeidung, Recycling, keine Essensverschwendung, Zisternen und Überlaufbecken.
Nachhaltige Stadtverwaltung
Ausschreibungen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.
Expertise, Controlling, Fördermittel
Externe Expertise für Transparenz, Monitoring und Reporting, Ausbau der Klimaschutzleitstelle, Nutzung der vorhandenen internationalen Expertise als UN- und Welt-Klimahauptstadt, zum Beispiel Sitz von ICLEI, UNFCCC, Global100RE, Monitoring mit Zeitplan und Messung der Fortschritte, Fördermittel nutzen.
Bürgermitwirkung, Beratung und Information
transparente Information, ausführliche Beratung, Projekte zur Beteiligung von allen Bürgerinnen und Bürgern.
Signalmaßnahmen im städtischen Leben
Abschaffung von Heizpilzen, keine offenen Ladentüren, Klimaschutzwoche an Schulen.
Wie priorisieren Sie die Einzelmaßnahmen? Welche Rolle spielen dabei Wirksamkeit und schnelle Umsetzbarkeit?
Zunächst muss die langfristige Vision klar sein, der oberste Priorität eingeräumt wird: Wir wollen eine klimaverträgliche, nachhaltige, soziale und lebenswerte Stadt. Eine Priorisierung muss davon abgeleitet alle Voraussetzungen und Wirkungen der einzelnen Maßnahme mit einbeziehen und diese gegeneinander abwägen. Dies sind vor allem ihre Hebelwirkung, also zum Beispiel die Höhe der CO₂-Vermeidung, ihr Zeithorizont, ihre Durchführbarkeit, ihre Finanzierbarkeit, ihre Seiteneffekte, ihre Akzeptanz. Wir können nicht alle diese Aspekte im Detail beurteilen. Daher ist die Priorisierung noch nicht festgelegt. Sie wird ein wesentlicher Teil der Transformationsarbeit sein und muss zudem kontinuierlich angepasst werden. Wichtig ist hierbei, dass einerseits die Bevölkerung mitgenommen wird und andererseits der Rückgriff auf externe Expertise stattfindet, um von anderen Orten zu lernen und das Rad nicht immer wieder neu erfinden zu müssen. Hierdurch sollen eine hohe Effizienz bei der Erreichung der Ziele – CO₂-Reduktion und Resilienz – erreicht und Widerstände abgebaut werden.
Inwiefern ist geplant, Ihren Maßnahmenkatalog in einen Gesamtplan mit zeitlich gestaffelten Zielen zur Überprüfung des erreichten Stands der Klimaneutralität einzuarbeiten?
Wir haben wichtige Maßnahmen vorgestellt, die aus unserer Sicht nötig sind, um das Ziel Klimaneutralität zu erreichen. Einen Zeitplan für die einzelnen Maßnahmen haben wir schon deshalb nicht vorgelegt, weil die verbleibende Zeit knapp ist und wir im Grunde die meisten Aktivitäten sofort angehen müssen. Einen genaueren Zeitplan sehen wir darüber hinaus nicht primär als unsere Aufgabe, sondern als Aufgabe der Stadt, beteiligen uns aber natürlich gern dabei, den Prozess zielgenau zu gestalten.
Welcher Finanzrahmen wird über die geplanten fünf Millionen Euro des Doppelhaushalts 2020/21 hinaus benötigt, um die Ziele bis 2035 zu erreichen?
Das können wir nicht detailliert einschätzen, aber zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei vielen der erforderlichen Ausgaben um Investitionen handelt, die sich mittel- bis langfristig auch betriebswirtschaftlich rechnen werden, Arbeitsplätze schaffen und sogar Gewinne abwerfen. Bei der Installation von erneuerbaren Energien oder energetischer Sanierung liegt das auf der Hand, aber auch eine Verkehrswende weg von luftverschmutzenden, lärmenden und straßenverstopfenden Einzelfahrzeugen hin zu emissionsfreien Formen mit mehr aktiver Bewegung hat ja enorme positive Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität. Dabei ist mitzubedenken, dass es viele höchst effektive, vor allem ordnungspolitische Maßnahmen zum Beispiel im Bereich Mobilität oder PV-Ausbau gibt, die ohne nennenswerte direkte Ausgaben/Investitionen auf Seiten der Stadt umgesetzt werden können. Wir müssen uns schließlich klarmachen, dass weiteres Abwarten die zukünftigen Kosten enorm erhöhen wird, wir also bei ausbleibenden Investitionen in erheblichem Maße auf Kosten nachfolgender Generationen leben werden. Auch wenn wir den genauen Finanzrahmen nicht beziffern können, sind fünf Millionen Euro für den Doppelhaushalt 2020/21 definitiv zu wenig.
