Bürgerbegehren „Rettet das Melbbad!“ erfolgreich

11. September 2020 | Politik, Ökologie | 0 Kommentare

Ratlose Räte

Die stadtpolitische Auseinandersetzung um die Zukunft der Bonner Bäderlandschaft geht in die nächste Runde: Wie bei der Debatte um den Bau eines Bonner Zentralbades stellt sich aktuell eine Mehrheit im Stadtrat erneut frontal gegen die Forderung einer Bürgerinitiative, ein bestehendes Bad unverändert zu erhalten.
Mit einem erfolgreichen Bürgerbegehren ist es der Bürgerinitiative „Rettet das Melbbad!“ dabei im August gelungen, innerhalb von zwei Wochen (!) die in Bonn notwendige Zahl an 10.000 gültigen Unterschriften für den Erhalt des Poppelsdorfer Freibades ohne weitere Bebauung zu sammeln. Doch statt sich der beeindruckenden Bürgerbewegung anzuschließen, versuchen CDU, SPD und GRÜNE auf Betreiben der GRÜNEN-Fraktion im Bonner Stadtrat derzeit, mit der Initiierung eines Ratsbürgerentscheids mit einer ganz anderen Fragestellung das Anliegen der Bürgerinitiative zu unterlaufen und eine massive Bebauung von Teilen des Freibadgeländes durchzusetzen.

Axel Bergfeld

Das Melbbad ist unbestritten eines der schönsten Freibäder Bonns – wenn nicht gar Deutschlands. Gelegen in einem grünen Talkessel im Westen oberhalb des Poppelsdorfer Ortsteilzentrums wird es von allen Seiten von Büschen und Bäumen eingerahmt. Und hat sich im Laufe der Jahre zu einem echten Kultbad für das studentische Publikum, aber auch die Bevölkerung der umliegenden Stadtviertel entwickelt. Das ist heute so. Das war aber auch in den 80er Jahren schon so, als ich in Bonn studierte: Im Melbbad traf man sich vor oder nach der Vorlesung mit Kommiliton*innen, um Freunde zu treffen, um sich zu entspannen oder einfach Spaß zu haben und den Sommer zu genießen.

Innerstädtischer Erholungsort

Als einer der wenigen innerstädtischen Erholungsorte hat das Melbbad dabei seit der Corona-Pandemie an Wichtigkeit und Relevanz für die Menschen der angrenzenden Viertel gewonnen: Urbane Lebensqualität definiert sich in Corona-Zeiten zunehmend über das direkte Lebens- und Wohnumfeld, über kurze Wege und naturnahe Freiräume mit Wohlfühl-Atmosphäre. Der Erhalt und die Pflege dieser identitätsstiftenden Orte wird damit zu einem zentralen Element zukunftsgerichteter Stadtentwicklung und zu einem wichtigen Faktor der zukünftigen Attraktivität unserer Stadt.

Fehlende Bürgerbeteiligung

Mit der Errichtung eines mehr als 100m langen und 20m hohen Gebäuderiegels, der nach den Plänen des Investors bis auf zwanzig Meter an den Beckenrand heranrücken soll, haben CDU, SPD und GRÜNE im Schulterschluss mit OB, Universitätsklinikum sowie der VEBOWAG im vergangenen Jahr die Funktionäre im Vorstand des Melbbad-Fördervereins auf ihre Seite gebracht – und offenbar geglaubt, auf diese Art und Weise ein Bauprojekt an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei realisieren zu können. Auf Grundlage des §34 des Baugesetzbuches, das bei fehlendem Bebauungsplan eine an der Umgebungsbebauung orientierte Bebauung auch ohne weitere Bürgerbeteiligung erlaubt, wurden Baupläne entwickelt, mit denen man im Kommunalwahlkampf zu punkten hoffte – und gegen deren Umsetzung sich jetzt das Bürgerbegehren richtet.

Stichentscheid als direktdemokratischer GAU

Soweit – so gut. Demokratietheoretisch brisant wird das Verhalten der Ratsfraktionen von CDU, SPD und GRÜNEN jetzt durch den Antrag auf Durchführung eines Ratsbürgerentscheids parallel zur Zulässigkeitsentscheidung des erfolgreichen Bürgerbegehrens. Statt den Ball flach zu halten, versuche einige Fraktionen im Rat mit aller Macht das Primat des Handelns wieder an sich zu reißen und greifen in ein laufendes Bürgerbegehren ein. Dass sie dies mit einer entgegengesetzten Fragestellung versuchen und so den durchsichtigen politischen Versuch unternehmen, der Bürgerinitiative die Abstimmung „auf kaltem Wege“ aus der Hand zu nehmen, macht den Vorgang endgültig zu einem Politikum. Denn nach Lage der Dinge wird es jetzt wohl bei der nächsten Ratssitzung am 1.9.2020 zum Beschluss eines sog. „Stichentscheids“ zwischen den beiden von der Initiative einerseits („Soll das Melbbad in seiner jetzigen Form ohne eine Wohnbebauung erhalten bleiben?“) und den Ratsfraktionen von CDU,GRÜNEN und SPD eingereichten Ratsbürgerentscheid andererseits („ Sollen im Rahmen des unstrittigen Erhalts des Melbbades an seinem Rand über den neu zu errichtenden Umkleidekabinen und Sanitäranlagen auch preisgünstige Wohnungen für Pflegekräfte, Auszubildende und andere Menschen mit geringem Einkommen entstehen?“) eingereichten Abstimmungsfragen kommen – sofern sich nicht noch einige aufrechte Stadtverordnete aus den Reihen von CDU, SPD und GRÜNEN finden, die sich nicht dem Fraktionszwang beugen und so die notwendige 2/3-Mehrheit für einen Ratsbürgerentscheid verhindern.

Politik contra Bürgerschaft

Angesichts des vierten erfolgreichen Bürgerbegehrens in Bonn in den vergangenen fünf Jahren stellt sich die Frage, inwieweit der Stadtrat aktuell noch in der Lage ist, den politischen Willen der Bürgerinnen und Bürger in wichtigen stadtpolitischen Fragen abzubilden. Die Stadtverordneten scheinen den Kontakt zu den Menschen dieser Stadt verloren zu haben und in ihrer eigenen Welt zu leben. Mit der Initiierung eines konkurrierenden Ratsbürgerentscheids parallel zum laufenden Melbbad-Bürgerbegehren treiben die Ratsfraktionen das offensichtlich bestehende Missverständnis zwischen gewählten Ratsvertreter*innen und den Bürgerinnen und Bürgern jetzt auf die Spitze – statt auf die eigenen Bürgerinnen und Bürger zuzugehen und den ernsthaften Dialog zu suchen. Angesichts der zu beobachtenden parteipolitischen Erstarrung hilft da im Kommunalwahljahr wohl möglicherweise nur die Wahlurne – man darf gespannt sein, wie die für das bäderpolitische Desaster bei Zentralbad und Melbbad verantwortlichen und federführenden Protagonisten insbesondere aus den Fraktionen von CDU, GRÜNEN, FDP (Zentralbad) und SPD (Melbbad) abschneiden. Ein wenig Nachhilfe in gelebter Demokratie von Seiten der engagierten Bonner Bürgerinnen und Bürger würde dem neuen Stadtrat sicher guttun – und im besten Fall dazu führen, dass mit den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe diskutiert wird, bevor geplant, abgerissen und gebaut wird.

Erschienen in der BUZ Ausgabe 5_20

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