Wie verhält es sich mit dem Handlungsfeld Verkehr/Mobilität im Forderungspapier von Parents- und Fridays for Future Bonn?
Im Maßnahmenkatalog von Fridays- und Parents for Future ist das Handlungsfeld Verkehr/Mobilität bereits enthalten, dessen Wichtigkeit wird dort deutlich herausgestellt. Ein weiterer detaillierter Maßnahmenkatalog allein zu diesem für städtischen Klimaschutz zentralen Handlungsfeld ist in Arbeit und wird in Kürze den aktuellen Maßnahmenkatalog ergänzen. Warum das Handlungsfeld nicht im Maßnahmenkatalog der Stadt enthalten ist, fragen Sie bitte die Zuständigen der Stadt beziehungsweise natürlich die Ratsfraktionen, die ja die nun erst einmal verbindlichen, aus unserer Sicht aber eindeutig unzureichenden Maßnahmen beschlossen und zu verantworten haben. Mobilität/Verkehr ist im Übrigen bei weitem nicht der einzige Bereich, der zu kurz gekommen ist, insgesamt fehlt es uns an dem großen Leitbild und an konsequenter Umsetzung.
Welche Maßnahmen der Stadt findet das Team von Parents for Future interessant?
Der Maßnahmenkatalog der Stadt Bonn zum Klimanotstand wurde ja bereits Anfang des Jahres vorgestellt, unser Forderungspapier wurde weitgehend parallel dazu entwickelt. Erfreulicherweise nahmen an der Vorstellung unseres Katalogs Vertreter*innen sämtlicher Ratsfraktionen, auch der Koalition, teil, und uns ist bekannt, dass unsere Vorschläge in der Politik sehr aufmerksam wahrgenommen wurden. Natürlich war die Zeit bis zur Verabschiedung knapp, dennoch bedauern wir, dass die Ratsbeschlüsse nicht weiter gehen. Positiv ist anzumerken, dass die Leitstelle Klimaschutz nach der Vorstellung unseres Katalogs auf uns zugekommen ist und wir derzeit im Gespräch sind.
Der bisherige Katalog der Stadt enthält sicher eine Reihe von sinnvollen Einzelmaßnahmen, aber er ist eben absolut nicht ausreichend: Die damit erreichbare CO₂-Einsparung wird mit 0,4 Prozent des jährlichen CO₂-Ausstoßes in Bonn angegeben (7700 Tonnen von 2,24 Millionen Tonnen).
Herausgreifen möchten wir aber doch einen Punkt: Es fehlt ein Bekenntnis und ein zeitlicher Rahmen zur Umstellung der Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien – was bis 2030, allerspätestens 2035 nötig wäre. Es ist zwar löblich, dass die Installation von PV und Solarthermie auf privaten Dächern vorangebracht werden soll. Das „1000-Dächer-Programm“ aus dem städtischen Katalog ist jedoch kein ökonomischer und effizienter Einsatz der finanziellen Mittel: Mit einer Million Euro, also 20 Prozent aller vorgesehenen Mittel, sollen insgesamt 1000 private Eigentümer*innen bezuschusst werden, wenn sie PV auf ihren Dächern installieren – eine Investition, die sich auch ohne einen solchen Zuschuss rechnet. Von daher werden diese Mittel wohl vorwiegend durch Mitnahmeeffekte abgeschöpft werden und wenig zusätzlichen Effekt haben. Sinnvoller wäre es zum Beispiel, Eigentümer*innen mit geeigneten Dachflächen gezielt anzuschreiben und ihnen eine kostenlose Erstberatung anzubieten. Für Besitzer*innen größerer Flächen (zum Beispiel Industrie und Gewerbe) kommen auch andere Modelle wie Verpachtungen an Energieerzeugergenossenschaften in Frage. Um einmal die Dimension des Problems deutlich zu machen: In Bonn gibt es 6,6 Quadratkilometer geeignete Dachflächen, die zusammen etwa 800 GWh pro Jahr und damit circa die Hälfte des Bonner Stromverbrauchs liefern könnten. Davon werden aber bislang nur 1,5 Prozent zur Energieerzeugung genutzt! Die Dimension der Aufgabe ist also eine ganz andere als ein 1000-Dächer-Programm suggeriert. Und die Stadt muss endlich deutlich mehr Kreativität entwickeln, wie sie Eigentümer*innen privater und gewerblicher Gebäude mobilisieren kann, auch um etwa die Sanierungsquote dieser Gebäude deutlich zu steigern, damit diese insgesamt auf absehbare Zeit keine fossile Energie mehr benötigen.
Welche Handlungsfelder muss der künftige Stadtrat noch aufgreifen?
Wie schon ausgeführt, fehlt bislang die positive Vision für die Zukunft der Stadt Bonn. Insbesondere der Bereich Verkehr/Mobilität muss deutlich, zeitnah und ÖPNV- und Rad-orientiert in Angriff genommen werden. Wir brauchen dringend die von allen Seiten geforderte Verkehrswende. Die zügige Umstellung der Energiegewinnung in Bonn auf 100 Prozent fossilfrei und 100 Prozent Erneuerbare Energien ist elementar – und muss mit klaren zeitlichen Vorgaben unterlegt werden. Gleiches gilt für den PV-Ausbau auf privaten Bestandsgebäuden. Hier wäre ein Runder Tisch mit Handel und Wirtschaft dringend wünschenswert und nötig, um große Dachflächen schnell für PV, Solarthermie und Begrünung zu nutzen. Schließlich benötigen wir eine breite Bürgermitwirkung und eine offene Kommunikation seitens der Stadt.
Wie werden die Bonner Bürger*innen an der weiteren Umsetzung der Maßnahmen beteiligt?
Wir fordern die umfangreiche und transparente Beteiligung der Bürger*innen. Dies bedeutet insbesondere Beratung, Informations- und Diskussionsveranstaltungen sowie das Ernstnehmen ihrer Bedürfnisse und Wünsche. Wir unterstützen die Realisierung des von Bonn im Wandel e.V. und Klimawache Bonn eingebrachten Bürgerantrags „Bonn4Future“ mit den dort dargelegten Mitwirkungsprozessen.
BUZ: Geben Sie uns bitte einen Überblick über die wesentlichen Handlungsfelder Ihres Maßnahmenkatalogs.
Helbig: Die Handlungsfelder für neue Maßnahmen im Katalog des Beschlusses „Klimanotstand und Umsetzung Klimamaßnahmen“ sind:
• solares Bonn,
• klimaschonend Bauen und Wohnen,
• nachhaltige Bundesstadt Bonn,
• kommunale Gebäude- und Stadtentwicklungsprojekte,
• Stadtmarketing und Kommunikation,
• Klimaanpassung.
Daneben enthält der Katalog eine Zusammenstellung von Maßnahmen im Klimaschutz und in der Klimaanpassung, die aktuell abgeschlossen wurden oder sich in Planung beziehungsweise Umsetzung befinden. Die Systematik dieser Zusammenstellung orientiert sich an den Handlungsfeldern des EEA (European Energy Award), einem internationalen Klimaschutzmanagement- und Auszeichnungssystem, das die Stadt Bonn seit 2003 nutzt und auch Grundlage des Masterplans Energiewende und Klimaschutz ist. Die darin enthaltenen Handlungsfelder sind:
• Entwicklung und Raumordnung,
• kommunale Gebäude und Anlagen,
• Versorgung und Entsorgung,
• Mobilität,
• interne Organisation,
• Kommunikation und Kooperation.
Wie priorisieren Sie die Einzelmaßnahmen? Welche Rolle spielen dabei Wirksamkeit und schnelle Umsetzbarkeit?
Der vorliegende Katalog enthält für einen Teil der Maßnahmen – soweit bisher ermittelbar – Angaben zu den CO₂-Reduktionspotentialen und den Investitionskosten. Daraus wurde ein Nutzen-Kosten-Verhältnis gebildet, das ein Kriterium für die Wirksamkeit von Maßnahmen ist. Nach einem Ergänzungsbeschluss zu dem Maßnahmenkatalog soll ein Umsetzungsfahrplan erarbeitet werden, in den weitere Kriterien zur Priorisierung der Maßnahmen einfließen werden. Dazu gehört auch eine zeitliche Klassifizierung der Umsetzbarkeit.
Inwiefern ist geplant, Ihren Maßnahmenkatalog in einen Gesamtplan mit zeitlich gestaffelten Zielen zur Überprüfung des erreichten Stands der Klimaneutralität einzuarbeiten?
Im Handlungsfeld „Nachhaltige Bundesstadt Bonn“ ist für den Konzern Stadt Bonn eine Bestandsaufnahme der CO₂-Emissionen – vergleichbar zu Unternehmen – vorgesehen. Unter „Konzern Stadt Bonn“ sind die Stadtverwaltung und Tochterunternehmen wie zum Beispiel die Stadtwerke Bonn zu verstehen. Für diesen Bereich ist mit der Zielsetzung Klimaneutralität 2035 auch die Formulierung von Zwischenzielen und ein regelmäßiges Monitoring verbunden. Dieser Bereich wird Teil eines Gesamtplans werden, in dem darüber hinaus die Maßnahmen einfließen, auf die die Stadt Bonn unmittelbar und mittelbar Einfluss nehmen kann. In der Fortschreibung und Weiterentwicklung ist dann auch vorgesehen, die Ergebnisse eines Bürger*innenbeteiligungsprozesses, der durch einen Bürger*innenantrag angestoßen wurde, in den Maßnahmenkatalog zu integrieren.
Welcher Finanzrahmen wird über die geplanten fünf Millionen Euro des Doppelhaushalts 2020/21 hinaus benötigt, um die Ziele bis 2035 zu erreichen?
Diese Frage lässt sich so nicht beantworten. Sie setzt voraus, dass eine Stadt wie Bonn nur mit ihren Mitteln eine Klimaneutralität planen und erreichen kann. Das ist aber bei der Vielzahl von Verursachern für CO₂-Emissionen, die nicht im unmittelbaren Zugriffsbereich der Kommune liegen, kein realistisches Planungsszenario. Für die Erreichung einer Klimaneutralität sind gesetzliche Rahmenbedingungen und Anreizinstrumente für ein klimafreundliches Verhalten auf nationaler und internationaler Ebene eine notwendige Voraussetzung.
Warum ist das Handlungsfeld Verkehr/Mobilität im Maßnahmenkatalog nicht aufgenommen worden?
Der Katalog enthält sowohl in der Zusammenstellung aktuell abgeschlossener und in Planung oder Umsetzung befindlicher Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung als auch im Portfolio der verwaltungsinternen Maßnahmen das Handlungsfeld Mobilität. Beispielhaft seien für den ersten Bereich die Planung zur Seilbahn Venusberg, zur Westbahn, die Projekte Lead-City (Angebotserweiterung ÖPNV, betriebliches Mobilitätsmanagement) und Emissionsfreie Innenstadt (Radpendlerrouten, Mobilstationen) oder der Ausbau der E-Mobilität in der Busflotte der SWB genannt.
Sind Anregungen aus dem Forderungspapier der AG Klimanotstand in den Maßnahmenkatalog der Stadt in Bearbeitung?
Dies war schon aus zeitlichen Gründen nicht möglich, da das Maßnahmenprogramm von Fridays for Future und Parents for Future „Umdenken.Maßnahmenkatalog für ein klimagerechtes, nachhaltiges Bonn“ erst nach der Einbringung des städtischen Maßnahmenkatalogs öffentlich vorgestellt wurde. Die Leitstelle Klimaschutz hat sich aber mit den Verfasserinnen und Verfassern des Maßnahmenkatalogs zu einem inhaltlichen Austausch über die Vorschläge getroffen.
Welche Handlungsfelder muss der künftige Stadtrat noch aufgreifen?
Ich sehe nicht, dass es darum geht im Klimaschutz und in der Klimaanpassung neue Handlungsfelder zu erschließen. Die Potentiale, Handlungsfelder und im Wesentlichen auch die Instrumente sind hinlänglich bekannt. Es wird in der Zukunft darum gehen, diese konsequent und mit einer höheren Reichweite zu nutzen.
Wie werden die Bonner Bürger*innen an der weiteren Umsetzung der Maßnahmen beteiligt?
Nach dem beschlossenen Bürger*innenantrag „Wir fürs Klima, Mitwirkungsprozess zur klimaneutralen Transformation der Stadt“ soll es in Kooperation mit den Organisationen unter dem Dach „Bonn4Future“ eine breite Bürger*innenbeteiligung mit innovativen Formaten geben. Ein Konzept dazu wurde im Rahmen von „Bonn4Future“ erarbeitet und mit der Verwaltung abgestimmt. Es soll den politischen Gremien zeitnah zur Beschlussfassung vorgelegt werden.
KOMMENTAR
Ein Plädoyer für mehr Zusammenarbeit im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels
Andreas Huckschlag
In der Redaktion hatten wir uns dazu entschieden, ein Doppelinterview mit der Stadtverwaltung und Parents for Future zu ihren jeweiligen Maßnahmenkatalogen zu führen. Ihre Antworten zu den gleichen Fragen stehen sich direkt gegenüber. Das soll aber nicht zeigen, dass hier ein Konkurrenzkampf stattfinden soll. Nein, im besten Fall fördert dieses Interview noch einmal die Zusammenarbeit von Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft. Am 22. Januar wurde der Katalog der Stadt mit knapp 150 verschiedenen Maßnahmen vorgestellt und im Rat und bei den Umweltverbänden unterschiedlich aufgenommen. Kritisiert wurde der zu geringe Finanzrahmen von fünf Millionen Euro, die fehlende Einarbeitung in einen Gesamtplan bis zur Klimaneutralität, das Fehlen des Handlungsfelds Verkehr sowie ein fehlendes Bürgerbeteiligungskonzept. All das ist bekannt. Wir wollten nun wissen, welche Antworten Herr Helbig, stellvertretender Leiter des Amtes für Umwelt, Verbraucherschutz und lokale Agenda der Stadt Bonn darauf hat.
Verkehr/Mobilität
Beim Thema Verkehr verweist Herr Helbig auf die schon abgeschlossenen Maßnahmen oder die noch in Planung oder Umsetzung befindlichen aus älteren Beschlüssen, wie dem Masterplan Energiewende und Klimaschutz Bonn. Doch genau das ist der springende Punkt, diese schon bekannten Maßnahmen sind bei weitem nicht ausreichend. So bleibt es verwunderlich, dass gerade dieses wichtige Handlungsfeld nicht erneut in einem neuen Maßnahmenkatalog aufgegriffen wurde, um weitere Maßnahmen zu initiieren. Schließlich gab es auch schon Projekte zum Solarausbau und trotzdem werden im neuen Katalog vier Millionen Euro für dieses Handlungsfeld eingeplant. Verkehr/Mobilität ist wohl das Handlungsfeld, bei dem gerade aus der Wirtschaft (Automobillobby) am meisten Widerstand kommt. Dies haben wir vor kurzem auch auf Bundesebene gesehen, wo nur aufgrund des großen Drucks aus der Zivilgesellschaft keine Kaufprämie für Verbrennungsmotoren verabschiedet wurde. Auch lokal in Bonn bekam ich beispielsweise beim Besuch des Klimaschutzbeirates am 11. Februar 2020 den Eindruck, dass gerade die Wirtschaft Veränderungen in diesem Handlungsfeld eher ausbremsen möchte. So waren es gerade die Vertreter*innen der Handwerkskammer und der IHK, die dafür stimmten, den Bereich Verkehr in der Kommentierung auszuklammern. Gerade hier unterscheiden sich die Interessen von Wirtschaft und Bevölkerung am meisten.
So sticht hervor, dass dieses Handlungsfeld im Katalog der Parents for Future schon breit abgedeckt ist und sogar ein „weiterer detaillierter Maßnahmenkatalog allein zu diesem für städtischen Klimaschutz zentralen Handlungsfeld“ in Arbeit ist und dem Maßnahmenkatalog hinzugefügt werden wird.
Gesamtplan bis 2035?
Auch sind die Stadtoberen in der Pflicht aufzuzeigen, wie Bonn bis 2035 mit den geplanten Maßnahmen klimaneutral werden kann. Dabei ist es gerade sehr wichtig, wenn dabei die gesamte Emission der Stadt bilanziert wird.
Laut Herrn Helbig ist die Formulierung von Zwischenzielen und ein regelmäßiges Monitoring für den „Konzern Stadt Bonn“ (Stadtverwaltung, Stadtwerke Bonn, etc.) vorgesehen. Nach Angaben der Stadt vor Drucklegung ergänzt die Bilanzierung des „Konzerns Stadt Bonn“ ein regelmäßiges gesamtstädtisches Monitoring der CO2-Emissionen. Wenn nicht für beide Zielbereiche die Zwischenziele in Übereinstimmung gebracht werden, kann die Klimaneutralität Bonns bis 2035 kaum in regelmäßigen Abständen nachvollzogen werden.
So sprach schon der Klimaschutzbeirat folgende Empfehlung aus: „Zwingend sei, dass der Gesamtplan jährliche Zwischenziele für jedes Handlungsfeld aufführt, die regelmäßig überprüft werden (Monitoring) und bei Zielverfehlung durch die Stadt kompensiert werden müssen.“
Man bekommt den Eindruck, dass die Politik immer nur reagiert, wenn der Druck von der Bevölkerung und in den Medien zu groß wird. Es fehlt der Glaube, dass die Stadtregierung aus eigener Überzeugung mit einem Bewusstsein für die Wichtigkeit des Kampfes gegen die Folgen des Klimawandel heraus handelt oder handeln wird. Auch der Klimanotstand wurde erst nach einem Antrag aus der Zivilgesellschaft ausgerufen und so wäre auch der Maßnahmenkatalog ohne den breiten gesellschaftlichen Druck nie entstanden. Und wäre dieser nicht auch viel ambitionierter ausgefallen, wenn man in der Politik den Klimawandel genau als die essenzielle Herausforderung betrachtet, die er eben darstellt?
Parents- und Fridays for Future
Genau aus diesem Grund haben sich die Parents- und Fridays for Future wohl entschlossen, einen eigenen Maßnahmenkatalog zu erstellen. Dieser umfasst insgesamt 42 Seiten und stellt viele ambitionierte Maßnahmen in sieben unterschiedlichen Sektoren vor (https://parentsforfuture.de/de/bonn). Es ist faszinierend, wie viel ehrenamtliche Arbeit in diesen fast wissenschaftlichen Katalog gesteckt wurde. Sehr positiv ist es, dass die Verwaltung mit der „Leitstelle Klimaschutz“ nach der Veröffentlichung des Katalogs das Gespräch mit den Parents gesucht hat und immer noch in Gesprächen mit ihnen ist. Das Potenzial der Synergieeffekte wäre immens und man kann kaum verstehen, warum nicht in noch größerem Umfang als bisher die Expertise aus Klimaschutzbeirat, Bonner Umweltvereinen oder aus den internationalen Einrichtungen der UN-Stadt Bonn und hier insbesondere aus dem Weltsekretariat der Kommunen für eine nachhaltige Entwicklung genutzt wurde.
Synergieeffekte nutzen
Ein positives Signal dagegen ist der angenommene Bürgerantrag „Bonn for Future“, durch den ein Mitwirkungsprozess initiiert werden soll. Die Zivilgesellschaft möchte mitwirken an der Zukunft der nachhaltigen Stadt Bonn und Akzeptanz für Klimaanpassungsmaßnahmen in der Breite der Bevölkerung schaffen. Dazu passen auch perfekt die Abschlussworte des Maßnahmenkatalogs der Parents/Fridays for Future:
„Wir sind seitens Parents for Future Bonn und Fridays for Future Bonn gern bereit, dies alles zu unterstützen, soweit wir können. Wir können Kontakte zu und Expertise von Scientists for Future und zu weiteren Netzwerken anbieten und Kontakte zu anderen Städten mit ihren Erfahrungen und Maßnahmen herstellen. Und mitmachen.“
Erschienen in der Ausgabe 4_20
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